Leichtathletik:Sturzgefahr

Lesezeit: 2 min

391 Läufer aus 15 Nationen waren am Start, darunter eine ganze Reihe deutscher Meister. Organisiert wurde das Rennen von 20 ehrenamtlichen Helfern. (Foto: Schunk)

Schon in seiner zweiten Auflage zählt der Olympia-Alm-Crosslauf in München zu den bestbesetzten Rennen hierzulande. Was auch die Probleme dieser Disziplin verdeutlicht

Von Alexander Mühlbach, München

Irgendwann ist es passiert. Irgendwann auf dieser 6600 Meter langen Cross-Strecke im Olympiapark ist Joseph Katib gestürzt. Weil er einen Moment nicht aufgepasst hatte und über einen Strohballen stolperte. Ausgerechnet er, der bekannt dafür ist, schwierige Strecken problemlos zu meistern. Mehrmals im Jahr bezwingt Katib im Höchsttempo ganze Berge, auf Schotterpisten, auf Waldwegen. Überall dort eben, wo man einen Fuß vor den anderen setzen kann. Katib ist deutscher Berglaufmeister. Im Olympiapark scheiterte er an einem Ballen Stroh.

"Für Katib war der Crosslauf mental sehr anstrengend", erklärt Wolfgang Stengel, der Veranstaltungsleiter des Olympia-Alm-Crosslaufs. 391 Teilnehmer aus 15 Nationen rannten am Sonntag durch den Olympiapark, darunter Richard Ringer, der deutsche Meister über 5000 Meter, der das Rennen auch gewann. Stengel freut sich darüber, dass die zweite Auflage des Crosslaufs so gut ankam. Sobald er aber über den Sturz redet, klingt er sehr sachlich, beinahe emotionslos. Und das, obwohl Katib mit einer Rippenprellung aufgeben musste, weil auch noch Martin Grau auf ihn fiel. Ausgerechnet Grau, der als deutscher Meister über 3000 Meter Hindernis gewohnt ist, Hürden zu überwinden. "Das ist eben der Crosslauf", sagt Stengel. Er soll die Läufer ja fordern, sie an ihre Grenzen bringen: auf unebenem Grasboden, mit vielen Anstiegen und etlichen Hindernissen. "Es gibt kaum Phasen, wo man sich entspannen kann, dadurch kommen Konzentrationsfehler zustande", erklärt Stengel: "Nur so wird man als Läufer besser. In der Kraft, in der Ausdauer und in der Koordination."

Stengel könnte vermutlich stundenlang darüber referieren, wie gut er all das findet. Er war selbst Leichtathlet, aktiv auf der 400-Meter-Strecke, und er weiß, dass man als Läufer in den Herbst- und Wintermonaten nur besser wird, wenn man sein Training umstellt. Weg vom ewigen Rundenzählen im Stadion, hin zu mehr Wald- und Crossläufen. Dabei ist der Crosslauf in Deutschland gerade unter den Top-Läufern nicht allzu beliebt - was vor allem an einem strukturellen Problem liegt. Pro Jahr gibt es gerade mal drei hochwertige Crossläufe in ganz Deutschland: in Pforzheim, in Darmstadt und die deutschen Crossmeisterschaften, die jedes Jahr an wechselnden Orten vom Deutschen Leichtathletikverband ausgetragen werden. Meistens weit weg von Städten, auf irgendeinem Feld, wo die Leute sowieso kaum etwas davon mitbekommen. Im Ausland nimmt die Popularität hingegen zu. In den USA gibt es jedes Wochenende Hunderte Crossläufe. Im niederländischen Tilburg kommen jedes Jahr Tausende Läufer für ein Rennen zusammen. Hierzulande nicht. "Viele deutsche Läufer zieht es im Winter in Trainingslager", sagt Stengel, "oder aber sie ziehen die Hallensaison vor". Dorthin also, wo mehr Zuschauer sind.

Stengel will das ändern. Vor einem Jahr organisierte er den ersten Crosslauf im Olympiapark, holte den Laufsport zurück in die Stadt. Er knüpfte Kontakte zu vielen deutschen Spitzenläufern, versuchte diese mit einer ansprechenden Strecke und einem guten Teilnehmerfeld nach München zu locken. Was laut Stengel alleine nicht ausreicht. Deswegen hält er das ganze Jahr über Kontakt zu den Athleten, tauscht sich aus, gratuliert ihnen zu guten Leistungen. Bloß nicht in Vergessenheit geraten, zwischen all den anderen Leichtathletik-Angeboten.

Inzwischen macht sich das bezahlt. Ringer sagt, dass der Münchner Crosslauf ein "super Event" sei. Grau wünscht sich sogar, dass es mehr solcher Läufe hierzulande gäbe, sonst muss er immer so weit ins Ausland fahren. Aber ob das reichen wird? Wie alle Sportveranstalter kämpft auch Stengel um Sponsoren, er stemmt die Veranstaltung mit gerade einmal 20 ehrenamtlichen Helfern. Und trotz aller Schwierigkeiten will er nicht aufgeben, das erste Treffen für "die Vorbereitung für das nächste Jahr" stehe schon an, sagt er. Sein Crosslauf soll so schnell nicht ins Straucheln geraten.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: