Motorsport:Rummel im Wohnzimmer

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Kann er die Erwartungen erfüllen? Martin Smolinski geht an diesem Donnerstag als Lokalmatador in das WM-Halbfinale im Speedway. (Foto: Daniel Sievers)

An Fronleichnam fahren die besten Speedway-Piloten der Welt in Olching um die Teilnahme am WM-Finale. Obwohl er nur dank einer Wildcard dabei ist, rechnet sich Martin Smolinski auf seiner Heimstrecke Chancen aus.

Von Sebastian Leisgang, Olching

Stephan Wunderer muss lange überlegen. Ein Favorit? Der Sport- und Tourenleiter des Olchinger Motorsport-Clubs (MSC) hält inne, dann räumt er ein: "Da werde ich kalt erwischt. Das Feld ist brutal stark besetzt. Es ist schwierig, einen herauszuheben." Schließlich ringt sich Wunderer doch zu einem Namen durch: Martin Vaculik, Slowake, Europameister von 2013 und Grand-Prix-Pilot. "Er ist ein Topathlet, er fährt schon länger in der Weltspitze", sagt Wunderer. "Ich hoffe aber natürlich auf unseren Martin."

Beim MSC trauen sie Smolinski bei seinem Heimrennen alles zu - "wenn er vom Kopf her frei ist"

Unser Martin, das ist Martin Smolinski, fünfmaliger deutscher Meister im Einzel, zweimaliger Weltmeister im Team. Eigentlich wäre der 32-Jährige beim WM-Halbfinale außen vor gewesen, schließlich belegte er bei der Vorrunde am Pfingstmontag in Abensberg nur Rang acht. Im Stechen hatte er das Nachsehen gegenüber dem Tschechen Matej Kus. Dass Smolinski an diesem Donnerstag, Fronleichnam, in Olching dennoch zum Teilnehmerfeld gehört, verdankt er - ebenso wie der Däne Mikkel Michelsen - einer Wildcard der Veranstalter. Ein Speedway-Rennen in Olching ohne den Lokalmatador wäre schwer vorstellbar gewesen. "Ich hätte mich natürlich lieber sportlich qualifiziert", gibt Smolinski zu. Nun will er die Chance aber ergreifen, sich über das Rennen in seinem "Wohnzimmer" für die Grand-Prix-Challenge am 19. August im russischen Togliatti zu qualifizieren.

Als kleiner Junge, erzählt Smolinski, habe er die Rennen in Olching von den Rängen aus verfolgt. Nun geht er dort selbst an den Start und "will den Zuschauern ein gutes Rennen bieten". Sport- und Tourenleiter Wunderer glaubt, dass Smolinski das Rennen gar gewinnen kann, allerdings nur, "wenn er vom Kopf her frei ist". Bei seinem Heimrennen laste auf Smolinski eine Menge Druck, den es auszublenden gelte, glaubt Wunderer. Bis zu 4000 Besucher erwartet er, die meisten hegen die Hoffnung auf einen Sieg Smolinskis. "Wenn er sich davon freimachen kann und wenn er gut startet", sagt Wunderer, "dann traue ich ihm alles zu. Fahren kann er, schnelle Motoren hat er auch. In dieser Hinsicht mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Es geht eher um den Rummel drumherum." Schließlich werden alle Augen auf ihn gerichtet sein, wenn die Rennen am Donnerstag um 14 Uhr beginnen.

Nur sieben der 16 Athleten lösen ein Ticket für Russland - und das Teilnehmerfeld hat es in sich. Es ist gespickt mit den Größen der Branche, etwa mit dem Polen Piotr Pawlicki, ebenso wie Vaculik Grand-Prix-Pilot. Sollten die beiden in der diesjährigen Endabrechnung nicht unter den ersten Acht landen, könnten sie sich über Olching und Togliatti die Teilnahme für 2018 sichern. Zum Starterfeld zählen auch Hans Andersen, Dritter in Abensberg, und dessen Landsmann Leon Madsen, ein Teamkollege Smolinskis in der Landshuter Ligamannschaft.

Zweimal hat Chris Harris bereits abgesagt, dieses Jahr ist er am Start. Aber was ist zu erwarten?

Mit Kai Huckenbeck tritt neben Smolinski ein zweiter Deutscher an. Der 24-jährige Profi aus dem niedersächsischen Werlte hat sich bei der Vorrunde in Esbjerg (Dänemark) als Dritter für das Halbfinale qualifiziert. In Olching ist Huckenbeck kein Unbekannter: In der Saison 2016 startete er für den MSC beim Team-Cup.

Für Chris Harris, Grand-Prix-Gesamtsieger von 2007, ist Olching hingegen Neuland. Zweimal bereits hatte der MSC den 34-jährigen Engländer zu offenen Rennen eingeladen - zweimal sagte er ab, da er in der Liga gefordert war. "Nach der Auslosung haben bei uns einige gesagt: ,Zwei-mal hat er uns sitzen lassen. Mal schauen, ob er dieses Mal überhaupt kommt'", verrät Sport- und Tourenleiter Wunderer und lacht. Natürlich weiß er: Das WM-Halbfinale wird sich Harris keinesfalls entgehen lassen. Allerdings vermag Wunderer kaum einzuschätzen, wozu der Brite in Olching imstande ist. "Er ist zuletzt keine internationalen Rennen gefahren, und die Liga habe ich kaum verfolgt. Deswegen habe ich ihn momentan nicht auf dem Schirm", erklärt Wunderer. Allerdings ist er sich sicher: "Er wird es nicht verlernt haben. Er wird am Donnerstag auf jeden Fall eine gute Rolle spielen." Falls er sich vom Rummel nicht ablenken lässt.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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