Segeln:Lastwagen auf dem See

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Internationale Deutsche Meisterschaft der Drachen in Starnberg

Von Philipp Laberenz, Starnberg

Die Berge, die Seen, die königlichen Residenzen: Mit der Windkraft verträgt sich das Landschaftsbild um den Starnberger See nur schwer. Die Kontroverse wird seit langem rege geführt. In der Gemeinde Berg, dort, wo König Ludwig II. aus seinem Schloss auf den See blickte, dem er in verhängnisvoller Zuneigung verbunden war, steht eines dieser Windräder. Vier weitere werden gebaut. Beliebt sind sie hier nicht. Auch Sisi hätte sich wohl empört abgedreht, wenn sie die Folgen der Energiewende aus ihrer Residenz in Possenhofen am Westufer des Sees entdeckt hätte.

Weit größerer Beliebtheit erfreut sich am Starnberger See eine andere Form der Windenergie - die Königsklasse des Segelns, die Drachen, sie passen wunderbar ins oberbayerische Panorama. Nicht umsonst liegt hier die größte Drachenflotte Deutschlands und treten von Mittwoch bis Sonntag hier ihre besten Segler bei der Internationalen Deutschen Meisterschaft der Drachenklasse an. 46 Teilnehmer gehen an den Start, darunter die Münchner Vincent Hoesch (Chiemsee YC) und Marcus Brennecke vom Bayerischen Yacht-Club. Beide holten im Vorjahr den Sieg im selben Boot, nun treten sie gegeneinander an.

Dabei hat der Segelsport in der Drachenklasse seinen Höhepunkt bereits hinter sich. In den 1920er Jahren vom Norweger Johan Anker konstruiert, haben sich die kostengünstigen, sicheren Kielboote über die Jahrzehnte kaum weiterentwickelt. 1972 segelte der Drachen letztmalig bei Olympia, knapp 930 Kilometer trennten damals die Olympiastadt München vom Segelrevier in Kiel. Dort, bei der Kieler Woche, sind die Drachen auch nicht mehr vertreten - dass die größte Segelsportveranstaltung der Welt dieses Jahr parallel die Segler aus allen Breitengeraden anzieht, stört in Starnberg also wenige. Schließlich sind die Wettfahrten in den eleganten Booten keine aufwendigen Materialschlachten, die von muskelbepackten Männern an den Schoten entschieden werden. Mit den 1,7 Tonnen Gewicht und dem Ballast der dreiköpfigen Crew sind die Boote schwerfälliger als die kleinen Jollen etwa, daher auch für Segler hohen Alters geeignet. Seglerisches Können und Erfahrung sind gefragt. Der Skipper muss den schnellsten Weg zu den Zielbojen finden.

Wolfgang Rappel, 1985 Weltmeister in der Drachenklasse, beschreibt das als ein aufregendes, wenngleich schmerzhaftes Spiel: "In der permanenten Auseinandersetzung mit den Bedingungen muss jeder seinen Weg finden. Nur muss man schneller erkennen als die anderen, von wo der Wind gleich herkommen wird. Wenn man dann wegen der falschen Entscheidung zurückfällt, tut das höllisch weh."

In dem unberechenbaren Starnberger Segelrevier sei das die größte Schwierigkeit. Wenn man erst einmal ins Hintertreffen gerate, sei das schwer aufzuholen. "Der Drachen reagiert nicht so deutlich wie leichte Boote. Im Vergleich zu anderen Regatten sind das eher Lastwagenrennen", sagt Rappel. Jeder, der einmal auf einer zweispurigen Autobahn unterwegs war, kennt das Ärgernis: ein Lkw überholt den anderen. Kein Vorbeikommen über mehrere Kilometer. Also antizipieren und dem Gegner zwei Schritte voraus sein. Kein einfaches Unterfangen, das mit dem Wind um den Starnberger See.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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