Snowboard-WM:Die Stunde der Naschkatze

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Patrick Bussler, Snowboarder aus Aschheim, startet nach überstandener Knieinfektion bei der WM in Österreich. Schon das grenzt an ein Wunder. Im Slalom am Donnerstag gilt der 30-Jährige nun auch noch als Geheimfavorit

Von Korbinian Eisenberger, Aschheim

Für einen Mann, der sich bereits darin übte, sein WM-Aus zu verkraften, ist Patrick Bussler recht nah dran am Geschehen. Durch die Hörmuschel dringt ein Lachen. Sein Zimmerkamerad Alexander Bergmann schaut sich im Hintergrund ulkige Kitesurfer-Videos auf Youtube an. Er selbst müsse jetzt Umschläge um sein Bein wickeln, sagt Bussler. Ein Montagabend im Teamhotel der deutschen Snowboarder im österreichischen Lachtal. In wenigen Tagen werden die Alpinisten hier in die Weltmeisterschaft eingreifen. Der Mann mit dem geschwollenen rechten Knie wird sich dann sein frisch geschliffenes Raceboard unter die Füße schnallen.

Die Doppel-WM der Freestyler und Alpin-Snowboarder steuert gegen Ende der Woche auf ihre Höhepunkte zu. Einer der aussichtsreichsten deutschen Hoffnungsträger ist dabei der Aschheimer Bussler, der bis vor wenigen Wochen noch nicht einmal trainieren konnte. Lediglich vier Übungstage im Schnee hat er vor der WM absolvieren können. Eine komplizierte Knieinfektion hatte den 30-Jährigen seit Juni zu einer sechsmonatigen Pause gezwungen. "Allein dass ich jetzt dabei sein kann, ist für mich ein Erfolg", sagt Bussler.

Doch auch wenn er sagt, "ich habe mir keine großen Ziele gesetzt", kommt man nicht umhin, den Olympiavierten auf der Rechnung zu haben. Etwa, weil sein Trainer Andreas Scheid sagt, dass es für "Pätzi" nun keinerlei Erfolgsdruck gebe. Vielmehr aber, weil Bussler vor zehn Tagen beim letzten Weltcup vor der WM zum ersten Mal wieder durch die Tore carvte. Und weil er dort, inmitten der austrainierten Weltelite, auf Anhieb Dritter wurde.

Nun ist es ein Gesetz der Branche, dass Erfolge alsbald Erwartungen wecken. Zumal die deutschen Fans bei der ersten Doppel-WM überhaupt bisher vergeblich darauf hofften, einem ihrer Athleten auf dem Stockerl zujubeln zu dürfen. Was Busslers hoch eingeschätzte Cross-Kollegen im schmalen Parcours am Kreischberg noch versemmelten, sollen jetzt die Männer und Frauen im Stangenwald ausbügeln. Weltmeisterin Isabella Laböck (Klingenthal) müsste dafür freilich ihr Formtief überwinden. Bei den Frauen dürften vor allem die Bronze-Gewinnerin von Sotschi, Amelie Kober (Miesbach), und die aktuelle Gesamtweltcup-Vierte Selina Jörg (Sonthofen) für ein starkes Ergebnis in Frage kommen. Oder eben die Stubenkameraden Bussler und Bergmann (Bischofswiesen).

Obwohl Patrick Bussler nur vier Schneetage in den Beinen hat, trauen ihm viele eine Überraschung zu, wie hier beim vierten Platz in Sotschi. (Foto: Imago)

Als Zimmerkollege sei Bussler "eigentlich recht erträglich", sagt Bergmann. Bussler, der mit ihm bei den meisten Weltcup- und Trainingsreisen in einem Raum schläft, spreche nicht viel, raschle lieber eifrig mit Schokoladenfolie. "Der Patrick ist eine Naschkatze", sagt Bergmann. Im Hotel gebe es jetzt bald Abendessen. Richtige Sportlernahrung, zur Vorbereitung auf die beiden wichtigsten Rennen des Jahres.

Am Donnerstag startet das siebenköpfige deutsche Aufgebot in den Parallelslalom auf der Lachtalpiste. Der flachere Mittelteil der Strecke wird dann von einem jeweils steilen Start- und Zielhang eingebettet sein. Steile Passagen, wie bei seinem Comeback-Rennen am Hang von Bad Gastein, dürften Bussler dann entgegenkommen. "Wenn es steil ist, brauche ich weniger Kraft zum Beschleunigen", sagt er.

Tatsächlich kommt es im Parallelslalom weniger auf Kraft und Ausdauer als auf technische Feinheiten an. Bei den kurzen Schwüngen durch die abgesenkten Tore sind ein präziser Kantenwinkel und eine enge Linie gefragt. Wer die Tore möglichst direkt anvisiert, könnte im Ziel mit einer schnellen Zeit belohnt werden - riskiert aber, im Schnee zu landen. Das will Bussler vermeiden. "Ich habe noch nicht die Kraft, um einen Fehler oder einen Sturz zu kompensieren", sagt er. Jene Kraft, die es auch braucht, um beim Parallelriesenslalom am Freitag Geschwindigkeit zwischen den weiter auseinander gesteckten Toren aufzubauen. Um dort ganz vorne zu landen, brauche es mehr Trainingstage, sagt Trainer Scheid. Bussler sagt: "Meine Chance sehe ich im Slalom."

Auf seinem nur 1,66 Meter langen Snowboard soll es am Donnerstag (Qualifikation um 8.15 Uhr, Finalläufe im K.o.-Modus um 13 Uhr) endlich wieder mit einer Medaille klappen. Während in den vergangenen drei Jahren allein Amelie Kober drei Bronzemedaillen sammelte, gingen die deutschen Snowboard-Männer bei Großveranstaltungen seit der WM 2009 stets leer aus. Damals, in Südkorea, hatte Bussler dem Erfolgsdruck standgehalten und mit Bronze als einziger Deutscher eine Medaille geholt. Doch Bussler sagt, er sei frei von alldem. "Bei dieser WM gehe ich so locker an den Start wie schon lange nicht mehr", sagt Bussler. Der einzige Druck, den er manchmal noch spüre, sagt er, sei die Schwellung am Muskelansatz seines rechten Knies.

© SZ vom 21.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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