Snowboard:Zweifler auf hohem Niveau

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Alpin-Snowboarder Patrick Bussler ist gerade wieder deutscher Meister geworden. Der x-te nationale Titel soll für den Aschheimer aber nur der Auftakt zu einer erfolgreichen Weltcup-Saison sein, an deren Ende die Weltmeisterschaft in der Sierra Nevada steht

Von Ralf Tögel, Aschheim/Carezza

Der wievielte Titel das war? Patrick Bussler lächelt, er weiß es jetzt gar nicht so genau. "Da müsste ich erst einmal nachschauen", sagt er dann, "aber ich glaube, es war der sechste im Riesenslalom." Der 32-Jährige hat sich nach zwei Jahren das Prädikat, hierzulande der schnellste Alpin-Snowboarder zu sein, zurückgeholt. Bussler wurde am vergangenen Wochenende beim Europacuprennen in Hochfügen Vierter, er war bester Deutscher. Dass er nicht sofort präzise weiß, wie oft ihm das schon gelungen ist, hat nichts mit Überheblichkeit zu tun. Der Aschheimer gilt als bescheidener Sportsmann. Es dürfte schon eher daran liegen, dass in den alpinen Sportarten die nationalen Titel von eher überschaubarer Bedeutung sind. Was zählt, ist der Weltcup, das Tagesgeschäft auf internationaler Ebene sozusagen. Und das startet an diesem Donnerstag in den Südtiroler Dolomiten in Carezza mit einem Parallel-Riesenslalom.

Bussler ist zuversichtlich. Der vierte Platz vom Wochenende habe ihm gezeigt, dass er auf dem richtigen Weg sei. "Ich konnte vieles von dem umsetzen, was ich mir vorgenommen habe", findet er, außerdem war dieser international zweitklassige Vergleich "schon nahe am Weltcup dran". Denn außer den Italienern und Schweizern war die Weltelite am Start, nicht nur Bussler hat das Rennen als letzten Formtest genutzt. Wenn er das in Carezza ähnlich hinbekomme, "bin ich guter Hoffnung", sagt er. Denn Hochfügen habe ihm Selbstbewusstsein gegeben, gerade für den Zweifler Bussler ist das nicht unwichtig.

Noch etwas lässt den Aschheimer ruhig in die Saison gehen: Seine Vorbereitung war so störungsfrei und gut wie lange nicht mehr. Keine Probleme mit der Bindungsplatte wie vor zwei Jahren, oder mit dem Knie, wie in der vergangenen Saison. "Ich habe viel mehr trainiert als vor einem Jahr", erklärt er. Bussler konnte so wieder "mehr mit dem Material experimentieren" - um sich frühzeitig dafür zu entscheiden, nichts zu ändern. Schon Ende August ging es auf den Gletscher nach Zermatt, dann ins Kaunertal, ins Schnalztal, Ende Oktober standen zwei Europacuprennen in der Halle im niederländischen Landgraaf an, dann zwei intensive Trainingswochen in Schweden. Und das Knie? "Alles im Griff", sagt Bussler.

Auch Bundestrainer Andreas Scheid ist optimistisch, was seinen Vorzeigeathleten betrifft. Und auch Scheid weiß nicht mehr ganz genau, wie viele nationale Meisterschaften Bussler schon gewonnen hat: "Das müsste schon auf die zehn zugehen", sagt er, "aber was zählt, ist der Weltcup. In diesem Bereich muss man den internationalen Vergleich suchen."

Dass dieser nationale Titel für Bussler dennoch ein spezieller ist, hat mit der neuen Konkurrenzsituation im Team zu tun. Viele Jahre war Bussler aus deutscher Sicht ein Einzelkämpfer auf diesem Niveau, "jetzt fahren ein paar Junge mit", sagt Scheid. Vor allem Stefan Baumeister ist da zu nennen, von dem 23-Jährigen hat sich Bussler auch den deutschen Titel zurückgeholt. "Früher habe Bussler im Training mit seinen Konkurrenten gespielt", erzählt der Bundestrainer, jetzt werde es immer öfter eng. Und Konkurrenz belebt das Geschäft, natürlich auch bei den alpinen Snowboardern: "Das ist für Patrick eine positive Entwicklung", erklärt Scheid, "und für uns sowieso." Bussler habe "früh in der Saison gezeigt, was er kann". Scheid traut ihm auch beim Weltcup-Saisondebüt einen Platz unter den ersten Acht zu.

Der Erfolg von Hochfügen hat eine weitere angenehme Seite, denn der vierte Platz "war die halbe Miete für die Weltmeisterschaft". Jetzt fehlt Bussler noch ein 16. Rang im Weltcup, dann ist er im kommenden März in der Sierra Nevada mit von der Partie. Dort finden die Weltmeisterschaften statt, der Höhepunkt der Saison. Darauf arbeiten die Snowboarder hin. Vor Weihnachten hätte Bussler die Qualifikation gerne geschafft, am besten gleich in Carezza. "Das macht mich jetzt nicht nervös", sagt der Aschheimer angesichts seiner Frühform. Diese Gelassenheit ist typisch für den Routinier, manchmal sei er fast zu ruhig, erzählt Bussler. Teampsychologe Kai Engbert, mit dem die Snowboarder zusammenarbeiten, habe ihm geraten, er solle bei den Rennen mehr aus sich herausgehen. "Mal sehen", Bussler lächelt.

Konkrete Ziele für die Saison wollen weder er noch der Bundestrainer formulieren. Die Basis sei jetzt erarbeitet, erklärt Bussler, aber "ich kann und will mich noch steigern". Denn sein Anspruch müsse es schon sein, unter die besten Acht zu fahren - "kontinuierlich". Erst einmal solide in den Weltcup starten, "einfach konstant auf hohem Niveau fahren", sagt der deutsche Meister. Dann im März die Weltmeisterschaft, bis dahin muss die Form passen. Für das Podest, das weiß Bussler nur zu gut, "muss alles passen, da gehört auch viel Glück dazu". Dieses Glück hat ihm zuletzt bei den Olympischen Spielen von Sotschi gefehlt, Bussler wurde unglücklicher Vierter. Einen Anlauf wird der 32-Jährige noch nehmen, 2018 bei den kommenden Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang. Auf dieses Ziel arbeitet er hin, schon jetzt, wie Bussler erzählt. Denn das wäre ein Titel, den nun wirklich niemand mehr vergisst.

© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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