Snooker:Britischer Humor über Bande

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Hochdekoriert: Ronnie O'Sullivan, 40, mit seiner Freundin Laila Rouass (links) und seiner Mutter Maria Anfang Mai vor dem Buckingham Palace in London. (Foto: Imago)

Die Weltmeister Ronnie O'Sullivan und Steve Davis unterhalten beim Showkampf in München das deutsche Publikum

Von Sophie Rohringer, München

Als Ronnie O'Sullivan sich nach vorne beugt, hält die Menge den Atem an. Der weiße Spielball ist umringt von drei roten, die darf er nicht anspielen, nur zur Fußbande hin ist eine Lücke offen. O'Sullivan setzt das Queue an und stößt. Weiß prallt gegen die Bande, rollt ans andere Ende des Tisches und trifft dort die schwarze Kugel genau so, dass diese in der Ecktasche verschwindet - sieben Punkte mehr für den Briten, verkündet die Schiedsrichterin, doch das geht unter im Jubel des Publikums.

Die "Snooker Exhibition" im Münchner Circus Krone ist zwar ein Schaukampf, doch die etwa 1500 Zuschauer sind begeistert, als ginge es an diesem Sonntag um eine Weltmeisterschaft. Schließlich treffen hier zwei Größen ihres Sports aufeinander. Der fünfmalige Weltmeister O'Sullivan gilt als einer der besten Spieler seiner Zeit, er ist berühmt für sein schnelles, präzises Spiel, dafür, wie er nach jedem Stoß um den Tisch jagt, zur nächsten Position. Sein Kontrahent ist ebenfalls kein Unbekannter. Steve Davis dominierte Snooker in den achtziger Jahren, erst vor einigen Wochen gab der 58-Jährige bei der diesjährigen WM sein Karriereende bekannt. Er begründete diesen Schritt mit dem Tod seines Vaters, der ihn in seiner Laufbahn stets unterstützt hatte, unter anderem als Trainer. Davis gewann sechs Weltmeisterschaften, Ende der Achtziger wurde er als bisher einziger Snookerspieler in Großbritannien zum Sportler des Jahres ausgezeichnet.

In dem kurzen Spiel über sechs Sätze (Frames) beweist vor allem O'Sullivan sein Können. Immer wieder erstaunt er das Publikum mit komplizierten Stößen, etwa, als er eine rote Kugel, die an der linken mittleren Tasche liegt, über die Bande in die gegenüberliegende Tasche puttet. Davis dagegen hat immer wieder Pech, gibt in zwei Frames auf und verliert am Ende 1:5. Geknickt wirkt er nicht nach der Niederlage, an diesem Tag nimmt sich der stets auf Etikette bedachte Snooker-Sport ohnehin nicht allzu ernst.

Das wird bereits bei der Begrüßung durch Eurosport-Moderator Rolf Kalb, der deutschen Stimme des Snooker, deutlich, der damit kokettiert, dass er eine Randsportart vertritt. "Nach dem Vorspiel gestern Abend sind Sie heute beim Top-Sportevent des Wochenendes dabei", sagt Kalb lachend. Mit Vorspiel meint er das DFB-Pokalfinale zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund. Seinem Sender beschert Snooker, dieses urbritische Spiel, das sich pro Partie über Stunden ziehen kann, seit Jahren gute Quoten. Dennoch fristet der Sport in Deutschland bislang ein Dasein am Rand der öffentlichen Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund veranstaltet man ja solche Showkämpfe. Um einen Spieler wie O'Sullivan dafür zu gewinnen, braucht es gute Beziehungen. Veranstalter Thomas Cesal organisiert mehrere Snooker-Turniere in ganz Deutschland, unter anderem das German Masters in Berlin, er hat sich über die Jahre die nötigen Kontakte aufgebaut. "Das ist wichtig, damit sich die Stars wohl und sicher fühlen", sagt er.

Sichtlich wohl fühlt sich O'Sullivan auch, als er zwischendurch einen Frame gegen den bayerischen U17-Meister spielt. Fabian Haken ist erst 13 Jahre jung, wirkt in Hemd und Weste aber durchaus selbstbewusst. O'Sullivan lässt ihn oft an den Tisch, wo Haken prompt einige gute Stöße zeigt. Am Ende lässt der Routinier sich den Sieg natürlich nicht nehmen.

O'Sullivan, der in der Vergangenheit mitunter auch durch Auseinandersetzungen mit Journalisten und das Zerbrechen von Queues aufgefallen ist, wirkt in München zahm und entspannt. Neulich wurde er von Price Charles mit einem Orden ausgezeichnet, vielleicht gibt sich der 40-Jährige deshalb seriöser. Davis, der zu Beginn seiner Karriere noch als emotionslos kritisiert wurde, scherzt dafür umso mehr. Als ein Zuschauer ihn vor einem Stoß lautstark mit "Komm schon, Steve" anfeuert, lächelt Davis in die Menge und fragt zurück: "Wohin gehen wir?" Das Publikum unterstützt ihn zeitweise lauter als O'Sullivan. Einmal applaudieren die Zuschauer sogar bei einem einfachen Stoß. Davis schaut anklagend in die Menge: Come on, sagen seine Augen, dafür?

Davis' größter Auftritt kommt freilich erst nach dem Spiel, als er noch einige Trick Shots vorführt und sich mit feinstem englischem Humor über allerlei Themen auslässt. Mal führt er das Queue einhändig ("Machen Sie das im Klub nicht nach, sie werden das Tuch kaputt machen"), mal benutzt er eine Zwei-Euro-Münze ("Das können Sie nachmachen, da passiert nichts"). Manchmal puttet er eine Kugel auf komplizierte Art und Weise, manchmal mehrere zugleich. Im Finale versucht er, sechs Kugeln mit einem Stoß zu versenken. "Das hat noch nie geklappt. Wenn vier reingehen, bin ich glücklich", sagt Davis. Es werden drei und Davis zeigt als Zugabe noch einen Trick. Dieser gelingt ihm.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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