Ringen:Nie mehr zweite Liga

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Nach dem Absturz sind die Hallbergmooser Ringer um Thimofei Xenidis (li.) wieder auf dem besten Weg zurück in die Bundesliga - vorerst die zweite. (Foto: Lukas Barth)

Unterföhrings Ringer fühlen sich in der Bayernliga wohl, die Oberliga ist möglich - mehr nicht gewollt. Hallbergmoos strebt dagegen zurück ins Oberhaus

Von Stefan Galler, Hallbergmoos/Unterföhring

Dieser Satz wurde Tausende Male aus den diversen Fanblocks diverser Aufsteiger nach der Rückkehr in die Fußball-Bundesliga mit viel Inbrunst geschmettert. Bei Georg Daimer bekommt der Satz, den er sogar zum Mantra seines Ringervereins SC Isaria Unterföhring erklärt, eine diametrale Bedeutung: "Nie mehr zweite Liga", sagt er, "das ist und bleibt unser Motto."

Der Unterschied zwischen dem Fanblockgesang und der Aussage des langjährigen Präsidenten und mittlerweile Finanzvorstands des SC Isaria ist die Richtung. Denn in Unterföhring ist man vom Abenteuer Profiringen geheilt, das einen immensen finanziellen Aufwand erfordert. "Der Deutsche Ringer-Bund verlangt für die zweite Bundesliga empfindliche Lizenz- und Startgebühren. Da sind schon die Randkosten so hoch, dass es wirtschaftlich keinen Sinn macht", sagt Daimer. Denn zu Zweitligakämpfen würden auch nicht mehr Zuschauer kommen als in der Bayernliga. Eher im Gegenteil: "In diesen Sphären kann man auch mal eine Niederlagenserie kassieren, dann nimmt das Interesse des Publikums eher ab", findet Daimer und rechnet vor, dass im Idealfall 200 Besucher in die Halle kämen, was bei acht Euro Eintritt Einnahmen von 1600 Euro bedeute. "Und dann kann es dir passieren, dass der Mattenrichter aus Hamburg anreist und du dafür 1000 Euro zahlen musst. Der Fisch stinkt beim DRB vom Kopf her", findet Daimer.

Deshalb fühle man sich mit dem Rückzug aus der zweiten Liga Süd im Jahr 2014 nach wie vor wohl. Nach dem Aufstieg von der Landesliga in die Bayernliga sei nun zwar die Rückkehr in die Oberliga das Ziel. Mehr aber keinesfalls, betont Daimer, trotz der perfekten Unterstützung durch die Gemeinde: "Wir werden großzügig gefördert, welcher Verein kann schon fünf- bis sechsmal die Woche in einer derart top ausgestatteten Halle trainieren?"

Dass das Ringen in der gegenwärtigen Konstellation an Grenzen stößt, hat man auch beim SV Siegfried Hallbergmoos feststellen müssen. Im Frühjahr 2013 hatte sich der deutsche Vizemeister von 2006 und langjährige Bundesligist nach zahlreichen und intensiven internen Debatten aus dem Oberhaus zurückgezogen und in der Bayernliga neu angefangen. Mit der klaren Maßgabe des Führungszirkels um den damals neugewählten Vorsitzenden Michael Prill, dass man die erste Bundesliga in dieser Konstellation auf jeden Fall meiden wolle. Prompt gelang der schnelle Durchmarsch zurück in die Oberliga, dann im Winter 2014/15 die Rückkehr in die Südgruppe der zweiten Liga.

Auch dort ist der SVS nun schon wieder ganz vorne dabei: Aktuell liegt die Mannschaft hinter Meisterschaftsfavorit Wacker Burghausen auf dem zweiten Tabellenplatz. Es geht nicht um den ultimativen sportlichen Erfolg um jeden Preis, erklärt Prill. "Wir haben uns selbst zwei andere Ziele gesetzt: Erstens wollen wir, dass 50 Prozent aller Einzelkämpfe von Ringern bestritten werden, die beim SV Siegfried diese Sportart erlernt haben. Und im zweiten Schritt sollen zwei Drittel aller Kämpfe mit Athleten besetzt werden, die zumindest in Hallbergmoos trainieren."

Und doch könnte es gut sein, dass der traditionsreiche Verein aus dem Landkreis Freising auch ohne Aufstieg schon bald wieder der höchsten deutschen Wettkampfklasse angehört. In diesen Tagen soll eine Reform des Ligensystems durch den DRB beschlossen werden, die eine neue Bundesliga vorsieht, in der nach Möglichkeit die acht bisherigen Mannschaften aus dem Oberhaus und die insgesamt 30 Zweitligisten auf vier Staffeln aufgeteilt werden. Am Ende des Grunddurchgangs kämpfen die vier besten Teams pro Staffel in einer Playoff-Runde um den deutschen Meistertitel. Dabei solle eine Budgetobergrenze von 150 000 Euro eingehalten werden, außerdem müssen sechs der zehn Ringer pro Mannschaft und Kampftag Deutsche sein. Und genau in diesen Punkten geht der DRB mit den aktuellen Bundesligisten auf Konfrontationskurs, schließlich seien dort laut Michael Prill Budgets von 500 000 Euro keine Seltenheit; zudem greift bisher die Regel, dass fünf Ausländer pro Wettkampf eingesetzt werden dürfen. "Die Frage ist nun, ob die Erstligisten mitmachen oder ihre Drohung umsetzen, eine eigene Profiliga ohne Auf- und Abstieg zu bilden, sozusagen eine Deutsche Ringer-Liga", sagt Prill.

Wie auch immer, die Hallbergmooser fühlen sich in ihrer Wettkampfklasse wohl, schließlich sei das Niveau der zweiten Liga durch die Verkleinerung der Bundesliga gestiegen. Personell hat sich vor der neuen Saison beim SVS nicht viel getan, der Kader wurde nur um Nuancen verstärkt, etwa um den früheren Unterföhringer Andreas Walter junior (zuletzt Johannis Nürnberg) und die Rückkehrer Edgaras Venckaitis (Litauen), Timofei Xenidis (Griechenland) und Ecevit Kilic, der vergangene Saison noch in Freising rang. Zuletzt wurde mit dem 21:8-Heimsieg gegen Nürnberg Tabellenplatz zwei zementiert.

Auch beim SC Isaria zwei Kampfklassen darunter ist man mit dem Verlauf der Saison bislang mehr als zufrieden: Alle sechs Bayernliga-Begegnungen bislang entschieden die Unterföhringer für sich, zuletzt gewann die Mannschaft von Trainer Fabio Aiello gegen den Tabellendritten Traunstein mit 17:11. Im Auswärtskampf beim ebenfalls noch verlustpunktfreien Hauptkonkurrenten AC Lichtenfels am kommenden Samstag entscheidet sich, wer nach der Vorrunde vorne steht.

Obwohl sich Michel Riesterer wegen eines Muskelrisses im Oberschenkel für die ganze Saison abmeldete und bisherige Leistungsträger wie Christian Axenbeck oder Balazs Fazekas auch aus beruflichen Gründen "ein bisschen von der Realität eingeholt wurden", wie es Georg Daimer ausdrückt, ist das Team weiterhin gut aufgestellt. So stieß der deutsche Spitzenringer Timur Seidel neu zum SC Isaria.

Und dann gibt es da noch einen, den Daimer ganz besonders herausheben will: Der syrische Asylbewerber Abdul Bashiri Ibrahimi. Er ist seit einem Jahr in Deutschland und in der ersten Mannschaft bei all seinen Einsätzen noch ungeschlagen, somit habe er sich zu einem echten Leistungsträger entwickelt. "Ein hochintelligenter Mann, der nach einem Jahr besser deutsch spricht als viele Migranten nach einem halben Leben." Aktuell macht Ibrahimi ein Berufsvorbereitungsjahr bei der Stadt, so Daimer, aber: "Leider ist er noch nicht anerkannt. Über ihm und uns schwebt immer noch das Damoklesschwert der Abschiebung".

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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