Motorsport:Im Windschatten des Idols

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Tim Wunderer vom MSC Olching ist Weltmeister. Wie sein Mentor Martin Smolinski will der 15-Jährige Speedway-Profi werden

Von Christoph Leischwitz, Olching

Am vergangenen Montag in der Schule hatten ihn die Klassenkameraden gefragt, wie es denn so gelaufen sei in Polen. "Ganz gut", hatte Tim Wunderer geantwortet, er habe gewonnen. Cool - und was genau? Er sei jetzt Weltmeister, antwortete der 15-Jährige. Da haben dann doch einige gratuliert und es den Lehrern erzählt. In der Deutschstunde durfte Wunderer recht ausführlich über seinen Erfolg sprechen.

Wunderer ist Speedway-Fahrer. Das wird sich voraussichtlich auch nicht mehr ändern. Denn diesen Entschluss hatte er schon beim ersten Schnuppertraining gefasst, fast neun Jahre ist das her. "Damals hat er sofort gesagt: Das ist genau das Richtige für mich", erzählt Vater Stephan. Ihn selbst hat das ein lieb gewonnenes Hobby gekostet: Für Heimspiele des FC Bayern hat er keine Zeit mehr. Der junge Tim aus der Nähe von Aichach, der für den MSC Olching startet, arbeitet jetzt so akribisch an seiner Karriere, dass man ihn bereits als professionellen Fahrer bezeichnen kann.

Am vergangenen Freitag folgte die erste große Belohnung. In der Klasse 125 Kubikzentimeter holte Wunderer im polnischen Torun die "Youth Gold Trophy" des Speedway-Weltverbandes. Er darf sich nun Weltmeister nennen, auch wenn an dem Wettbewerb nur Europäer teilgenommen haben. Nach den Vorläufen hatte sich Wunderer als Zweitbester für das Finale qualifiziert. Dort gelang ihm ein Start-Ziel-Sieg, bei dem er nervenstark alle Angriffe der drei Verfolger abwehrte. "So ein Start-Ziel-Sieg sagt viel darüber aus, dass in der Vorbereitung auf dieses Rennen vieles richtig gelaufen ist", sagt der Olchinger Speedway-Profi Martin Smolinski. Er freue sich "riesig, dass wir einen Junioren-Weltmeister in unseren Reihen haben." Vor zwei Jahren gewann bereits Sandro Wassermann die WM in der 250er-Klasse, er war damals aber erst kurz zuvor zum MSC gewechselt.

Auch Wunderer hat dort bereits angefangen, erste Rennen zu fahren, am Samstag wurde er Achter. Das Finale am Abend zuvor war sein allerletztes Rennen in der 125er-Klasse. "Als ich durch war, konnte ich es gar nicht fassen, erst als sie die Nationalhymne gespielt haben." Als er nach Hause kam, hing an der Garageneinfahrt in seiner Heimatgemeinde Griesbeckerzell ein großes Banner. "Es ist schon cool, wenn so viele Leute einem gratulieren", sagt er.

Wunderer wird sich darauf nicht ausruhen. Die Nachmittage nach der Schule verbrachte er in der vergangenen Woche vor allem damit, seine Maschinen zu säubern. Noch mehr Zeit steckt er in die Wettkampfvorbereitung. "Du musst eine Bahn lesen können", sagt sein Mentor Smolinski gerne. Wunderer nutzt dafür den Computer und sieht sich, zum Beispiel von der Rennstrecke in Torun, Dutzende Videos an. "Ich achte darauf, welche Linie die Fahrer wählen, wo sie den meisten Vortrieb kriegen", erklärt er. Oder darauf, wie spitz die Kurven sind. Speedway-Motorräder haben keine Bremsen, die richtige Geschwindigkeit, mit der man sich zum Driften in die Kurven legt, ist daher besonders wichtig. In der 125er-Klasse ist das Tempo noch gemächlich: Auf der Bahn in Olching liegen die Durchschnittsgeschwindigkeiten bei etwa 62 Stundenkilometern. "Jetzt geht es eigentlich von vorne los", sagt Wunderer. Noch größer wird dann mit 18 Jahren der Wechsel auf 500-ccm-Maschinen.

Profi zu werden wie Martin Smolinski, vom Speedwaysport zu leben, das ist Wunderers Traum. "Das ist noch ein weiter Weg", sagt das Vorbild, bis dahin müsse man viele Entwicklungsstufen durchlaufen. "Der Timmi", der von Smolinski auch Material zur Verfügung gestellt bekommt, bringe allerdings viele Voraussetzungen mit: Er sei strukturiert, zielstrebig, habe ein gutes, bodenständiges Umfeld. Die Eltern helfen mit, Tim und dessen jüngerem Bruder Tobias den aufwendigen Sport zu ermöglichen. Dieser wird mit zunehmendem Alter immer teurer. Schon deshalb, weil in der 125er-Klasse mit gewöhnlichen Serienmotoren gefahren wird. Danach werden die Maschinen immer spezieller.

Hinzu kommen die Reisen im umgebauten Kombi, in den die Motorräder hinein passen. Tim Wunderer ist schon in Italien, Kroatien und Frankreich Rennen gefahren. "Finanziell wird es irgendwann eng", sagt sein Vater Stephan. Sponsoren, das sind zurzeit Freunde der Familie, die Spritgeld zuschießen. Doch Tim weiß, was für eine erfolgreiche Karriere am wichtigsten ist: "Es muss Spaß machen", sagt er. Für ihn ist es im Moment überhaupt keine Frage, dass es eines Tages ernst wird mit dem Spaß.

© SZ vom 13.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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