Schießen:Abschiedstournee auf großer Bühne

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Profis wie die Luftpistolenschützin Antoaneta Boneva sind auf die erste Liga angewiesen, sie müssen sich nun für andere Teams empfehlen. (Foto: Claus Schunk)

Kaum kündigt die HSG ihren Rückzug aus der ersten Liga an, kommen mehr Zuschauer

Von Julian Ignatowitsch, München

Es sind also doch einige Zuschauer gekommen. Und die sind alles andere als zurückhaltend. Zum Spitzenduell zwischen der HSG München und dem SV Kelheim-Gmünd in der Luftpistolen-Bundesliga ist die Finalhalle auf der Olympia-Schießanlage in Hochbrück am Samstagabend immerhin halb voll. Jeder Treffer wird lautstark kommentiert, mit Ratschen, Kuhglocken, Tröten und Sprechchören. "Wir wollen Zehner sehen", singen die Fans, auf einem Shirt steht: "Zielst du noch oder triffst du schon?" Bei zehn Top-Schützen, die gleichzeitig am Stand stehen, ist eigentlich immer ein Volltreffer dabei. Die Stimmung ist also gut. München gewinnt knapp mit 3:2, alle klatschen sich ab. Die Stimmung ist nun noch besser.

"Ich bin schon überrascht", sagt HSG-Schützenmeister Helmut Fischer anschließend. "Mit so vielen Leuten hätte ich nicht gerechnet." Die Münchner haben gerade erst beschlossen, ihr Team aus der Bundesliga abzumelden, weil sie ihre Heimwettkämpfe nicht mehr im Schützenheim austragen dürfen und den Aufwand für die Liga als zu groß empfinden. Doch mit diesem Beschluss ist das Interesse an der Bundesliga bei den Vereinsmitglieder offenbar zurückgekehrt. "Das ist schon merkwürdig", findet Fischer. An der Entscheidung ändere das aber vorerst nichts.

"Ich finde den Rückzug nicht gut", sagt Schütze Benjamin Munkhart später. Munkhart schießt seit vielen Jahren im Verein. Er ist kein Profi, aber ein langjähriger und sehr guter Freizeitschütze. Für ihn geht im Alltag sein duales BWL-Studium vor. Im vergangenen Jahr hat er aufgrund eines Auslandssemesters in Spanien ganz pausiert. Munkhart trainiert, wenn er Zeit hat, meist direkt vor den Wettkämpfen. "Schießen verzeiht", sagt er. Die Bundesliga ist für ihn eine willkommene Möglichkeit, bei den Besten dabei zu sein. "Wenn das nicht mehr geht, fehlt schon was", meint er. An einem guten Tag landet er auch mal vor vielen Spitzenleuten. Wie an diesem Wochenende. Munkhart erzielt an Position fünf mit 383 und 388 Ringen jeweils das beste Ergebnis seines Teams - und ist damit besser als die Olympia-Zweite Monika Karsch, die für Kelheim antritt. Von Trainer Detlef Polter erhält er ein Extralob. "Er ist ein wichtiger Mann für uns an den hinteren Positionen." Und was macht er, wenn die HSG bald keine Bundesliga-Mannschaft mehr hat? "Dann schieße ich zur Not eben in der zweiten Liga", sagt Munkhart. Dort hat München auch ein Team. Ein Wechsel kommt nicht infrage? "Nein, ich bin seit klein auf ein HSG-Kind", erklärt er. So loyal kann allerdings nicht jeder sein.

Andere Athleten wie Michael Heise oder Antoaneta Boneva, die die HSG-Spitzenpositionen belegen, sind auf die Bundesliga angewiesen. Als professionelle Schützen nutzen sie die Liga einerseits als durchgehenden Spitzenwettbewerb, mit dem sie ihren Rhythmus in der Winterpause halten können, andererseits als zusätzliche Verdienstmöglichkeit zur eher geringen Sportförderung. Bei den meisten Vereinen verdienen die Besten ein Antrittsgeld. Insofern helfen Heise und Boneva mit guten Ergebnissen aktuell nicht nur ihrer Mannschaft, sondern auch sich selbst - indem sie sich für andere Teams empfehlen.

Sportlich läuft es, auch am Sonntag. Die HSG gewinnt gegen den SV Willmandingen 5:0 und ist in dieser Saison noch ungeschlagen: vier Partien, vier Siege, Tabellenführung. So einen guten Start hat nicht mal Trainer Polter erwartet, obwohl sein Team bereits im Vorjahr Hauptrundenerster war. "So was kannst du nicht planen, dazu ist die Leistungsdichte in der Liga zu hoch", sagt Polter. Schon jetzt deutet alles auf die Endrunde hin, München gehört zu den Favoriten. Nur mal so weitergedacht: Die erste Meisterschaft der Luftpistolen-Schützen könnte neue Begeisterung im Verein auslösen. Die offizielle Abmeldung der Mannschaft soll erst nach dem Finale erfolgen und ist bisher nur vereinsintern beschlossen worden. Vielleicht ändert man ja noch mal die Meinung. Schützenmeister Fischer schaut skeptisch. Nun ja, normalerweise sind sie bei der Königlich Privilegierten Hauptschützengesellschaft prinzipientreu.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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