Ringen:Kontrollierter Rückzug

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Abdul-Basir Ibrahimi, gekommen als Flüchtling, nun Nachwuchstrainer in Unterföhring, wird Angebote erhalten, schätzt Klubchef Daimer. (Foto: Claus Schunk)

Unterföhring ist in der Oberliga chancenlos. Deshalb will der SC Isaria mit seinen Talenten in der Landesliga ein Team aufbauen - bereits zum zweiten Mal binnen fünf Jahren.

Von Stefan Galler, Unterföhring

In den Wettkampfpausen hört sich der Präsident gerne mal bei den Zuschauern um. Und das, was Georg Daimer, der Vorsitzende des SC Isaria Unterföhring, dort in der Halle mitbekommt, nimmt er sehr ernst. Selbst wenn nicht alle Leute, die zu den Ringkämpfen im Sportzentrum an der Jahnstraße kommen, Experten sind. "Was ich höre, zeigt mir, dass es unsere Zuschauer lieber mögen, wenn es spannend ist und Isaria mal öfter siegt, als wenn es das höherklassige Ringen ist und wir immer verlieren", hat Daimer zum Beispiel herausgehört. Genau deshalb habe sich der Verein entschieden, in der kommenden Saison wieder etwas weiter unten anzufangen.

Mal wieder einen Kampf zu gewinnen, das wäre in der Tat eine Wohltat für Aktive und Zuschauer. In der Oberliga Süd steht Unterföhring vor dem abschließenden Kampftag auf dem letzten Platz: elf Kämpfe, elf zum Teil demoralisierende Niederlagen, so lautet die Saisonbilanz. Das ist einerseits kaum verwunderlich. Der SC Isaria steckt kein Geld in osteuropäische Gastkämpfer. Nun wird es in der neuen Saison wieder einmal eine Ligareform geben - aus zwei Oberligen wird eine gebildet, der Rest kommt in die zweigleisige Bayernliga. Die Unterföhringer verzichten und lassen sich freiwillig in die Landesliga versetzen. "Das ist genau die richtige Wettkampfklasse für unsere jungen Talente", sagt Daimer. "Die sind für die Bayernliga noch zu schwach, aber in zwei Jahren haben sie die Klasse und dann werden wir uns auch wieder aufmachen, um weit nach oben zu kommen." Zur Erinnerung: Unterföhring war mal Zweitligist. 2012 stellte die Gemeinde den Ringern eine rund 17 Millionen Euro teure Halle hin. Deshalb stellt sich andererseits durchaus die Frage, warum sich der Klub nun schon zum zweiten Mal freiwillig in die Niederungen zurückzieht.

Schon 2014 beschloss der SC, damals noch in der zweiten Liga, in der Landesliga neu anzufangen. Damals erwies sich die Entscheidung als richtig, obwohl keineswegs alle Ringerfreunde aus der Gemeinde dafür waren. Die sportliche Situation sei mit damals vergleichbar, sagt Daimer: "Wir haben einige ungeschliffene Diamanten, denen nur die Routine fehlt. Und die bekommen sie in den unteren Klassen, wo wir eher zu den Favoriten gehören werden." Trainer Fabio Aiello, der mit dem Rückzug aus der 2. Liga seine aktive Karriere beendete und sich fortan dem Coaching widmete, steht nicht nur voll hinter der Entscheidung des Klubs. Er habe sie selbst mitangestoßen: "Ich will die Jungs ans Niveau des Männerringens heranführen. Bis zum 24. Lebensjahr sollten sie ihren Leistungshöhepunkt erreichen."

Trotz der Misserfolge sei das Interesse am Ringen sogar noch gestiegen, sagt Trainer Aiello

Einige haben bis dahin noch viel Zeit, etwa jene sieben Unterföhringer Ringer, die dieses Jahr an der deutschen Kadettenmeisterschaft der U15 teilgenommen haben. Freistil-Talent Felix Kirchhoff etwa, der dort Rang zwei belegte und bereits ein Kandidat für die erste Mannschaft ist, aber noch zu wenig auf die Waage bringt. "Er wiegt gerade mal 45 Kilo", sagt Aiello - 52 müssen es mindestens sein für den Männerbereich. Die hat Laurin Huber schon erreicht. Er debütierte in dieser Saison bei den Herren, wurde bayerischer Meister der U15 und DM-Sechster. An Nachwuchs mangelt es nicht: "Das Interesse der Kids ist zuletzt sogar noch gewachsen", sagt Aiello. "Neulich hat mich ein Zehnjähriger gefragt, ob ich gesehen habe, was irgendein Russe bei der WM gemacht hat. Das wäre mir in dem Alter völlig egal gewesen. Unglaublich, was da nachkommt."

Talente wie Huber mussten auch deshalb in die Bresche springen, weil Stammkräfte ausfielen. So verpasste Christian Axenbeck, den Klubchef Daimer als "Urgestein" bezeichnet, praktisch die ganze Saison wegen eines eingerissenen Oberschenkelmuskels. Und auch Florin Teschner musste nach einem Außenbandriss im Knie lange zuschauen. "Er hätte das Zeug dazu, höherklassig zu ringen", sagt Daimer. "Aber er ist angehender Medizinstudent, muss wegen der Verletzung sowieso schon alles um ein Jahr verschieben. Ich hoffe, er geht das Verletzungsrisiko in den oberen Klassen nicht ein und bleibt bei uns." Überhaupt soll der Stamm der Mannschaft zusammenbleiben, etwa auch Routiniers wie Schwergewichtler Sandro Punzo oder Greco-Spezialist Florian Görsch. "Sie wollen noch mal richtig angreifen", sagt Aiello. Spannend wird sein, ob der junge Afghane Abdul-Basir Ibrahimi (Freistil bis 61 kg) dem Verein erhalten bleibt. Er hat sich als Flüchtling schnell integriert, die Sprache gelernt und im Verein bereits als Nachwuchstrainer Verantwortung übernommen. "Ein supernetter und schlauer Kerl, aber ich fürchte, dass er höherklassige Angebote bekommen wird", sagt Daimer. Der Präsident ist nun vor allem darauf aus, die Sponsoren bei der Stange zu halten. Beim letzten Heimkampf am vergangenen Wochenende gegen den Tabellenvorletzten TSV Berchtesgaden (der mit einem knappen 14:16 endete) lud er sie zum Essen ein und versuchte sie davon zu überzeugen, dass Ringen in Unterföhring weiterhin einen hohen Stellenwert haben wird. Vielleicht werben die Geldgeber ja auch lieber für ein Team, das in der Landesliga gewinnt, als für eines, das für die Oberliga schlichtweg zu jung ist.

© SZ vom 06.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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