Ringen:Vor dem Aussterben gerettet

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Auf Augenhöhe mit den Großen: Thomas Kopp, links, eines der zahlreichen Hallbergmooser Eigengewächse, gegen Burghausens Martin Maier. (Foto: Marco Einfeldt)

Nach turbulenten Jahren ist der SV Hallbergmoos zurück in der zweiten Bundesliga: "Der Druck war immens", sagt der Vorsitzende Michael Prill

Von Maximilian Ferstl, Hallbergmoos

In den Sekunden nach dem Kampf klopft sich Michael Prill energisch auf die Brust. Der Ringrichter reißt seinen rechten Arm in die Höhe und bestätigt, dass Prill Florian Mayerhofer besiegt und die Hallbergmooser 6:13-Niederlage gegen Burghausen etwas geschönt hat. Erleichtert lächelnd steht Prill da, sein Zeigefinger deutet nach oben. Wie im Fußball ein Stürmer, der nach langer Flaute ein Tor schießt: Seht her, ich hab's euch gezeigt.

Das Bild ist freilich etwas schief: Prill hat den Ring zuletzt fast immer als Sieger verlassen. Doch der 23-Jährige ist auch Vorsitzender des Traditionsvereins SV Siegfried Hallbergmoos, und als solcher musste er in der jüngeren Vergangenheit einiges beweisen. Zwei turbulente Jahre liegen hinter dem SVS, der sich aus der Bundes- in die Bayernliga zurückgezogen hatte und nun von der Bayern- wieder bis in die zweite Bundesliga marschiert ist. Auch oder gerade wegen Prill.

April 2013, Jahreshauptversammlung: Die Mitglieder des SV Siegfried stimmen über die Zukunft ab. Seit 49 Jahren ringt Hallbergmoos in der Bundesliga. Doch die Luft wird dünn: Der SVS hält sich nur mit Mühe in der höchsten Klasse, und auch nur dank ausländischer Fachkräfte. Michael Prill, das Hallbergmooser Eigengewächs, führt die Gruppe der aktiven Ringer an. Er will den Klub in die Bayernliga zurückziehen, auf eigenes Personal setzen und mittelfristig in die zweite Liga aufsteigen. Sein Vorschlag spaltet den Verein wie ein Axthieb. Seine Gegner fürchten, auch der Ringer-Dino könnte aussterben. Jürgen Entholzner, der den Verein zu der Zeit leitet, spricht von einer "Revolution". Prill setzt sich durch, mit 69:63 Stimmen. Es ist sein erster großer Sieg, wenn auch ein süß-saurer: Viele Mitglieder treten nach der Wahl aus.

"Ihnen ging es nur um die Bundesliga", sagt Prill im Rückblick. Er sitzt auf der Tribüne der Hallberghalle. Schweiß glänzt auf seiner Stirn, die Oberschenkel hüpfen nervös, der Kampf wirkt nach. Manche Kämpfe sind enger als erwartet.

Es wäre mehr möglich gewesen, gegen Wacker, den hohen Favoriten, findet Prill. Andererseits habe man sich beachtlich geschlagen. "Besonders gut haben mir die Eigengewächse gefallen." Dominic Kurz, Thomas Kopp, Manuel Striedl, Ergün Aydin, der Trainer, und er selbst. Sie bilden den jungen Kern, der in Hallbergmoos das Ringen lernte. So hat sich Prill das vorgestellt.

Es braucht gewiss viel Mut, um sich als 21-Jähriger hinzustellen, das "Haus Hallbergmoos" abzureißen (Entholzner) und neu zu bauen. "Der Druck war immens", sagt Prill. Zehn Prozent der Mitglieder verließen den Verein, manche, die blieben, sprachen nicht mehr mit ihm. "Es war eine harte Zeit", aber auch eine erfolgreiche: Die Schulden, die 2013 auf dem Verein lasteten, wurden getilgt, mittlerweile reist die Mannschaft im eigenen Bus zu Auswärtskämpfen. "Ich habe alles reingehängt, war täglich mit dem Verein beschäftigt", sagt Prill. Es klingt zu groß, wenn ein 23-Jähriger rückblickend von seinem "Lebenswerk" spricht. Wer Prill an diesem Kampftag erlebt, weiß, dass er es genau so meint. Leidenschaftlich redet er auf den Ringrichter ein; tigert rastlos in einer Ecke im Kreis, Stunden, bevor er in den Ring steigt; verausgabt sich in einem Kampf, der nur noch zur Ergebniskosmetik taugt.

Zwei Jahre hat der SVS nicht verloren, nun schon zweimal gegen die Spitzenteams aus Burghausen und Anger. "Ab jetzt müssen Siege her", sagt Trainer Aydin, der nach kurzem Intermezzo bei Meister Nendingen zurückkehrte. "Es werden viele enge Kämpfe. Aber wir haben Leute mit Zweitliga-Niveau." Nur mit Eigengewächsen wäre der Klassenerhalt nicht zu schaffen, das weiß auch Prill. Zweite Liga im Ringen sei Leistungssport. Die schweren Positionen bis 98 und 130 Kilo besetzen ausländische Athleten. "Wir müssen den Mittelweg finden", sagt Prill, "eigene Leute einbauen, sie aber nicht gegen übermächtige Gegner verheizen". Deshalb gibt es seit diesem Jahr eine zweite Mannschaft, 18 Jahre alt im Durchschnitt.

Den Spagat zu schaffen, "wird eine schwere Aufgabe", meint er und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Prill kann schwere Aufgaben meistern, das hat er gezeigt. Als Hallbergmoos Oberliga-Meister wurde, druckte man auf T-Shirts: "Der Dino ist zurück." Es war auch ein Fingerzeig in Richtung derer, die nicht an Prill geglaubt hatten.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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