Sport im Zeichen des Klimawandels:Gobi United gegen Groß-Saharabien

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Formel Federvieh: Straußen-Rennen in der Ukraine bei Kiew. Der Verlierer steckt den Kopf in den Sand. (Foto: Imago)

Fit für die Zukunft: Welche Nischen der Spitzensport künftig besetzt, um zu überleben

Von S. Galler, J. Schnitzler, R. Tögel, S. Winter

Selbst wenn man das erste bis sechste Höß'sche Gesetz für den perfekten Fußballrasen (1. wässern, 2. walzen, 3. mähen, 4. mulchen, 5. düngen, 6. niemanden auf den Platz lassen) fundamentalistisch genau befolgt: Der penible Präsident des FC Pipinsried kann den Klimawandel genauso wenig aufhalten wie die Pariser Klimakonferenz. Stürme, Verwüstung, Hochwasser, Gletscherschmelze: Jedes Grad mehr wird auch das Freizeitverhalten verändern. Welche Nischen der Sport künftig besetzt, um zu überleben - aus aktuellem Anlass ein paar weltexklusive Visionen aus der SZ-Wetterredaktion.

Wald-und-Weiher-Hockey

Die Eisbären Berlin bemerkten den Temperaturanstieg als Erste. 2025 dann musste das prächtige neue Red-Bull-Stadion im Münchner Olympiapark, nach einigen kleinen Verzögerungen in der Planungs- und Bau-Phase erst 2022 mit dem Durchtrennen eines Sympathiebands zwischen RB Dietrich Mateschitz und OB Dieter Reiter feierlich eröffnet, wieder abgetaut werden. Alles Ammoniak zur Kühlung von Kunsteis wird in Hellabrunn gebraucht zum Betrieb der neuen, 2×2 Meter großen Zwerg-Polarbären-Anlage. Die 300 nordamerikanischen Profis, die Red Bulls Global Sports Director Pierre Pagé für alle Verletzungsfälle in kleinen Kühlkammern vorrätig hielt, stehen plötzlich auf der glühend heißen Straße. Ein wenig Linderung vor der sengenden Sonne, der die Flügelverleiher permanent einen Tick zu nahe kommen, bieten die braun gebrannten Wälder zwischen Ebersberg und Wolfratshausen, wo die ehemaligen EHC-Profis nun statt schwarzer Gummischeiben trockene Föhrenzapfen durchs Unterholz schussern. Die Kanadier, Ableger alter Holzfäller-Stammbäume, stellen sich dabei erwartungsgemäß am geschicktesten an. 2027 meldet sich der neu gegründete KHC (Koniferen-Hacker-Club) München zum Spielbetrieb in der DEL (Das-waren-noch-Eiszeiten-Liga) an. Trotz Millionenspritzen aus Streusalzburg gewinnt das Projekt keinen Eisblumentopf.

Öko-Autorennen

Die Formel-1-Ingenieure haben ihren brüllenden Benzinschleudern das Qualmen und Spritsaufen abgewöhnt, gut so. Aber nicht zu Ende gedacht. Verbrennungsmotoren, wie die Welt sie bis 2015 kannte, sind in naher Zukunft abgeschafft. Schon heute surren in der Formel E batteriebetriebene Boliden friedlich im Kreis umher. Vorbildlich. Eine Genehmigung zum Lenken eines Mercedes SF (Selbst-Fahrzeug) aus der Edition "Carl Benz" mit Automobilitätsgarantie und 600 hochauflösenden PS (Positioning-Spezialkameras) kann künftig ambulant an der Playstation 17 erworben werden. VW muss keine Abgaswerte mehr manipulieren und bietet einen neuen Käfer aus naturbelassener Trauerweide an, als Sondermodell "Dicker Brummer". 2045 geht schließlich eine Idee des ehemaligen Formel-1-Impresarios Bernie Ecclestone, 115, nach einer spontanen Akkuentladung seiner Brennstoffgummizelle vorzeitig aus dem Kryoschlaf erwacht, in Rennserie: Go-Green-Kart auf dem Altstadtring. Wer seine Seifenkiste als Erster ins Ziel schiebt, gewinnt eine schwarz-weiß-karierte Sanduhr von TAG Heuer im spektakulären Selbstzapfer-Design mit Vollgas-Retro-Effektverglasung. Technik, die selbst Opelaner begeistert. Drives you crazy.

Storm Sailing

Der Wind pfeift unerbittlich, wegen drohender Wirbelstürme und Tornados legt der Wetterdienst den Menschen nahe, ihre Häuser nicht zu verlassen. Ein Szenario, das jetzt schon deutlich häufiger Realität wird als noch vor 50 Jahren. Und die Prognosen sagen, dass es in Zukunft zu noch mehr Unwettern kommen wird. Sturmwarnungen für das Fünfseenland dürften dann so regelmäßig in den Nachrichten laufen wie heutzutage Staumeldungen vom Mittleren Ring. Was tun also als schneidiger Segelsportler aus Pöcking? Raus aufs Wasser, was sonst! Blieben die Big Ones, die echten Kawenzmänner, früher den Surfern vor Maui oder Australien vorbehalten, laden Wind und Wetter jetzt zum Extreme Sailing auf dem Starnberger See - die Disziplin für hartgesottene Klabautermänner, für die alles unter Windstärke 10 ein laues Lüftchen ist. Erst wenn die rote Fahne am Ufer gehisst wird, besteigen diese tollkühnen Teufel ihre Nussschalen und fahren so lange, bis der Letzte kentert.

Gipfelstürmen

Eine Europa-Tour gibt es schon, 2016 zum ersten Mal so richtig offiziell, und zwar unter dem Banner des europäischen Volleyball-Verbands, dessen Timing atemraubend ist: Just wenn die letzten Gletscher schmelzen, karrt er Beachvolleyballer per Seilbahn auf Bergstationen, wo sie dann auf sulzig-matschigem Geläuf den "King of Snow" küren. Passender Name des letzten Tourstopps: Kronplatz, Italien. Im Winter darauf wird nicht nur eine 200 Kilometer südlich gelegene Lagunenstadt aufgrund eines nie da gewesenen Aqua alta unter dem Schmelzwasserspiegel versinken, sondern die Tour aufs Himalaja-Hochplateau verlegt. Die Altmeister Brink/Reckermann wollen trotzdem antreten - unter der Bedingung, die vorgeschriebenen Sauerstoffgeräte in Auszeiten ablegen zu dürfen. Der TSV Herrsching, bislang bekannt als "Geilster Club der Welt", benennt sich um in "Geilster Club auf dem Dach der Welt".

Schlamm-Skifahren

Skifahren? Winter? Schnee? Guter Witz. Wenn die Tiefsttemperaturen stabil bei mehr als 15 Grad liegen, man also auch im Januar im T-Shirt seinen Cappuccino draußen auf der Leopoldstraße schlürfen kann, dürfte es problematisch werden, Kunstschnee zu produzieren. Ist ja jetzt schon schwierig genug. Dann wird man nicht mehr diskutieren müssen, ob ein Weltcup-Rennen auf dem Olympiaberg Sinn ergibt, denn bald befinden sich auch die Gletscher dieser Welt drunten im Tal - in flüssiger Form. Nie mehr Ambros, nie mehr "Skifoan"? I wo. Gut, Geröll-Skifahren wird ob des Materialverschleißes dauerhaft nicht darstellbar sein. Also: Eine schöne Bergwiese, statt Schnee von der Zugspitze ein bisschen Wasser aus den Flutpoldern in der Kölner Altstadt drauf, und schon wird es richtig schön glitschig: auf Schlamm mit Karacho ins Tal. Und das Beste: Schlammrennen wären auch am Olympiaberg problemlos zu organisieren!

Ultimative Kicking

Wir schreiben das Jahr 2054, der FC Bayern strebt seine 65. Meisterschaft an. Härtester Konkurrent sind ausgerechnet die Münchner Löwen, die sich (-> survival of the fittest) am besten an die neue Umwelt angepasst haben. König Fußball, der stolze Herrscher der Savanne, hat alle Verdrängungswettbewerbe schadlos überstanden. Eins muss man den Fifa-Paschas lassen: Sie haben ihre Hausaufgaben gemacht. Um die Jahrtausendwende trafen sie ein paar zunächst zu Unrecht gegeißelte Entscheidungen, die sich als wegweisend herausstellen sollten. Bereits die WM 2022 wurde in der Wüste von Katar ausgetragen. So konnte eine neue Generation von UV-resistenten Strandfußballern nachwachsen. Sieger der vergangenen sieben Turniere um den goldenen Wanderdünenpokal waren der Rekordweltmeister aus dem Vereinigten Groß-Emirat Saharabien (6) und die chinesische Bezirksauswahl von Gobi United. Nach dem Bundesverdienstkreuz fordert Fifa-Ehrenpräsident Blatter über seine noch zu Lebzeiten verlegten Sprachrohre posthum den Nachhaltigkeitspreis der UN und den Nobelpreis für Fairplay und Weltenlenken. For the game. For the world. Schmieröl-Vergangenheit? Sand drüber.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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