Leichtathletik:Landeanflug auf Berlin

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Die Athleten der LG München präsentieren sich bei einem Länderkampf in EM-Form.

Von Andreas Liebmann, München

Für Walter Marty war das damals eine große Sache. Als erster Leichtathlet übersprang er die 2,05 Meter, sogar noch einen Zentimeter höher: Weltrekord. Lucas Mihota muss sich also nicht schämen für diese Höhe, die er Ende vergangener Woche bei der U-20-Weltmeisterschaft im finnischen Tampere meisterte, sogar im ersten Versuch. 2,05 Meter, das ist ja doch höher als ein durchschnittlicher Türstock. Aber Walter Marty, auch das gehört zur Wahrheit, überwand diese Höhe in Palo Alto, Kalifornien (alto bedeutet lustigerweise "hoch") am 28. April 1934, er warf seinen Körper damals noch mit einer verwegenen Technik namens Tauchroller über die Latte, und derart neumodischen Schnickschnack wie Schaumstoffmatten gab es sowieso noch nicht. Kurzum: Mihota, der ehemalige U-18-Europameister von der LG Stadtwerke München, war natürlich alles andere als zufrieden mit dieser Höhe, mit der er bereits in der Qualifikation ausschied. Zumal seine Bestmarke bei 2,23 Meter liegt, einer Höhe, die dem Griechen Antonios Merlos im Finale von Tampere am Samstag zum Sieg verhalf.

So endete die U-20-WM in Finnland ohne eine Medaille für die LG Stadtwerke. Arne Leppelsack nahm am Sonntag an der deutschen 4×400-Meter-Staffel teil, die Sechste wurde, und die U-18-Kugelstoß-Weltmeisterin Selina Dantzler war bereits einige Tage zuvor Vierte geworden. Bei ihrem ersten Großereignis mit der schwereren Kugel, als eine der Jüngeren im Feld und nur wenige Wochen nach abgelegtem Abitur konnte sie mit dem zweitbesten Stoß ihrer Laufbahn auf 16,20 Meter zufrieden sein, auch wenn sie noch "auf einen Ausrutscher nach oben" gehofft habe.

Mihota blieb am weitesten unter seinen Möglichkeiten, doch auch dafür gab es Gründe: Mehrere Fußverletzungen hatten den 19-Jährigen zuletzt zurückgeworfen. Die Sprungkraft war zwar wieder da, nicht aber das Timing. "Mir fehlt das Gefühl fürs Fliegen", bilanzierte er enttäuscht.

Allerdings hatte die Münchner Leichtathletik-Gemeinschaft ihre Athleten am vergangenen Wochenende bei zwei internationalen Ereignissen im Einsatz, das andere war ein Acht-Länder-Kampf namens Athletics World Cup in London. Hier stachen die Münchner positiv heraus aus dem deutschen Team, das bei der Premiere dieses Wettkampfs Rang sechs belegte. Die 800-Meter-Läuferin Christina Hering wurde mit einer Zeit von 2:01,86 Minuten Vierte, der 400-Meter-Läufer Johannes Trefz belegte mit der Staffel Rang drei. Beide sind bereits für die Europameisterschaft in Berlin nominiert worden. Die dafür nötige Norm hat auch Hochspringer Tobias Potye schon zweimal erfüllt, mit Sprüngen über 2,27 Meter und 2,26 Meter. Allerdings muss Mihotas 23-jähriger Trainingspartner noch darauf hoffen, in der letzten Nominierungsrunde vom Deutschen Leichtathletik-Verband berücksichtigt zu werden. Ausschlaggebend dafür werden die deutschen Meisterschaften am kommenden Wochenende sein. Potyes Auftritt in Tampere dürfte ihm gewiss nicht zum Nachteil gereicht haben. Mit übersprungenen 2,24 Meter wurde er Dritter hinter dem US-Amerikaner Jeron Robinson, der bis einschließlich 2,30 Meter jede Höhe im ersten Versuch genommen hatte, und dem Chinesen Yu Wang (2,27 m). Münchens Hammerwerfer Johannes Bichler, der ebenfalls noch auf eine Nominierung für die Heim-EM in Berlin (7. bis 12. August) hofft, belegte mit 69,82 Metern Rang fünf.

Ein Münchner, für den es am Wochenende ebenfalls um viel gegangen wäre, fehlte in London. Der 400-Meter-Hürdenläufer Tobias Giehl, 26, stand zwar im 44-köpfigen Aufgebot des DLV, doch er war wenige Tage zuvor im Training gestürzt. "Ich bin mit einem Bein am anderen hängen geblieben, das kommt vor", sagte er. Weil hinter Hürden bis heute keine Schaumstoffmatten liegen, quetschte sein Körper beim Sturz die linke Hand, berichtete Giehl aus dem Krankenhaus - wo er am Montag operiert wurde. Ein Handwurzelknochen war gebrochen. "Für so etwas gibt es keinen guten Zeitpunkt", sagte Giehl - "aber sicher auch keinen schlechteren." London wäre seine vorletzte Chance gewesen, die Norm für Berlin zu erreichen, nachdem er sich nach einer einjährigen Pause wegen einer Hüftoperation gerade wieder an die nationale Spitze herangekämpft hatte. Nun bleibt ihm noch die deutsche Meisterschaft am kommenden Wochenende, der Eingriff sollte ihn dann kaum noch behindern. Giehl bleibt optimistisch. Die Trainingsleistungen seien zuletzt sehr gut gewesen. Nach dem Sturz habe er zunächst Beine und Hüfte überprüft, und als ihm alles in Ordnung schien, habe er noch einen Lauf bestritten - "den schnellsten in diesem Jahr". Er hat sein Großereignis noch nicht aufgegeben.

© SZ vom 17.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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