Linksaußen:Auf sie mit Gebrüll!

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Viele Trainer und Funktionäre pflegen das Laute und Marktschreierische. Wie wohltuend heben sich davon die leisen Vertreter der Zunft ab.

Von Ralf Tögel

Der Brüllaffe unterscheidet sich von der Mehrzahl seiner Artgenossen nicht nur dadurch, dass er die Aufmerksamkeit seiner Mitäffinnen und -affen mit Urschreien zu erregen sucht (was artfremde Zeitgenossen eher nicht goutieren, zumal er dies vornehmlich am frühen Morgen zu tun pflegt). Es ist vor allem die Größe von Zungenbein und Kehlkopfschildknorpel, die ihm sein Geplärr ermöglicht. Das Urgeschrei ist aber nicht das einzige, was den Alouatta, so sein lateinischer Name, auszeichnet. Er ist auch in der Lage, mehr Farben zu erkennen als alle anderen Primaten. Die Fähigkeit zum vollendeten Genuss des trichromatischen Farbensehens ging im Laufe der Evolution allerdings zu Lasten von Riechzellen. Festzuhalten ist also: Der Brüllaffe sieht gut, riecht aber schlecht.

Was besser ist, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Sehr wohl aber, dass der Brüllaffe als Synonym für besonders laute und unangenehme Exemplare des Homo sapiens herhalten muss, von denen die Erde derzeit überbevölkert zu sein scheint. Besonders auffällig ist jenes orangefarbene Modell mit Ponyfrisur, dem wie einem aufgeblasenen Luftballon zu jeder Unzeit heiße Luft entweicht. Doch nicht nur der stolze Führer der stolzen amerikanischen Nation irritiert durch sein Benehmen, das gilt auch für jene Sportfunktionäre, die vor Kurzem in einer skurrilen Zusammenkunft das Mit- und Gegeneinander im Umgang mit den Medien thematisierten.

Und damit zum Sport. Lautsprecher haben in der Übungsleiter-Historie der großen Münchner Vereine eine gewisse Tradition. Pflegte der Bayern-Kaiser eher den scharfen Ton ("Das war wie Obergiesing gegen Untergiesing", "Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft" ff.), polterte der Kollege vom TSV 1860 München mit Vorliebe im Kasernenton: "Die Spieler sollen rennen und das Maul halten." Rein optisch erinnerte der beinharte Coach ob seines üppigen weißen Schopfes eher an ein Lisztäffchen, zetern konnte er dafür zu jeder Tageszeit: "Die junge Generation ist total versaut, die können sich ja nicht mal alleine eine Wohnung suchen oder am Landratsamt anmelden." Interessant wäre in diesem Zusammenhang, ob man sich auch als Dauermieter auf einem Campingplatz beim Landratsamt melden muss? Egal.

Im Gegensatz zu den Funktionären zeichnen sich die aktuellen Übungsleiter durch große Besonnenheit und eher leise Beiträge aus. Bestes Beispiel ist der eloquente Herr Kovac, der jede noch so fiese Frage mit weichen Worten zu kontern weiß, oder der stille Don Jackson, der nur aus reiner Höflichkeit über die Spiele des EHC München referiert, aber niemals über Zimmerlautstärke. Der Blick zu den Basketballern des FC Bayern lohnt ebenfalls, dort wurde ein sehr emotionaler Serbe durch einen etwas leiseren, aber ebenfalls sehr mitteilsamen Landsmann ersetzt, dessen Sprüche von Messern zwischen den Zähnen der Spieler oder von blutunterlaufenen Augen den ein oder anderen irritierten. Mittlerweile führt der Montenegriner Radonjic die Geschicke, der zwar ebenfalls einen balkanischen Hintergrund hat, bislang aber höchstens durch verbale Sparsamkeit auffällig wurde. In Zeiten wie diesen, da das Geschrei von den Affenfelsen dieser Welt immer unerträglicher wird, eine wahre Wohltat.

Wie sagt ein altes Sprichwort: Die Faulen und die Dreisten schreien am meisten. Hinzuzufügen wären: die Dummen.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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