Linksaußen:Aufgeregt wie am ersten Tag

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Champions League? Einschulung? Irgendwie doch dasselbe

Von Johannes Schnitzler

Rückblick, Dienstag: Großes Gedränge vor der Tafel. Wo steht mein Name? Links? Rechts? Vorne? Hinten? Steht er überhaupt drauf? Und wer ist neben mir? Lewandowski, wie immer ganz vorne, sieht es als Erster, Müller versucht, sich auf seine unnachahmliche Art an den anderen vorbeizuschlängeln. Nur der kleine Kimmich hat sich ein wenig schüchtern hinter den anderen postiert und wartet, bis sich eine Lücke auftut. Dann ist klar: "Lewy", ein blonder Lockenkopf im FC-Bayern-Trikot mit Nummer 9, sitzt neben Thomas (Nummer 25), der dem echten Müller tatsächlich ähnlich sieht. Und Joshua? Heißt vermutlich Kevin oder Marcel oder Daniel und sitzt in der Reihe direkt hinter Lewy und dem kleinen Müller. Die drei klatschen sich ab, als hätten sie die Champions League gewonnen. Dann wuchten sie ihre Schultüten in die Höhe und gehen in die erste Klasse.

So ein erster Schultag unterscheidet sich recht wenig von einem ersten Gruppen-Spieltag in der Champions League, sagen wir, an einem Dienstag gegen Rostow. Hier wie dort gilt es, den Grundstock zu legen für das weitere Fortkommen und sich eine günstige Ausgangsposition zu verschaffen für die späteren Runden, wenn es wirklich darauf ankommt. Dasselbe Kribbeln. Sogar die Fragen sind ähnlich: Steht mein Name auf der Taktiktafel? Links? Rechts? Vorne? Hinten? Oder überhaupt? Und nach 90 Minuten ist es fürs Erste vorbei.

Gegen Rostow haben Lewandowski, wie immer ganz vorne, und Müller in seiner unnachahmlichen Art dann einfach mal ein paar Tore geschossen, und der kleine Joshua, um den man sich Sorgen machte, weil er doch gerade erst die Klasse übersprungen hat, sogar zwei. Ein begabter Junge, das hat schon sein ehemaliger Lehrer gesagt, und ein süßer, süßer noch dazu. Allenatore Ancelotti, der schnurrige Kater Carlo mit dem großen Bauchgefühl, weiß nun, wo seine A-, B- und C-Schützen leistungsmäßig stehen.

Ob sie ihr Klassenziel erreichen, zeigt sich im Mai: Wenn die einen einst ihre Reifeprüfung ablegen, spielen die anderen um Titel. Der Unterschied ist, dass der echte Lewy, der Müller und der kleine Joshua für jede Ehrenrunde Geld bekommen. Und Fußball an jedem Spieltag wieder ein Kribbeln hervorruft.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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