Ski Alpin:Joels Plan

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Der 17-jährige Rennläufer Joel Köhler vom SC Nymphenburg holt beim Europäischen Olympischen Jugendfestival im Slalom als Zwölfter sein erstes Spitzenergebnis. Ziel ist der Weltcup - und erst einmal das Abitur

Von Korbinian Eisenberger, München

Seinen Schlaf muss sich Joel Köhler gut einteilen. Zwischen den Unterrichts- und Trainingsstunden ist das für den 17-jährigen Münchner mitunter ein kompliziertes Unterfangen. Der Nachwuchs-Alpine weiß das nicht erst seit dem jüngsten Riesenslalom beim Europäischen Olympischen Jugendfestival (EYOF). "Den ersten Lauf hab ich total verpennt", sagte Joel Köhler an jenem Montag, an dem er seinen ersten Auftritt leicht verbremst hatte. Im zweiten, sagte Köhler, habe er deshalb voll angreifen wollen. Das tat er dann auch.

Joel Köhler vom SC Nymphenburg ist einer von 43 deutschen Schülern, die beim diesjährigen EYOF um Medaillen carven, schießen und springen. Seit Montag messen sich im österreichischen Vorarlberg und in Liechtenstein Europas beste Nachwuchs-Athleten in sieben verschiedenen Sportarten: Biathlon, Eishockey, Eiskunstlauf, Langlauf, Nordische Kombination, Skispringen, Snowboard und Ski alpin. Und man kann sagen: Es läuft alles in allem in den insgesamt 30 Disziplinen rund.

Die Burschen mit den Carvingskiern machten am Montag den Auftakt, er sei "einigermaßen zufrieden", sagt Köhler. Einigermaßen, weil er die Tore des ersten Laufes zu vorsichtig umkurvt hatte. Zufrieden, weil er im zweiten Durchgang noch auf Platz 20 nach vorne fuhr. "Das ist okay", sagt sein Trainer Andreas Ertl. Mehr als okay war Köhlers Resultat vom Donnerstag, im Slalom belegte der Münchner den zwölften Platz. Im zweiten Durchgang fuhr er zusammen mit seinem Teamkollegen Adrian Meisen zeitgleich die zweitbeste Laufzeit, der Garmischer Meisen, nach Lauf eins Fünfter, gewann damit Bronze. Der Schellenberger Ferdinand Dorsch, der im Riesenslalom Zwölfter war, vervollständigte mit Rang 13 das gute Ergebnis des Teams, das somit den Anschluss an die europäische Spitze geschafft hat.

Teambetreuer Andreas Ertl, selbst zweimal deutscher Slalom-Meister und mit seiner berühmten Schwester Martina Team-Weltmeister 2005, hatte die Medaillenchancen seiner Athleten als eher gering eingestuft, er hoffte auf "ein Top-15-Ergebnis, das wäre ein Riesenerfolg". Aufgrund ihrer hohen Startnummern hätten die meisten der acht deutschen Starter mit schwierigeren Pistenverhältnissen zu kämpfen. Die hohen Startnummern freilich lagen an den Vorleistungen der Athleten. Wie bei den Weltcup-Profis sammeln die Nachwuchs-Skifahrer während der Saison Punkte - oder eben nicht. Für das deutsche Team lief es in den bisherigen Fis-Rennen eher mäßig. "Im Jahrgang 97 sind wir heuer einfach nicht ganz vorne dabei", fand Ertl. Nun wurde er bei der EYOF eines Besseren belehrt. Das Slalomergebnis hat die Bilanz der Alpinen auf einen Schlag gewaltig aufpoliert und das Gesamtergebnis mit den vielen Top-Platzierungen in den anderen Disziplinen wie Langlauf oder Skisprung weiter verbessert. Die deutschen Youngster sammelten an den ersten vier Wettkampftagen bereits 16 Medaillen, fünf davon waren aus Gold. Für die Slalom- und Riesenslalomfahrer wird der Mannschaftswettbewerb an diesem Freitag eine weitere Möglichkeit für Edelmetall bieten.

Joel Köhler aus München glänzte im zweiten Durchgang des Slaloms im liechtensteinischen Malbun mit der zweitbesten Zeit. (Foto: imago/GEPA pictures)

Allzu großen Druck will sich Joel Köhler aber auch zukünftig nicht machen. Überhaupt gibt es noch andere Dinge im Leben des 17-Jährigen. Längere nächtliche Ausflüge zählen dabei eher nicht dazu. "Ich muss nicht bis sechs Uhr früh in die Disco gehen", sagt Köhler. Was ihn dagegen zwangsläufig beschäftigt, sind die Klausuren, die nach der Olympiade am Ski-Gymnasium in Berchtesgaden anstehen. "Ich persönlich wollte meine Schulbücher lieber daheim lassen", sagt Köhler. Seine Mutter habe ihn dann jedoch davon überzeugt, dass er wenigstens sein Biobuch einpackt. Wenigstens? "Das Buch hat 200 Seiten", sagt Köhler. Weil der Slalom von Mittwoch auf Donnerstag verschoben wurde, sagt Ertl, "sieht es so aus, wie wenn wir zwischendurch eine Lernstunde einlegen".

Wie viele junge Athleten geht Joel Köhler auf ein Sport-Gymnasium. In Berchtesgaden durchläuft der gebürtige Münchner an der Christophorusschule derzeit das erste Jahr der elften Klasse. Er und die gleichaltrigen Alpinen, Langläufer oder Biathleten haben dort zwei Jahre Zeit, um die vorletzte Jahrgangsstufe zu bestehen. "Wenn man mal bei einer Prüfung nicht mitschreiben kann, weil man auf einem Wettkampf war, dann lassen einen die Lehrer oft nachschreiben", sagt der 17-Jährige. "Schreiben muss man die Prüfungen irgendwann aber schon", betont Köhler, dem eher die Sprachen, weniger Mathematik liegt. "In Mathe hab ich wegen der Trainings schon recht oft gefehlt", sagt er.

Gerade jetzt, wo es um olympisches Edelmetall geht, ist der Schulalltag für die meisten Talente in weiter Ferne. Klar, sagt Köhler, "auf lange Sicht habe ich schon den Traum, irgendwann mal im Weltcup oder sogar bei Olympia zu fahren." Bei der vergangenen deutschen Meisterschaft sei er bereits durch jenen Lauf gefahren, den zuvor die Skier von Weltcup-Ass Felix Neureuther zerfurcht hatten. "Das war ein tolles Gefühl", findet er. "Auch wenn ich ein paar Sekunden langsamer war." Bis er sich mit seinem Vorbild ein Duell auf Augenhöhe liefern kann, muss sich freilich noch einiges tun. Immerhin: In gut zwei Jahren werden Köhler und seine Mitschüler ihr Abitur in der Tasche haben. "Zumindest", sagt Köhler, "wenn alles nach Plan läuft."

© SZ vom 30.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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