Segeln:Jugendliche Leichtigkeit

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Der Deutsche Touring Yacht-Club gewinnt vor der Smaragdküste Sardiniens überraschend das Finale der Champions League. Weil der deutsche Meister auch in der Bundesliga vor der Titelverteidigung steht, könnte er die Saison mit dem Double krönen

Von Ralf Tögel, Tutzing

Die Trophäe? "Liegt bei mir im Kofferraum", sagt Michael Tarabochia. Man sollte an dieser Stelle erwähnen, dass der Manager des Deutschen Touring Yacht-Clubs (DTYC) von der Champions-League-Schale spricht, einer riesigen silbernen Schüssel, die wertvollste Auszeichnung, die der europäische Vereinssegelsport zu vergeben hat. Der Platz im Stauraum von Tarabochias Gefährt ist dabei noch recht komfortabel gewählt, den Heimflug von der Smaragdküste Sardiniens musste die wertvolle Prämie auf der Bordtoilette überdauern - zu groß für das Handgepäck. Egal, jetzt wird sie erst einmal um die Gravur des aktuellen europäischen Champions bereichert, ehe sie von der Mannschaft nach der Saison im Rahmen einer Meisterfeier dem Verein übergeben wird. Der dürfte schon einen würdigen Platz für diese besondere Auszeichnung finden. Eine Frage bleibt indes offen: Wird es eine Doppel-Feier, oder muss sich der DTYC mit der Champions League zufrieden geben?

Der deutsche Meister ist auch im Rennen um die Titelverteidigung in der Bundesliga sehr aussichtsreich unterwegs, führt vor dem Finale Ende Oktober in Hamburg das Klassement an. Der Gewinn der Champions League kommt da schon deutlich überraschender. Teammanager Tarabochia nennt ihn gar "sensationell", wenngleich er einer derjenigen ist, der das Leistungsvermögen in seinem Team richtig einzuordnen weiß. Und das hat in den vergangenen drei Jahren einen gewaltigen Schub erfahren. Seit 2013 gibt es das Format Bundesliga, und damit auch im Segeln einen spannenden Vergleich zwischen den Vereinen. Seither erfährt der Segelsport - der sich trotz allem die Einordnung als Randsport gefallen lassen muss - einen rasanten Anstieg in der öffentlichen Wahrnehmung. Deutschland war Vorreiter einer eigenen Liga für Vereinsteams, die an mehreren Spieltagen in kurzen, zeitlich überschaubaren Rennen und im direkten Vergleich ihren Meister ermittelt. Ein Wettbewerb, der ankam. Die Skandinavier zogen als Erste nach, bald waren es so viele Nationen, dass der internationale Vergleich gesucht wurde. Seit 2014 also wird auch der Beste Europas ermittelt.

Die Tatsache, dass der DTYC seinen Bundesliga-Stammkräften eine Auszeit gönnte, war von Tarabochia als wenig dramatisch eingestuft worden. Er wusste natürlich genau, dass innerhalb der Mannschaft, die 17 Aktive umfasst, kaum ein Leistungsgefälle zu beobachten ist. Der Triumph im Feld der 32 besten Segelmannschaften aus 13 Nationen war dennoch nicht zu erwarten, denn beispielsweise die Russen, Norweger oder Italiener hatten professionelle Segler am Start. Dafür kamen dem deutschen Meister die Elemente zu Hilfe, denn in Maximilian Weiss, Laura Fischer, Jonas Vogt und Luis Tarabochia hatte der DTYC eines der leichtesten Teams im Boot. Und im Gegensatz zum Vorjahr, als bis zu sechs Windstärken das Meer aufwühlten, war der Wind am vergangenen Wochenende nur etwa halb so stark, dazu gab es schwer einzuschätzende Wellen. Bedingungen also, die denen auf den Seen hierzulande ähnlich sind, Bedingungen, die einer leichten Crew zupass kommen. Sind bei starkem Wind und hohem Seegang schwere Segler von Vorteil, war vor Porto Cervo "Geschicklichkeit und Athletik" gefragt, so Tarabochia: "Da kannst du keine Elefanten im Boot gebrauchen."

Zudem erwischte die Tutzinger Crew einen Sahnetag nach dem anderen: "Die Manöver haben perfekt geklappt und wir waren sehr schnell", sagt Steuermann Weiss, "wir konnten meist nach der Startphase kreuzen und das Feld kontrollieren." Das Resultat der harten Arbeit mit Trainer-Urgestein Norbert Wagner. Zwar verbringen die Tutzinger Segler pro Saison weniger als halb so viele Tage im Boot wie die professionelle Konkurrenz, doch das Team ist sehr athletisch, die Abläufe perfekt eingespielt: "Da weiß jeder, wie er sich bewegen muss, das ist sehr intensiv aufeinander abgestimmt", erklärt Tarabochia. Zudem "kennen sich unsere Segler seit vielen Jahren." Der Teammanager könne sich etwa noch genau erinnern, wie "die kleine Laura erste Versuche im Opti" unternommen habe. Jetzt ist die kleine Laura Champions-League-Siegerin, trotz ihrer Jugend. Überhaupt war die Tutzinger Crew mit dem Altersdurchschnitt von Mitte 20 eine der jüngsten. Doch jeder verfügt über sehr viel Erfahrung: "Sie sind alle schon ewig da", so Tarabochia, "das schweißt zusammen."

Dass die Segel-Bundesliga ein Konzept mit Zukunft ist, zeigen auch die drei weiteren deutschen Final-Teilnehmer. Neben dem Berliner Yacht Club (15. Platz) und dem Norddeutschen Regatta Verein (19.) war im Münchner Yacht-Club (MYC) sogar ein weiterer Vertreter aus der Region am Start. MYC-Manager Michael Liebl war mit dem Abschneiden "sehr zufrieden, wir sind unter den besten 16 Teams in Europa". Ende Oktober ist das Finale in der Bundesliga. Und auch wenn Tarabochia "höchste Konzentration auf das noch lange nicht erreichte Ziel" verlangt, die Zweifel an der Titelverteidigung sind zumindest bei der Konkurrenz nicht mehr sonderlich groß. "Ich ziehe den Hut vor dem Touring Yacht-Club", sagt Kollege Liebl; er finde es "unglaublich, wie dominant sie segeln".

Das Double, das Tarabochia immer noch "einen sensationellen Traum" nennt, ist in greifbarer Nähe. Rang zwölf in der Abschlussregatta würde reichen, drei von fünf Rennen hat der DTYC bisher gewonnen, war je einmal Zweiter und Sechster. Da erscheint die Frage nach dem Transport der Meisterschale fast spannender als die nach dem neuen deutschen Meister.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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