Leichtathletik:Zu früh zu zäh

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Der bange Blick zur Anzeigetafel und die Erkenntnis, dass es nicht gereicht hat: Für Johannes Trefz sind die Europameisterschaften als Solist bereits vorbei. (Foto: Axel Kohring/imago)

Während der deutsche Meister Johannes Trefz bei der EM in Berlin bereits im Vorlauf über 400 Meter scheitert, nimmt seine Münchner Klubkollegin Christina Hering die erste Hürde auf dem Weg ins 800-m-Finale.

Von Joachim Mölter, Berlin

Man hätte Johannes Trefz gar nicht zu fragen brauchen, wie er sich gerade fühlt. Es reichte zu sehen, wie der Zwei-Meter-Mann seinen Oberkörper ganz tief über die Absperrung beugte, die in den Katakomben des Berliner Olympiastadions die Athleten von den Journalisten trennt: Er war geknickt. "Das habe ich mir anders vorgestellt", sagte der deutsche 400-Meter-Meister von der LG Stadtwerke München am Dienstagmittag nach seinem Vorlauf bei den Europameisterschaften. 46,53 Sekunden, Platz sechs, das reichte nicht zum Weiterkommen. Ganz im Gegensatz zu seiner Klubkollegin Christina Hering, die sich wenig später über 800 Meter als Dritte ihres Vorlaufs in 2:01,57 Minuten für das Halbfinale an diesem Mittwoch qualifizierte (19.55 Uhr/ARD und Eurosport).

So weit wollte der 26 Jahre alte Trefz ursprünglich auch kommen, tags zuvor hatte er noch selbstbewusst erzählt, dass er sich auf mindestens drei 400-Meter-Rennen in Berlin eingestellt habe. Das ist zwar noch möglich, aber nur, wenn er jetzt zweimal in der 4×400-Meter-Staffel des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) eingesetzt wird, am Freitag im Vorlauf und im Idealfall am Samstag im Finale. "Da werde ich Vollgas geben und meine Sache besser machen", versprach er schon mal.

Der Biologiestudent hat seine Bestzeit über die Stadionrunde erst vor zwei Wochen bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg auf 45,70 Sekunden gesteigert, bei eher regnerischem, kühlem Wetter. In Berlin war es nun schon am Vormittag richtig heiß, aber damit habe er kein Problem, hatte Trefz vorher noch versichert: "Wir Sprinter mögen es lieber warm als kalt." Warum er bei den wesentlich besseren äußeren Bedingungen nicht in die Nähe seiner Bestmarke kam, konnte Trefz nicht erklären. "Es wurde viel zu früh viel zu zäh", resümierte er, "ich hatte schon bald das Gefühl, dass ich nicht so befreit laufen kann und nicht so mit Power, wie es mir sonst gelingt."

Auf der Bahn vor ihm war der Schweizer Joel Burgunder äußerst forsch losgerannt, aber davon hatte sich Johannes Trefz nicht beeindrucken lassen, sagte er. "Ich habe versucht, mein Rennen zu laufen und dann in der zweiten Kurve Druck zu machen", erzählte er, "aber genau da ging's nicht. Da war ich schon ein bisschen platt."

Wenn er schon ein Rennen in den Beinen gehabt hätte, hätte Johannes Trefz das ja verstanden, aber so? Da gehen ihm ja die Argumente aus, mit denen er vor dieser EM den 2016 eingeführten Modus kritisiert hatte, demzufolge auf den Sprintstrecken die besten Zwölf der Meldeliste die erste Runde überspringen dürfen und gleich fürs Halbfinale gesetzt werden. "Ein bisschen ungerecht, ein bisschen unfair", findet Trefz diese Regel, "weil manche Läufer dadurch eine größere Belastung haben." Sie bevorzuge Spitzenkräfte wie den Norweger Karsten Warholm, der bei diesen Titelkämpfen wohl kaum einen Doppelstart über 400 Meter und 400 Meter Hürden wagen würde, wenn er auf beiden Strecken auch noch die Vorläufe bestreiten müsste. "Ich habe nicht das Privileg, dass ich mich schonen kann", sagte Trefz und fügte hinzu: "Die besten vier Mannschaften dürfen bei der Fußball-WM auch nicht erst im Viertelfinale einsteigen." Dass Favoriten in der ersten Runde scheitern, gehöre überdies ja zum Reiz des Sports.

Diesem Schicksal entging der Titelverteidiger Martyn Rooney aus Großbritannien nur knapp; im selben Vorlauf wie Trefz kam der 31-Jährige gerade noch mit der schlechtesten Zeit aller Halbfinal-Qualifikanten weiter, in 46,27 Sekunden. Rooney ist im Übrigen ein Beispiel dafür, dass man es auch mit der Mehrbelastung eines Vorlaufs zum Europameister bringen kann - vor zwei Jahren in Amsterdam gelang ihm genau das. Johannes Trefz wusste das natürlich, aber das war ihm auch kein Trost. "Ich werde mir jetzt erst mal von allen Seiten Aufbauhilfe suchen", sagte der geknickte Mann, "und dann geht's wieder weiter."

© SZ vom 08.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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