Rudern:Mein Opa, der Olympiasieger

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"Ich dachte eigentlich, der Kelch geht an mir vorüber": Hans-Johann Färber, Ruder-Olympiasieger von 1972, leitet seit fünf Jahren seine Enkelin Marie-Sophie Zeidler an - mit großem Erfolg. (Foto: dpa)

Marie-Sophie Zeidler wird in Oberschleißheim deutsche U19-Meisterin. Ihr Rudertalent liegt in der Familie.

Von Sebastian Leisgang, Oberschleißheim

Es ist nicht gerade prunkvoll. Zwischen leeren Bierkästen, alten Plastikstühlen und zahllosen gelben Ruderbooten lassen sich Marie-Sophie Zeidler, 18, und Hans-Johann Färber, 70, nieder. Es ist die Stunde von Zeidlers größtem Erfolg ihrer noch jungen Karriere als Ruderin, doch sie wirkt aufgeräumt - im Gegensatz zur Halle 28, in der das Gespräch stattfindet.

Es geht um eine Familiengeschichte. Noch ist sie unvollendet, wenn man so will. Sie enthält aber Züge, die sie schon jetzt erzählenswert macht. Im Kern geht es um eines der größten Rudertalente des Landes, das von seinem Großvater angeleitet wird, der 1972 bei den Olympischen Spielen in München die Goldmedaille im deutschen Vierer errungen hat. Nun, 45 Jahre später, schickt sich die Enkelin an, es dem Opa, Trainer und Vorbild gleichzutun.

Schauplatz Regattastrecke Oberschleißheim, der Ort von Hans-Johann Färbers größtem Triumph, dem Olympiasieg 1972: Marie-Sophie Zeidler, Färbers Enkelin, fällt Katja Fuhrmann um den Hals. Soeben haben die beiden die deutsche U19-Meisterschaft im Zweier gewonnen. "Das bedeutet mir viel - mehr als die Vizeweltmeisterschaft letztes Jahr in Rotterdam. Da war ich nämlich nur Teil eines Achters", sagt Zeidler wenig später in Halle 28, die eher einer größeren Abstellkammer gleicht.

Zeidlers Erfolg ist das Produkt harter Arbeit, von Kraft-, Ausdauer-, Athletik- und Techniktraining in kalten Wintermonaten. Manchmal koste es schon Überwindung, sich aufzuraffen und einsam über den See in Oberschleißheim zu hetzen, erzählt Zeidler. Ihr Großvater aber lobt: "Marie-Sophie ist sehr diszipliniert. Sie hat eine absolut vorbildliche Einstellung. Manchmal habe ich das Gefühl, sie bremsen zu müssen."

Färber trainiert seine Enkelin seit Jahren. Er erinnert sich noch an die Anfänge: "Ich dachte eigentlich, der Kelch geht an mir vorüber. Dann kam sie vor ungefähr fünf Jahren aber von sich aus und meinte, sie würde das Rudern gerne mal ausprobieren." Also fuhr Färber mit seiner Enkelin von Schwaig bei Erding nach Oberschleißheim - und von Stunde eins an war die Euphorie bei Zeidler entfacht. Und: "Sie hat auch mich in ihren Bann gezogen", verrät Färber, der sich daraufhin entschloss, seine Enkelin zu betreuen.

Gemeinsam verfolgen sie nun ein Ziel: die Olympischen Spiele. Zeidler erklärt: "Ob es 2020 schon klappt, weiß ich nicht. Wenn nicht, dann hoffe ich auf 2024. Das ist mein großes Ziel." Und zwar nicht explizit, um dem Großvater nachzueifern. "Ich sehe mich nicht dazu verpflichtet, es genauso zu machen, um etwas erreicht zu haben im Leben", sagt Zeidler, "ich will es aber für mich selbst schaffen."

Auch ihr Bruder Oliver ist inzwischen zum Rudern übergetreten. Der langjährige Schwimmer hat die Sportart gewechselt - aus mehreren Gründen. "Die Erfolgsaussichten, meine Schwester, mein Großvater", zählt Oliver Zeidler auf. Er begann im vergangenen Winter mit dem Rudern und blieb mit Ehrgeiz dabei, auch wenn gerade die ersten Wochen hart waren, "wenn einem bei der Kälte die Finger abfrieren oder man immer wieder ins kalte Wasser fällt", sagt er und lacht. Anfangs hängte ihn seine Schwester bei gemeinsamen Trainingseinheiten ab, inzwischen habe er sich durchgesetzt. "Die Kraft macht es dann doch aus", sagt er. Auch Oliver Zeidler hat schon erste Erfolge im Ruderboot vorzuweisen. Bei den deutschen U23-Meisterschaften am Samstag in Oberschleißheim gewann er Bronze im Einer. Überraschen kann das nicht. Das Rudern liegt schließlich in den Familiengenen.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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