Leichtathletik:Handgemachte Erfolge

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Die einzige Münchner WM-Teilnehmerin 2017: Christina Hering bei ihrem 800-Meter-Halbfinallauf in London. (Foto: Sebastian Wells/Imago)

Die Münchner LG belegt zum zweiten Mal in Folge Rang zwei in der nationalen Bestenliste. Ihre Kooperation mit den Stadtwerken als wichtigstem Förderer ist für zwei weitere Jahre gesichert.

Von Andreas Liebmann, München

Am Ende stand ein Blatt Papier voller Zahlen, und die Zahlen sahen gut aus. "Wir können mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein", urteilte Geschäftsführer Christian Gadenne, dessen LG Stadtwerke München gleich in der zweiten Zeile dieser Tabelle aufgeführt wird. In der ersten steht Bayer Leverkusen, wie jedes Jahr seit Einführung dieser Statistik. Wer das so interpretieren mag, darf nun also sagen: Die Münchner waren im vergangenen Jahr die zweiterfolgreichste Leichtathletik-Gemeinschaft Deutschlands, wie schon 2016.

Natürlich ist das nicht ganz korrekt. Es gibt andere deutsche Vereine, die gelegentlich Welt- und Europameister hervorbringen, sogar Olympiasieger. Die LG Stadtwerke hatte bei den zurückliegenden Weltmeisterschaften in London nur eine einzige Starterin dabei, Christina Hering, die über 800 Meter auf den letzten Drücker nachnominiert worden war und ins Halbfinale kam. Ansonsten haben die Münchner in Selina Dantzler eine U-18-Weltmeisterin im Kugelstoßen gefeiert. Doch um absolute Spitzenleistungen geht es auch nicht in der so genannten Bestenliste des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV). Eher um eine Art Breite an der Spitze. Erfasst wird, wie viele Athleten jedes Klubs in den Jahresbestenlisten der zurückliegenden Freiluftsaison auftauchen, von der Altersklasse der Unter-16-Jährigen bis zu den Erwachsenen. Für jeden Eintrag - egal ob auf Rang eins oder 30 - gibt es je einen Punkt.

Die Nachwuchsarbeit funktioniert. Forciert werden soll künftig die Darstellung in der Öffentlichkeit

Bemerkenswert ist es dennoch, dass die Nummer zwei dieses nationalen Rankings in Bayern sitzt, einem Bundesland, das aktuell keinen einzigen der mehr als 30 Olympiakaderathleten stellt. 211 Punkte haben die Münchner gesammelt, zwölf weniger als im Vorjahr, dennoch ist ihr Rückstand auf Leverkusen sogar geschrumpft. Als einzige haben sie in allen zehn erfassten Klassen zweistellig gepunktet, das spricht für ihre kontinuierliche Nachwuchsarbeit. Dass es gar nicht so leicht ist, diesen zweiten Rang stabil zu verteidigen, zeigt die Liste der Verfolger: Dortmund auf Rang drei und der SV Halle auf vier waren im Vorjahr noch 11. und 13. Die bisherigen Verfolger Wattenscheid und Düsseldorf sind dagegen auf Rang fünf und zehn abgerutscht.

Bis es zu diesem Blatt Papier kam, dauerte es eine Weile. Üblicher Weise erscheint die Liste Anfang Dezember, diesmal war sie einen Monat später fertig. Sie wird per Hand erstellt, vom DLV-Chefstatistiker Eberhard Vollmer, der seit November Jahrgang um Jahrgang auswertete und veröffentlichte. Ein Aufwand, der Gadenne fassungslos macht und der wohl ein Grund dafür war, dass der Verband 2017 (zur Verärgerung vieler Läufer) keine Mannschaftsbestenlisten im Langstreckenbereich mehr führte. Eine zeitgemäße, einheitliche EDV, um alles mit einem Mausklick zu erledigen, ist offenbar nicht in Sicht. Für Quereinsteiger Gadenne, der aus seiner Zeit im Basketball weiß, wie dort selbst jeder Fehlwurf in Echtzeit statistisch erfasst wird, ist das kaum nachvollziehbar. Es deckt sich etwa damit, dass noch immer jeder Verein zu allen Meisterschaften die Startgebühren bar entrichten muss, was für Großvereine einen erheblichen Aufwand darstellt.

Womit man beim Zustand der Leichtathletik im Allgemeinen wäre. Gadenne erzählt, wie sein Vorgänger Christopher Franke vor einigen Jahren hundert lokale Unternehmer angeschrieben habe, um Sponsoren zu finden, 75 Prozent der Antwortenden hätten "kein Interesse", das restliche Viertel "derzeit kein Interesse" bekundet. Und das Image der Leichtathletik sei ja seitdem "nicht besser geworden", sagt Gadenne. Da gehe es um zeitgemäße Präsentation ebenso wie um die Doping-Problematik. Er selbst sieht es im Kleinen, wie unnötiger Verwaltungsaufwand Zeit und Ressourcen fresse, die der Suche nach Unterstützern und der Öffentlichkeitsarbeit gewidmet werden könnte. Trotzdem müsse beides im neuen Jahr dringend vorangebracht werden, sagt er, inklusive der Pflege sozialer Medien - ohne dass man dafür neue Ressourcen schaffen könne. "Sonst müssten wir dem Sport Geld wegnehmen", erläutert Gadenne. Er baut stattdessen auf die Hilfe der Trainer, die mehr von Wettkämpfen ihrer Athleten berichten sollten.

Das klingt ähnlich handgemacht wie die Bestenlisten des DLV. Im Vergleich steht Münchens Leichtathletik-Gemeinschaft dennoch gut da, in der Bestenliste übrigens auch weit vor den nächsten bayerischen Vertretern Regensburg und Fürth auf den Rängen 17 und 23. Das liegt sehr wesentlich an der Unterstützung durch die Stadtwerke als Geld- und Namensgeber. Vor einiger Zeit wurde diese Kooperation zu gleichen Konditionen bis Ende 2019 verlängert. "Das ist alles andere als selbstverständlich", weiß Gadenne, "ihr Engagement war die Initialzündung für unsere Entwicklung". Wobei sich eine Menge verändert habe in den zurückliegenden Jahren, erklärt er: von der Anfangszeit, in der eine GmbH auf die Strahlkraft prominenter Namen setzte wie Tim Lobinger oder Kamghe Gaba, denen man ein ordentliches Auskommen verschaffte, hin zu Stipendien und nachhaltigen Förderstrukturen vor Ort. "Wir können gar nicht genug wertschätzen, dass wir einen so zuverlässigen Partner haben, der uns durch alle Zeiten hindurch so wohlwollend unterstützt", findet Gadenne. Vor elf Jahren begann die Zusammenarbeit zwischen den Stadtwerken und diesem Konstrukt aus inzwischen elf Münchner Vereinen. Seither ging es auch in der DLV-Bestenliste stetig bergauf. 2007 rangierten die Münchner dort noch auf Rang 36. Ganz knapp hätten sie es damit auf dieses DIN-A4-Blatt geschafft, allerdings ganz weit unten.

© SZ vom 10.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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