Radsport:Von Matsch und Menschen

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Die Cyclocross-Rennen im Olympiapark leiden unter Dauerregen. Der internationale Radsportverband würde dennoch gerne nächstes Jahr wieder nach München kommen.

Von Raphael Weiss, München

Sebastian Wagner kämpft. Der Ausdruck auf seinem mit Matsch bespritzten Gesicht ist gequält, während er den Hügel neben dem Theatron hochfährt. Die Spur ist tief, der Boden vom Dauerregen der vergangenen Tage aufgeweicht. Wagner war kurz nach dem Start in einen Sturz verwickelt, musste das Feld von hinten aufrollen. 21 Kilometer hat er schon in den Beinen. Schlamm, Steigungen, Pflastersteine - alles mit einem Rennrad, das zwar dickere Reifen hat als Straßenrennmaschinen, allerdings keine Federung wie ein Mountainbike. Immer wieder muss Wagner vom Rad absteigen, um besonders schwer befahrbare Stellen zu überwinden. Als er die Hälfte seiner letzten Runde hinter sich hat, reißt einen Kilometer weiter vorne Marcel Meisen, der deutsche Meister im Cyclocross, die Arme in die Höhe. Ein ungefährdeter Sieg für den Stolberger, weit vor der internationalen Konkurrenz. Anders als Wagner fährt Meisen professionell Cyclocross, auch bekannt als Querfeldein. Ihn zu schlagen war nicht Wagners Ziel. Er will unter die besten Zwölf, um seine ersten UCI-Punkte zu holen.

Wagner, 29, ist in der Marathonnationalmannschaft. Straßenrennen, die sechs Stunden dauern, sind seine beste Disziplin: "Rennen über eine Stunde sind eigentlich nicht meine Stärke. Je länger es dauert, desto besser bin ich." Cyclocross war für ihn anfangs nur ein Hobby, eine Möglichkeit, die Saison ausklingen zu lassen: "Ich wollte vor allen Dingen Spaß haben, mal Rennen fahren ohne irgendeinen Erfolgsdruck. Aber der Ehrgeiz kam dann doch relativ schnell." Am Wochenende startet er in zwei Rennen. Erst in der Samstagnacht in der Staffel, wo er mit seinem Teamkameraden vom RC "Die Schwalben" München den vierten Platz holt. Ein Ergebnis, mit dem Wagner zufrieden ist: "Wir haben uns als Team gut präsentiert." Die Strecke im Olympiapark wurde durch den Dauerregen am Wochenende noch komplizierter, als sie es ohnehin ist: "Es sind viele Steilhänge, sehr viel bergauf und bergab. Man kann sich kaum mal ausruhen. Durch den Regen ist sogar der Asphalt extrem anstrengend. Eine Unachtsamkeit, dann rutschst du aus und bist ganz schnell weg vom Fenster", sagt Wagner.

Wo, bitte, geht’s zur Waschstraße? Wer Cyclocross, auch bekannt als Querfeldein, fahren will, darf wie hier im Olympiapark nicht zimperlich sein. (Foto: Claus Schunk)

Der Munich Supercross findet zum sechsten Mal im Olympiapark statt, zum ersten Mal geht es um Punkte für die Rangliste des internationalen Radsportvebands UCI. "Das war auch eines der Ziele, als wir 2012 begonnen haben", sagt Robert Klimsa, Organisator und Vorsitzender des RC "Die Schwalben". Das langfristige Ziel sei es, die Supercross-WM wieder zurück nach München zu holen. "Der Weg dahin ist natürlich steinig, da ist auch die Sportpolitik gefragt. Wir wollen, dass der Olympiapark wieder dafür genutzt wird, wofür er gebaut wurde: Es soll mehr Sport stattfinden", sagt Klimsa. Wie das aussehen könnte, zeigte dieses Wochenende.

Neben dem Eliterennen fanden Junioren-, Senioren-, Staffel-, Hobby- und Mountainbikerennen statt. Auf dem Coubertinplatz gab es Workshops, bei denen Radsportgrößen wie Andreas Klöden Hobbyfahrern Tipps gaben und neue Techniken zeigten. Wegen des schlechten Wetters kamen allerdings weniger Zuschauer als erwartet. "Jetzt wissen wir zumindest, wie das Worst-Case-Szenario aussieht", sagt Klimsa und bekommt von Mitorganisator Roman Stoffel entgegnet: "Und alles nur, weil du deinen Teller nicht leer gegessen hast." Auch wenn nicht allzu viel Publikum da ist - das Feedback von Fahrern und Verband ist extrem positiv. "Die UCI hat schon angefragt, ob wir das nächstes Jahr wieder machen können", sagt Stoffel und wird im nächsten Moment von den vorbeirasenden Athleten abgelenkt.

Dreckig, aber zufrieden: Zwar verpasste Sebastian Wagner vom Veranstalter RC "Die Schwalben" München die Punkteränge. Dennoch sagte er: "War ja doch ganz ordentlich." (Foto: Claus Schunk)

Wagners letzte Runde läuft gut, er überholt, schiebt sich Platz um Platz nach vorn. Als er auf die Zielgerade einbiegt, schaut er sich noch einmal um und schüttelt den Kopf. "Das Niveau hier war extrem hoch, aber ich weiß noch gar nicht, Wievielter ich geworden bin", sagt er nach der Zielankunft. Platz 31 ist es am Ende. "War ja doch ganz ordentlich. Ohne den Sturz am Anfang wäre einiges drin gewesen."

Zwei Rennen an zwei Tagen sind auch für Marathonfahrer wie ihn extrem anstrengend. Doch ausruhen kann er sich nicht: "Das geht schon extrem in die Beine. Heute Abend geht's erst mal ans Saubermachen, morgen dann zwei Stunden lockeres Ausrollen und dann geht's weiter mit dem Training. Am Samstag ist Deutschlandcup in Stuttgart." Doch das Saubermachen muss warten - Wagners Hände sind so kalt, dass er sie nicht mehr bewegen kann. Der Ärger über den Sturz ist langsam verflogen: "Es war schon extrem schön auf der Heimstrecke. Ich hab immer wieder bekannte Stimmen und meinen Namen rausgehört", sagt Wagner. Vielleicht wird im nächsten Jahr das Wetter auch ein bisschen besser. Dann werden es noch mehr bekannte Stimmen sein. Und vielleicht klappt es dann auch mit den UCI-Punkten.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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