Mountainbike:Sport-Achtundsechziger

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Notorischer Alpenüberquerer: Mountainbike-Pionier Uli Stanciu. (Foto: Georgine Treybal)

Der Journalist Uli Stanciu hat manchen Trend mit angestoßen, Sein Bike-Festival Garda Trentino startet an diesem Samstag zum 25. Mal.

Von Nico Horn, München

Uli Stanciu legte in letzter Zeit gleich mehrmals einen ihm bestens bekannten Weg zurück. Der Journalist und Buchautor bereitete seinen Umzug von Berg am Starnberger See in die Nähe des Gardasees vor - "natürlich Gardasee", wie Stanciu anfügt, schließlich ist der größte See Italiens schon seit Jahren sein zweites Zuhause. Allein das Transportmittel wollte so gar nicht zu dem legendären Mountainbiker passen - aber klar, mit dem Fahrrad lassen sich Umzugskartons eher schlecht transportieren; Stanciu fuhr also mit dem Auto über die Alpen.

Der Umzug nach Italien könnte zeitlich nicht passender liegen. Denn Stanciu hat es nun nicht mehr weit, wenn von diesem Samstag bis Dienstag das einst von ihm initiierte Bike-Festival Garda Trentino zum 25. Mal stattfindet. "Ich hätte nie gedacht, dass sich das Festival so rasant entwickeln würde. Ich habe es aber gehofft", sagt Stanciu mit Blick auf die Anfänge der Outdoormesse 1994.

Bereits in den 1980er-Jahren hatte Stanciu Surftest-Wochenenden am Gardasee veranstaltet. Später erinnerte er sich als Chefredakteur des von ihm gegründeten Bike-Magazins daran und wärmte die Idee wieder auf: "Ich wollte etwas für die Leser schaffen, das über das Papier hinausgeht." Im ersten Jahr kamen immerhin 4000 Besucher zum Bike Festival, heute sind es jährlich 40 000, die die Produkte von 220 Ausstellern begutachten. Was früher einmal eine Randerscheinung war, ist nun ganz offensichtlich voll im Trend. Das liegt auch an Stanciu.

Auf Hawaii kauft er Surffotos für 10 000 Dollar. Die Auflage steigt danach um 300 Prozent

Im Olympiajahr 1972 wurde er gleich nach seinem Abschluss an der Deutschen Journalistenschule von der Abendzeitung übernommen. Dort war er mitverantwortlich für den von der AZ organisierten Trickski-Weltcup. Es waren Stancius Anfänge in Sachen Berichterstattung über moderne Sportarten. "So etwas wie Trickski war neu, aber es passte in die Zeit", sagt der 70-Jährige heute. Er testete quasi jede nicht-altmodische Disziplin. Es ging ihm auch darum - dem Zeitgeist entsprechend - den alten Mief des Sports hinter sich zu lassen. "Wir waren die Sport-68er", sagt Stanciu rückblickend über sich und seine Mitstreiter, die sich für neue Sportformen einsetzten. Beim Skifahren habe man beispielsweise "Wedeln" müssen, erinnert sich Stanciu: "Dabei hat man das doch schon vor dem Krieg gemacht."

Mit der Politik der Zeit rund um die Studentenproteste hatte der Sport laut Stanciu aber nicht wirklich etwas zu tun. "Wir wollten einfach freien Sport machen", sagt er. Und natürlich darüber berichten. Mit seiner innovativen sportjournalistischen Herangehensweise machte sich der spätere Bike-Festival-Erfinder einen Namen. Einen solch guten, dass ihn der Windsurf-Vorreiter Peter Brockhaus zum Redaktionsleiter seines Magazins machte. Nachdem Brockhaus nach etwa zehn Monaten seine Windsurf-Zeitschrift zu Werbezwecken für eine von ihm neu erworbene Marke missbrauchen wollte, stieg Stanciu aus. Dass der Trend bei vielen Sportzeitschriften dahin geht, sich von Herstellern und Unternehmen bezahlen zu lassen, nimmt Stanciu mit leichten Magenschmerzen zur Kenntnis, er zeigt aber auch Verständnis: "Bevor ein Verlag pleite geht, nimmt er lieber Geld." Als Herausgeber der Bike muss er zugeben, dass auch bei ihnen ab und zu für Artikel bezahlt werde - allerdings nur in den Regions-Spezialheften.

Fast gleichzeitig mit der Trennung von Brockhaus wird Stanciu vom Verleger Konrad-Wilhelm Delius angeworben. Delius fragt ihn, ob er nicht ein Windsurf-Magazin für seinen Verlag machen wolle. So wird Stanciu zum Chefredakteur des Surf Magazins, das schon bald zum erfolgreichsten Produkt des Delius-Verlages wird - auch aufgrund so mancher Dreistigkeit Stancius. So drückt er nicht nur eine Reise nach Hawaii, schon damals der "place to be" für Surfer, durch, sondern kauft auch noch auf Kosten des Verlags für 10 000 Dollar Bilder eines lokalen Fotografen. Delius hatte es möglich gemacht. Das Risiko zahlte sich aus: Über ein Jahr verteilt veröffentlichte Surf die Schnappschüsse. Das Ergebnis nach Aussage Stancius: eine Auflagensteigerung um 300 Prozent.

Es ist nicht das letzte Mal, dass Stanciu Wegbereiter einer Sportart ist. So gilt er als einer der Pioniere der Transalp-Idee: Über 80 Mal hat Stanciu mittlerweile die Alpen mit dem Fahrrad überquert (auch wenn er neulich ausnahmsweise auf das Auto umstieg). Immer noch erkundet er ständig neue Strecken - mittlerweile allerdings mit dem Elektro-Mountainbike, für dessen Verbreitung sich Stanciu bereits seit 2010 einsetzt.

"Es braucht jemanden, der Visionen hat", widerspricht er dem Credo eines ehemaligen Bundeskanzlers: "Früher wurde von Mopedfahrern in den Alpen oder E-Doping gesprochen, heute sehen viele die Vorteile." Er selbst habe nie mehr Spaß beim Fahrradfahren gehabt. Und zur zusätzlichen Abwechslung kann er von nun an mit dem E-Bike die Alpen in die entgegengesetzte Richtung überqueren - nämlich vom Süden in den Norden. Nico Horn

© SZ vom 28.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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