Leichtathletik:Von Palmen zum Christbaum

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Einmal Dritter, einmal Erster, nebenbei verbesserte Dominik Idzan seinen bayerischen Rekord. (Foto: Claus Schunk)

Die Athleten des TSV München-Ost überzeugen beim Weihnachtskugelstoßen. Nur eine Besucherin aus Florida macht den Trainern etwas Sorgen.

Von Andreas Liebmann, München

Stade Zeit? Polter. Besinnlichkeit? Rumms. Gebäck und Kerzenschein? Krach. Stille Nacht? Schepper. Nein, es hätte wohl wirklich nicht gut zusammengepasst. Im Münchner Salesianum fand am Samstag vor Heiligabend eine Weihnachsfeier statt, ein Stockwerk unter jener altehrwürdigen kleinen Sporthalle, in der in all den Vorjahren die Athleten des TSV München-Ost ihr traditionelles Weihnachtskugelstoßen veranstaltet hatten. Um den Nachbarn diesen Polterabend zu ersparen, waren die Leichtathleten daher erstmals auf die andere Straßenseite gewechselt, in die größere, vereinseigene Zweifachhalle.

Es hatte also nichts damit zu tun, dass sich etwa der Wattenscheider Leonid Ekimov angekündigt hatte, mit einer Bestleistung im Freien von 19,43 Meter. Oder dass der TSV-Teenager Dominik Idzan, 15 Jahre jung, 1,96 Meter groß, insgeheim wohl auf seinen ersten 20-Meter-Stoß gehofft hatte, wie sein Trainer Andreas Bücheler vermutete. Nein, die alte Halle gegenüber wäre für solche Stöße immer noch lang genug gewesen. Und schon gar nicht hatte der Ortswechsel mit der Rückkehr von Selina Dantzler zu tun. Die ehemalige U-18-Weltmeisterin lebt und studiert seit diesem Sommer dank eines Stipendiums in Miami, Florida; über die Feiertage war sie erstmals wieder in der Heimat. Und man kann mit Sicherheit sagen: Auch für sie hätte die kleine Halle ausgereicht.

Gleich nach der Rückkehr war sie zu ihrer alten Trainingsgruppe gestoßen, trotz Jetlags, mit dem sie noch einige Tage lang zu kämpfen hatte - ebenso wie mit der Kälte. Weihnachten ist bekanntlich das Fest der Familie, und die Münchner Werfer haben sich schon auch immer als eine Art Familie verstanden. Im zu Ende gehenden Jahr war diese Familie allerdings ein bisschen kleiner geworden, als erst die mehrfache deutsche Jugendmeisterin Amelie Döbler mit gerade mal 19 ihre Karriere beendete und sich kurz darauf Dantzler für die University of Miami entschied. Dantzler absolvierte nun ihren ersten Wettkampf, seit sie fortgezogen ist. Denn in den USA findet der erste Block von Wettbewerben erst von Januar bis Mitte Februar statt, dann allerdings geballt. "Ich weiß noch nicht, ob ich mein ganzes Können zeigen kann", hatte sie zuvor angedeutet. Trainer Bücheler war etwas weniger zurückhaltend gewesen in seiner Prognose: "Ihr technischer Zustand ist nicht so, wie ich ihn mir erhofft hatte", sagte er. "Aber wir werden die Stellschrauben schon finden."

Dantzler ist ja nicht völlig verschwunden, sie zählt weiter zum Team, startet weiter für die LG Stadtwerke München. Gleich nach der Rückkehr musste sie hier zu medizinischen Untersuchen, die wichtig sind für die Bundeskader-Zugehörigkeit. Wenn alles läuft wie geplant, wird sie Ende Februar an den deutschen U-20-Hallenmeisterschaften teilnehmen. Das sei wichtig für die Teilnahme an einem U-20-Länderkampf, und etwa ab Mitte Juni plant die 18-Jährige dann für die restliche deutsche Freiluftsaison nach München zurückzukehren. Sie hoffe auf die Qualifikation für die U-20-EM in Boras, Schweden. "Training, Uni, Training, lernen, schlafen, dann alles wieder von vorn" - so sehen ihre Tage in Florida zurzeit aus, erzählt sie. Die Bilder, die sie gelegentlich in die Heimat postet, zeigen Palmen, Pools und Sandstrände, aber das täusche doch ein wenig. Es sei schon eine Umstellung gewesen, sagt sie, ihr Wirtschaftsstudium, ein anderer Kontinent, andere Sprache, anderer Trainer. "Am Anfang war es schwer, immer alles zu verstehen." Ihre Teamkolleginnen hätten ihr aber sehr geholfen, und ja: Sie fühle sich wohl in Miami. Auch Training und Lernen machten bei Sonnenschein mehr Spaß. Sportlich allerdings hat sie Nachholbedarf: Am Samstag kam sie auf 14,60 Meter, zwei Meter unter ihrer Bestleistung. "Eine Katastrophe", fand Bücheler.

Der deutsche Meister Dominik Idzan wurde in der Jugendklasse U16 nur Dritter, stellte mit 18,44 Meter aber einen neuen bayerischen Rekord auf; mit der schwereren Fünf-Kilo-Kugel erreichte er dann aber 18,34 Meter, was in der U-18-Wertung den Sieg bedeutete. Auch die 16-jährige Cassandra Bailey sei mit 16,26 Meter "superstark" gewesen, lobte Bücheler. Bei den Männern wiederholte Christian Zimmermann vom Kirchheimer SC seinen Vorjahressieg nach einer Technikumstellung mit 18,69 Meter - klar vor Robert Dippl und dem Favoriten Ekimov. 20 Teilnehmer mehr als im Vorjahr waren gemeldet, aus 16 Vereinen. "Langsam wird das ein richtiges Meeting", sagte Bücheler, sogar eine Lichtershow hatte er organisiert. Im nächsten Jahr allerdings wird auch die vereinseigene Halle zur Großbaustelle, denn auf deren Dach soll ab Februar eine weitere Dreifachhalle errichtet werden, für 11,5 Millionen Euro. Wohin das Weihnachtskugelstoßen dann ausweichen kann, ist unklar.

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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