Linksaußen:Sprechen Sie Sport?

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In der analogen Welt war Schreiben mühsam. Dafür gab es ein Korrektorat. Heute gibt es Korrekturprogramme. Und noch mehr sinnfreie Texte.

Kolumne von Johannes Schnitzler

Seit Tagen tobt die Debatte um die Datensicherheit. Kleinlicher Kokolores. Nur weil Facebook das mit der Kundeninformation mal haarscharf falsch verstanden und ein paar Millionen Daten verplempert hat. Also: Informationen über seine Kunden, nicht für sie. Ist doch praktisch, wenn ein Algorithmus mitdenkt und uns in diesen verwirrend vielfältigen Zeiten präzise Empfehlungen liefert für politische Parteien, Potenzmittel und die freizeitliche Nächstenliebe ("Junge, alleinstehende Russinnen ...").

Was war das mühsam in der analogen Zeit. Alles musste man selber machen. Texte im Sportteil zum Beispiel mussten händisch angefertigt werden. Mit den eigenen Fingern! Heute konvertiert ein Sprache-zu-Text-Programm selbst das unzusammenhängendste Gestammel aus der Mixed Zone und macht daraus eine 1-A-Champions-League-Reportage.

Damals in der alten Zeit wurden noch Menschen beschäftigt, die im sogenannten Korrektorat arbeiteten und darauf achteten, dass nicht allzu viel Unfug in der Zeitung stand. Heute ist der/die SportredakteurIn eine unablässig sprudelnde Fehlerquelle, dank DTP - nein, das ist keine deutschtümelnde Splitterpartei, auch kein Akronym für Donald-Trump-Propaganda, sondern die Abkürzung von Desktop Publishing, "Veröffentlichen vom Schreibtisch" aus, ohne rettendes Korrektiv. Dafür gibt es die Rechtschreibhilfe und mit ihr die Alternative zwischen "Ignorieren" und "Ersetzen": Wenn dem elektronischen Oberlehrer ein Wort nicht geläufig ist, schlägt er ein anderes, ihm sinnvoll erscheinendes vor. Das kann originell sein, wenn die Alternative für einen Trainer namens Schlickenrieder "schlackenreich" lautet oder für Rothkirch "Rothirsch". Bei der ehemaligen Bildungsministerin Edelgard Bulmahn ("Edelhure") wird es schon leicht anzüglich. Und mit Spielern wie dem Pullacher Fußballer Jan Penic oder dem Münchner Basketballer Georg Beyschlag sollte man dem Programm besser gar nicht erst kommen...

Nichts davon hat den Weg in diese Zeitung geschafft, gottlob - bis auf das mit der Bildungsministerin, das stand leider so im Blatt. Auf demselben schlüpfrigen Pfad mutierte auch eine Rosen- zur Robbenzüchterin, die wie einst der alte Goethe in seinem Frankfurter Gartenhäuschen angeblich eine Tapetenrolle kultivierte.

Der Sport mit seinen eigenen Termini und Abkürzungen - PK etwa steht für Pressekonferenz genauso wie für "Penalty Killing", das Spiel in Unterzahl - ist von allen sprachlichen Dschungeln vielleicht das dichteste Dickicht. In der heutigen Welt der Autokorrekturen und selbstvervollständigenden SMS haben wir uns zwar daran gewöhnt, hastig getippte Geheimbotschaften zu decodieren: "Ost. Verlängerung Brücke. Eng teilen" ist natürlich kein Hinweis aus dem Amt für Straßenbau, sondern der Whatsapp-Hilferuf eines panischen Reporters aus dem Stadion: "Mist. Verlängerung. Brauche mehr Zeilen." Schwierig wird es allerdings, wenn Schriftzeichen keinen erkennbaren Sinn ergeben und für den unwissenden Abendländer auch noch irgendwie arabisch aussehen. So wie diese Woche die Facebook-Kommentare unter einem SZ-Artikel über Kickboxen. Zum Glück gibt es die automatische Übersetzungsfunktion. Und so liest man zitternd vor Aufregung folgenden Dialog: "Rda hey hochkonzentrierte Graf entdeckst." - "Haben Sie ihn, Captain?" - "Beige P Ahway Heinz Maschinen Blick auf sie." - "Soll ich meine Brüder anbeten?"

Wir würden sagen: Sobald Captain Heinz und sein hoch konzentrierter Maschinenblick den Grafen entdeckt haben - warum nicht? Code Beige P. Die jungen Russinnen sind da.

© SZ vom 26.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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