Nein, sagt Jessica Lewerenz, an der Nudelparty wird sie nicht teilnehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Marathon-Teilnehmern, die ihre Nahrungsaufnahme am Abend vor dem Lauf gemeinsam zelebrieren, wird die 25-Jährige die letzten Stunden privat mit Freunden verbringen. Kohlenhydrate werden dennoch auf dem Speiseplan stehen, allein um ihrem Körper die nötige Energie für die 42 Kilometer lange Strecke zuzuführen.
Trotz ihres jungen Alters hat Lewerenz schon eine außergewöhnliche Karriere hinter sich. Bis vor zwei Jahren waren nicht die Straßen und Wege der Landeshauptstadt ihr sportliches Zuhause, sondern Bäder. Lewerenz war Leistungsschwimmerin, bis ihr schlicht die Zeit für den Sport ausging: "Das Training auf diesem hohen Niveau ist mir irgendwann zu viel geworden", erzählt sie. Also verschlug es die ambitionierte Schwimmerin zum Laufen, gleichwohl auf hohem Niveau und auch ziemlich zeitintensiv. Der Wechsel vom Wasser auf den Asphalt gelang ihr dennoch problemlos: Beim ersten Marathon 2012 in Berlin kam die gebürtige Hessin nach 3:14 Stunden ins Ziel. Es folgten vier Halbmarathons und zwei weitere Läufe über die komplette Strecke. Im vergangenen Jahr enteilte sie beim Halbmarathon in München dem Großteil der Konkurrenz und kam über 21 Kilometer als Zweite ins Ziel. Nur Natalia Soloveva war damals schneller: Sie unterbot damals den Streckenrekord der Frauen in 1:13:49 um mehr als fünf Minuten.
Vor gut einem Vierteljahr wurde Dieter Kloos, Trainer der LG Stadtwerke, bei einem Halbmarathon auf die Münchnerin aufmerksam. 1:24 Stunden empfand Kloos als gute Grundlage und nahm Lewerenz in sein Team. "Seitdem trainiere ich an sechs Tagen pro Woche in der Gruppe", sagt sie, "zuvor bin ich nur alleine mit Unterstützung meiner Mutter gelaufen."
Nun startet sie also in München über die volle Distanz. Im Rahmen der Veranstaltung vergibt der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) den Titel des Marathon-Meisters für die schnellsten deutschen Teilnehmer. Dabei erfolgt sowohl eine Einzel- als auch eine Teamwertung. Gemeinsam mit Bianca Meyer, die in der Vergangenheit schon mehrmals auf dem Podium stand, und Julia Scholz wird die Debütantin eine Mannschaft bilden, der Kloos eine gute Platzierung zutraut. Ganz oben auf dem Podest wird das Team stehen, das addiert am schnellsten war. Lewerenz hofft, ihr selbst gestecktes Ziel von "zwei Stunden und 50 bis 56 Minuten" zu erreichen und so ihren Teil zum Erfolg beizutragen.
Für die ambitionierte Läuferin ist es ein besonderes Rennen: "Die vielen Zuschauer am Rand, durch Schwabing und den Englischen Garten laufen, durch die Stadt, in der man lebt" - mit ihren Beweggründen dürfte sich Jessica Lewerenz kaum vom restlichen Feld unterscheiden. Mehr als 20 000 Menschen werden in diesem Jahr erstmals dabei sein, die Zahl könnte am Wochenende noch steigen; während der Sportmesse im Olympiapark sind Nachmeldungen für den Marathon und den Zehn-Kilometer-Lauf möglich.
Ausgebucht sind dagegen der Halbmarathon mit 7000 sowie die Staffel mit insgesamt 2400 Läufern. Schon jetzt steht fest: Die Zahl der Aktiven steigt seit der Neuauflage im Jahr 2000 stetig. Am Sonntagmorgen um zehn Uhr startet der Marathon an der Ackermannstraße, vier Stunden später der Halbmarathon am Rothof in der Weltenburger Straße. Wer die Strapazen auf den unterschiedlichen Strecken hinter sich gebracht hat, läuft durch das Marathontor ins Olympiastadion, in dem die Läufer die letzten 400 Meter absolvieren.
Bis dahin wird sich auch Jessica Lewerenz so vorbereiten, wie es viele tun: Sich erholen, viel schlafen, die Strecke im Kopf durchgehen. "Und am Morgen die berühmte Honig-Semmel und ein Müsli essen", sagt sie. Wenn die Nudelpartys schon ohne sie stattfinden.