Leichtathletik:Gold ohne Glanz

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Der Münchner Speerwerfer Jonas Bonewit war schon in den Altersklassen U18 und U20 deutscher Meister, nun hat er auch in der U23 den Titel gewonnen. Doch er ist unzufrieden. In Wettkämpfen lässt ihn seine Technik immer wieder im Stich. Wie auch jetzt in Wattenscheid. Dabei hat er große Ziele

Von Andreas Liebmann, München

Es dürfte in der Geschichte des Sports schon deutsche Meister gegeben haben, die euphorischer klangen. Jonas Bonewit vollführt gerade eine ulkige Bewegung mit seiner rechten Hand, um zu erklären, was diesmal schiefging. Ein Problem mit der Technik. "Körperlich habe ich mich frisch gefühlt, daran lag es nicht", sagt er und wirkt ein wenig ratlos. Wüsste man es nicht genau, man würde jetzt wohl nachfragen, ob er denn etwa nicht gewonnen habe. Aber er hat. Jonas Bonewit ist am Sonntag in Wattenscheid deutscher Speerwurf-Meister der Altersklasse U23 geworden. Nun sitzt er auf einem niedrigen Sofa in einem Nebenraum der Werner-von-Linde-Halle und sagt mit leicht ironischem Lächeln: "Vielleicht kann ich mich ja irgendwann noch mit dem Titel anfreunden."

Es ist dampfig in der Halle. Kurz vor Mitternacht war Bonewit tags zuvor heimgekehrt, nach sieben Stunden im Auto. Am Vormittag hat er wieder trainiert, Sprung-und Sprintübungen für die Schnellkraft. Alleine, wie jeden Vormittag. Sein Trainer Stephan Seeck hat abends für ihn Zeit. Für ihn sei es ein Durchgangsjahr, erzählt der Sportstudent, der in einigen Tagen 21 wird: zwischen einer U23-EM, bei der er nur Ersatz war, und der nächsten, für die er sich viel vorgenommen hat. Demnächst finden zwar Olympische Spiele statt, doch die sind für Bonewit unerreichbar. Fünf deutsche Speerwerfer haben die Qualifikationsnorm von 83 Metern überboten, drei dürfen nur antreten. Einer davon, Julian Weber, ist auch erst 21, er wirft zurzeit etwa zwölf Meter weiter als Bonewit. Weil Weber Wattenscheid ausließ, hatte sich Bonewit diesen Meistertitel fest vorgenommen, "diesen Anspruch hatte ich". Es klappte ja auch. Allerdings nur mit 71,89 Meter, fast fünf Meter unter seiner Bestweite und nur knapp vor drei Konkurrenten. Erst der fünfte Wurf brachte den Sieg. Deshalb war der Münchner eher enttäuscht.

Die ganze Saison läuft nicht rund. Bonewits Bestweite stammt aus dem Vorjahr, und auch da war er nicht zufrieden, auch da hatte er ständig technische Probleme. "Da war ich frustriert, weil ich nur Ersatz war bei der EM", sagt er, "deshalb war ich dann in den Wettkämpfen verkrampft." Doch das sei er in diesem Jahr nicht, und trotzdem bringe er selten das, was er sich im Training erarbeitet, im Wettkampf zur Geltung. "Beim Anlauf denke ich noch an etwas, das ich umsetzen will, und dann bekomme ich es doch nicht hin", sagt er. "Vielleicht bin ich da noch nicht cool und abgeklärt genug." Und dann sei es eben mühsam, wenn ihm alle Trainer versicherten, es hapere nur noch an Kleinigkeiten. Weil eben schon eine dieser Kleinigkeiten im technisch so komplizierten Speerwurf sieben, acht Meter Unterschied bedeuten könne. "Das ist Fluch und Segen zugleich", sagt Bonewit. Einerseits fasziniere ihn genau das, andererseits sei es frustrierend, wenn er dann in der Videoanalyse sehe, dass er mit dem Kopf am Ende doch wieder nach unten geblickt und sich damit "kleingemacht" habe, was sämtliche Winkel verändert, den zwischen Abflug- und Anstellwinkel des Speers, den zwischen Hüft- und Schulterachse. "Körperlich bringe ich genug mit", glaubt Bonewit, umso bedauerlicher sei es, "dass es dieses Jahr kein einziges Mal richtig geklappt hat." Ein richtig guter Wurf hätte ihm Auftrieb gegeben.

Dabei hat der Zwanzigjährige gerade ein Triple geschafft: In der U18, in der U20 und nun in der Altersklasse U23 ist er jeweils deutscher Meister geworden. Außerdem war er Vierter bei der U20-Weltmeisterschaft 2014. "Er ist groß, schnellkräftig, koordinativ begabt und hat lange Arme", zählt Trainer Stephan Seeck Bonewits Vorzüge auf, deretwegen er ihm durchaus zutraut, ganz an die deutsche Spitze zu gelangen. Selbst bei den Topwerfern gebe es das Phänomen, dass sie im Wettkampf zu viel Kraft einsetzten. "Beim Einwerfen sieht man die besten Würfe", sagt Seeck. Nur bei Bonewit sei die Diskrepanz zwischen Training und Wettkampf auch für seinen Geschmack viel zu groß. "Er ist unglaublich konsequent und willensstark", sagt Seeck, "manchmal vielleicht zu ungeduldig." Er habe im Training "noch keine zehn Einheiten gefehlt", seit er ihn vor knapp sieben Jahren übernommen habe. Damals habe er den Teenager in einem Wettkampf gesehen, ihn angerufen und zum Training eingeladen, aber ein halbes Jahr lang sei er sich dann gar nicht sicher gewesen, ob diese Idee gut war. Bonewit war damals gerade auf etwa 1,85 Meter in die Höhe geschossen, bei nicht einmal 60 Kilogramm Gewicht: "Wahnsinnig lang und dürr", sagt Bonewit selbst. 2012, als er dann ausgewachsen war und athletisch stärker, wurde er fast aus dem Nichts deutscher Meister. Und Seeck ist sich längst sicher, dass seine damalige Idee ausgezeichnet war.

Vielleicht will er später mal als Sportjournalist arbeiten, erzählt Bonewit, so wie sein Opa. Sein aktuelles Studium laufe dennoch eher nebenher. "Ich habe den Sport vorangestellt", sagt er, "auch wenn das ein Risiko ist." Seine drei Trainingslager hat er weitgehend selbst gezahlt, auch weil er eine Norm für die Sportförderung verpasst hat. Er will sich nun einen verlässlichen Wurfstil erarbeiten, im Wettkampf lockerer werden. Dass ihn sein Werdegang in eine Disziplin verschlagen hat, in der vier der aktuell fünf Jahresbesten aus Deutschland kommen, stört ihn gar nicht: "Ich sehe das als supertolle Situation: Man kann sich an die anderen dranhängen, sieht, wie sie trainieren, und weiß: Wenn ich es mal an die deutsche Spitze schaffe, dann bin ich auch in der Weltspitze angekommen."

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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