Rudern:Alles im Boot

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Charlotte von Bockelmann und Mira Moch vom Münchener Ruder-Club 1880 kommen bei der U23-WM im Vierer ins B-Finale.

Von Sebastian Winter, München

Es war eine ziemliche Odyssee, die die Junioren-Nationalmannschaft der Ruderer vergangene Woche auf dem Weg nach Florida erlebte. Weil die Flugpläne geändert wurden, musste die rund 70-köpfige Delegation in zwei Gruppen zum Saisonhöhepunkt, der U-23-Weltmeisterschaft, reisen. Die erste flog über Zürich nach Tampa, die zweite über Frankfurt nach Orlando - darunter auch Charlotte von Bockelmann und Mira Moch, die beide für den Münchener Ruder-Club von 1880 starten. Verlief die Reise für die Zürich-Gruppe recht reibungslos, sie war gegen 22 Uhr Ortszeit im Hotel in Sarasota, hatte die Frankfurt-Gruppe Pech: Ein Unwetter in Orlando erzwang einen Umweg nach Miami nebst stundenlanger Warterei, die Anreise dauerte fast 24 Stunden. "Das war ein langer Tag für uns. Aber jetzt sind wir froh, angekommen zu sein, und freuen uns auf die WM", sagte U-23-Bundestrainerin Brigitte Bielig. Mit den rund 20 Booten gab es keine Probleme, die wurden schon einige Wochen vor der WM per Container nach Sarasota verschifft.

Erst mal eine Nacht drüber schlafen: von Bockelmann ist wahrlich keine Drama-Queen

Eine knappe Woche lang übten von Bockelmann, Moch und die anderen jungen Ruderer dann bei mehr als 30 Grad und mindestens 70 Prozent Luftfeuchtigkeit für die Titelkämpfe, die am vergangenen Mittwoch begannen. Von Bockelmann und Moch starteten im Vierer ohne, der inzwischen zu ihrem Lieblingsboot geworden ist. Am Mittwoch wurden sie allerdings nur Fünfte, und auch am Donnerstag, nachdem ihr Hoffnungslauf wegen eines Gewitters mit Starkregen über dem Nathan-Benderson-Park Stunden nach hinten verschoben worden war, lief es nicht viel besser: Nach tausend Metern betrug ihr Rückstand auf die führenden Britinnen bereits mehr als sechs Sekunden. Auf der zweiten Streckenhälfte wurde er noch größer, erneut kamen die Deutschen als Fünfte ins Ziel - und damit ins B-Finale am Sonntag. Zum einen in illustrer Gesellschaft, auch Rudernationen wie Italien, Neuseeland, Russland oder Australien sind dort vertreten, zum anderen war la allein die Teilnahme an dieser WM für das Duo schon ein großer Erfolg.

Von Bockelmann und Moch gelten als Versprechen, im Zweier, im Vierer, vielleicht auch irgendwann im Königsboot, dem Achter, für den sie allerdings noch die nötige Ergometer-Norm über 2000 Meter brauchen. Ich würde ihnen schon den Sprung in die A-Nationalmannschaft zutrauen", sagt U-23-Bundestrainer Sven Ueck: "Sie fahren schon einen sehr, sehr schnellen Zweier. Das ist die Voraussetzung für ihre weitere Entwicklung." Physiologisch müssten sie noch viel an sich arbeiten, Krafttraining machen, aber sie hätten "eine enorme Willensbereitschaft und ein gutes Gefühl fürs Rudern". Ueck stellt zugleich eines klar: "Es wäre vermessen zu sagen, sie sind nächstes Jahr in Tokio dabei. Das ist Quatsch." Der Trainer hätte sie in Sarasota auch gerne im Zweier gesehen, ihrem bisherigen Paradeboot. Vielleicht wäre es die bessere Entscheidung gewesen, als eingespieltes Duo zu starten - statt im Vierer, in dem sie bislang kaum mit ihren beiden anderen Teamkolleginnen aus Norddeutschland trainiert haben.

Ihre Entwicklung ging in diesem Jahr gerade im Zweier rasant aufwärts, Ende März gewannen sie die Frühjahrslangstrecke über sechs Kilometer in Leipzig, bei der deutschen Jahrgangsmeisterschaft im Juni holten sie im Zweier und Vierer jeweils Gold - und qualifizierten sich so für die WM. Damit sind sie ähnlich erfolgreich wie ihre MRC-Vereinskameraden Tom Tewes und Kaspar Virnekäs, die im Zweier Anfang August bei der U-19-WM in Tokio starten. Klubkollege Theis Hagemeister, der Niederländer studiert in München, steht im Übrigen mit dem holländischen Achter im Finale der U-23-WM, beim MRC hat er sich in die nötige Form gebracht.

"Am Anfang des Jahres hätte ich nicht damit gerechnet, dass wir dort starten können", sagt Moch, "aber bei uns harmoniert es einfach gut, die Trainer müssen da gar nicht viel machen." Charlotte strahle immer eine gewisse Ruhe aus, erzählt Moch, nichts sei gleich ein Drama, erst einmal werde eine Nacht drüber geschlafen, wenn es irgendwo hakt. Von Bockelmann beschreibt Moch als "richtig ehrgeizig, was gut ist, wenn man in einem harten Rennen so gepusht wird durch sie."

Seit Ende Juni waren sie zusammen in Ratzeburg, um sich drei Wochen lang auf die WM vorzubereiten. Um die 200 Kilometer ruderten sie pro Woche, ein enormes Pensum. Allerdings war es dort noch "kalt, regnerisch und windig", sagt die 20-jährige von Bockelmann. Die freie Zeit haben sie sich mit "lernen, schlafen und schafkopfen" vertrieben. Im Frühjahr hatte sie mit Moch, 19, noch im Zweier in Oberschleißheim trainiert, dort gelten die Bedingungen als hervorragend. Dass Moch im Gegensatz zu von Bockelmann, die in Solln wohnt, immer eine Stunde aus ihrem Wohnort Regensburg einplanen muss, hat sie in Kauf genommen. Im August zieht sie ohnehin nach München, um dort ihr Bauingenieurwesen-Studium zu beginnen. Von Bockelmann studiert dort schon Biochemie. Nach der WM wartet in der Heimat gleich die nächste Klausur auf sie. Aber davor möchte sie mit ihren Eltern, die ihren Urlaub auch wegen ihr nach Florida verlegt haben, noch ein paar Tage im derzeit schwül-gewittrigen "Sunshine-State" verbringen. Für Charlotte von Bockelmann ist es ja die erste Reise jenseits von Europa - und auch deshalb ein ziemlich großes Abenteuer.

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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