Motorsport:Saison mit Brüchen

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Für den Olchinger Speedway-Profi Martin Smolinski ist nach zwei schweren stürzen die Saison beendet, Ruhe gibt er deshalb noch lange nicht.

Von Christoph Leischwitz, Olching

Der Orthopäde wollte Martin Smolinski ein Korsett anlegen, damit die benötigte Ruhe für sechs Wochen gewährleistet sei. Aber er kenne ja seine Pappenheimer, sagte der Arzt dann noch, Smolinski würde es am nächsten Tag zurückbringen. Der Speedwayprofi kann einfach keine Ruhe geben, er ist auch jetzt ständig auf Achse. Vor knapp zwei Wochen brach sich der 34-Jährige ein Schlüsselbein, er wurde operiert, hat die Fäden noch in der Haut, doch er sah sich schon wieder Rennen an. Freunde hätten ihn gefragt. "Warum gehst du denn so krumm?" Es ist wegen der Schmerzen im Rücken, die er sogar noch länger mit sich herumträgt als die in der Schulter. Und Smolinski sagt: "Ich liebäugele schon noch mit einem Start beim Goldenen Band." Das Rennen in der Heimatstadt Olching ist am 13. Oktober. Es ärgert ihn sowieso schon ungemein, wie viele Rennen er in den vergangenen zwei Wochen verpasst hat. Richtig traurig macht ihn zudem, dass er seinen neun Wochen alten Sohn gerade nicht herumtragen kann.

Eigentlich lernen Speedwayprofis, wie man bei Stürzen schlüsselbeinschonend abrollt, doch bei seinem Sturz bei der Langbahn-WM in Roden war Martin Smolinski bereits durch eine Rückenverletzung gehandicapt. (Foto: Daniel Sivers/OH)

Es hätte auch sportlich-beruflich ein gutes Jahr werden können. Mitte Juli hatte Smolinski souverän die deutsche Meisterschaft verteidigt, zwei Wochen später erfuhr er, dass er eine Wildcard für einen Startplatz beim deutschen Rennen der Grand-Prix-Serie in Teterow erhalten würde. Und dann bekam er im kroatischen Gorican auch noch die Chance, sich für die gesamte GP-Serie im kommenden Jahr zu qualifizieren. Dort begann das Unglück. Erster Lauf, erste Kurve, eine Kollision mit dem Dänen Anders Thomsen. "Bei dem Sturz habe ich wohl den Fußraster eines Kollegen in den Rücken bekommen", sagt Smolinski. Die Schmerzen beeinträchtigten ihn da schon, doch Smolinski fuhr weiter, verpasste die Qualifikation aber knapp - auch, weil der Startmarschall ein Rennen nach drei anstatt erst nach vier Runden per Zielflagge beendete. In Führung liegend verlor Smolinski die Punkte, im Wiederholungsrennen fiel er ab. Später erfuhr er, dass er eine Rippenprellung und eine Zerrung des Muskelstrangs neben der Wirbelsäule erlitten hatte.

"Ich wollte in dem Moment einfach zu viel und habe Nerven gezeigt", gibt der Olchinger zu

Die folgenden Tage waren geprägt von Reha, Zeit für Training blieb kaum. Er wollte aber unbedingt in Teterow dabei sein. Doch jedes Mal durchzuckte ihn schon in der ersten Kurve ein stechender Schmerz, nach dem vierten Durchgang meldete sich der Olchinger ab: "Ich hatte zwar Schmerztabletten genommen, aber es machte keinen Sinn mehr an diesem Abend."

Mittlerweile ist Smolinski klar: Ohne diese unselige Rückenverletzung wäre es anschließend höchstwahrscheinlich auch nicht zu dem Sturz in Roden gekommen. Der nächste Showdown: Smolinski lag in der Langbahn-Serie vor dem letzten Renntag nur einen Punkt hinter dem Franzosen Dimitri Bergé, er strebte die Titelverteidigung an. Im Halbfinale entschied sich der Wettbewerb. Smolinski lag von der ersten Kurve an hinter Mathieu Tresarrieu, attackierte diesen aber permanent. In der dritten Kurve stellte Tresarrieu seine Maschine ungewohnt schräg, Smolinski touchierte ihn, nicht einmal eine Sekunde später stürzte er in voller Fahrt. Er wusste sofort, was los war: "Schlüsselbeinbruch ist bei Speedwayfahrern eine Standardverletzung", sagt er, auch wenn es sich nun um seinen ersten handelte. Er zog sich den Overall aus und sah, dass der Knochen gegen die Haut drückte und fast schon herausstand, alles wirkte ausgerenkt. In diesem Schockzustand gelang es ihm, den Knochen halbwegs zurechtzurücken. Als Smolinski mit dem Krankenwagen abgeholt wurde, feierte Bergé im zweiten Halbfinale seinen WM-Titel.

Lachte schon im Krankenhaus wieder: Martin Smolinski. (Foto: OH)

Klar, er könne den Unfall auf Tressarieu schieben: "Er hat versucht, gegen mich zu arbeiten und wollte die Geschwindigkeit rauszunehmen", sagt Smolinski zwei Wochen später, "aber ich wollte in dem Moment einfach zu viel. Ich habe Nerven gezeigt." Es wären ja noch fünf weitere Kurven gekommen, in denen er den Widersacher hätte überholen können. Für Smolinski ist klar: Solche Unfälle passieren vor allem dann, wenn man mental und auch körperlich nicht auf der Höhe ist. Die erste Verletzung zog sich wie ein roter Faden durch die restliche Saison. Eigentlich lernen Speedwayfahrer sogar, sich schlüsselbeinschonend abzurollen, doch seine Reaktionsfähigkeit habe eben auch gelitten. Speedway mag nur Randsport sein, höchst professionell ist er dennoch. Und weil der Profi Smolinski davon lebt, gehen ihm in diesen Wochen auch Preisgelder verloren.

Den größten Titel habe er aber privat eingefahren, sagt er, mit der Geburt seines Sohnes. Rein sportlich wird Smolinski in der kommenden Saison vor allem der Herausforderer sein: "Ich will noch einmal zurück in den Grand Prix", formuliert er sein größtes Ziel. Aber vermutlich müsse er dieses Jahr auch psychologisch erst noch verarbeiten.

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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