Leichtathletik:Ganz gelassen zu Gold

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Nur drei Zentimeter unter seiner Bestweite: Mit 71,67 Meter sicherte sich Johannes Bichler von der LG Stadtwerke München in Nürnberg den Titel. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Münchner Hammerwerfer Johannes Bichler wird erstmals deutscher Meister, Christina Hering und Johannes Trefz verteidigen ihre Titel.

Von Joachim Mölter, Nürnberg

Unter all den bunten Disziplinen der Leichtathletik fristet das Hammerwerfen ein bescheidenes Dasein: Es ist noch dabei, aber schon lange nicht mehr mittendrin. Die Wettkämpfe mit der 7,26 Kilogramm schweren, an einem 1,22 Meter langen Draht befestigten Kugel werden immer häufiger ausgelagert, auf Nebenplätze, wo es nicht so schlimm ist, wenn der Rasen kaputt geht. Und falls die Hammerwerfer doch mal auf den Hauptplatz dürfen, dann wird ihr Wettbewerb vorgezogen im Zeitplan, wenn noch nicht so viel Betrieb auf der Bahn ist und die Kugel niemandem gefährlich werden kann.

Auch wenn die Hammerwerfer bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg schon am Sonntagmittag in den Ring steigen mussten, hat Johannes Bichler den Wettkampf genossen - er fand ja immerhin im Inneren des Frankenstadions statt, mit mehr Zuschauern auf den Tribünen als sie gewohnt sind. Kurzum: "Es war eine super Stimmung", wie der Athlet von der LG Stadtwerke München fand. Zu seinem positiven Eindruck trug sicher bei, dass er bei dieser Gelegenheit erstmals deutscher Meister wurde.

Bichler, einst als Student nach München zur LG gekommen und inzwischen wieder wohnhaft in Rohrdorf (Kreis Rosenheim), war als bester deutscher Hammerwerfer dieser Saison nach Nürnberg gereist, mit 70,93 Meter. Als Jahresbester durfte er auch den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) vor einer Woche beim World Cup in London repräsentieren, einem Acht-Länder-Kampf. Bei dem belegte er mit 69,82 Meter Platz fünf und genoss schon mal die Atmosphäre in einem großen Stadion. "Die Stimmung in London war auch schön", erzählte er, "aber für mich war die deutsche Meisterschaft wichtiger, weil ich mal deutscher Meister werden wollte."

Er habe sich gut gefühlt, erzählte der Bauingenieur, der aktuell ohne Coach zurechtkommt. In der Gegend, aus der er stammt, ist ein regelrechtes Hammerwerfer-Nest, zu finden beim SV Achenmühle im Nachbarort. Dort werden seit Jahrzehnten gute Werfer ausgebrütet, "im Dorf hat jeder mal den Hammer geworfen", erzählt Bichler. So kam auch er fast zwangsläufig zu dieser komplizierten Disziplin. Jedenfalls hat er sich selbst gut vorbereitet, wie er findet: "Im Training sind die Hämmer nur so geflogen."

Aber der Wettkampf verlief dann erst einmal zäh, sein ärgster Widersacher, der für den Allgäuer Klub TV Hindelang startende Tristan Schwandke hatte ihn mit einem 70-Meter-Wurf beeindruckt. "Im Vorkampf habe ich schon gedacht, das wird wieder so ein zweiter, dritter, vierter Rang" - seine Platzierungen in den vergangenen Jahren. Aber dann besann sich der Linkshänder doch noch seiner Stärken: Im fünften Durchgang übernahm Bichler die Führung mit 71,67 Meter - nur drei Zentimeter unter seiner Bestweite aus dem vorigen Jahr. Was durchaus bemerkenswert ist: Im Winter hatte er unter einem Außenbandriss am rechten Fuß gelitten, dem sogenannten Drehbein, das bei der Rotation im Ring den meisten Druck aushalten muss.

Abgesehen vom neuen Meister Bichler hatte die Münchner Leichtathletik-Gemeinschaft noch zwei erfolgreiche Titelverteidiger am Start, Johannes Trefz, 26, über 400 und Christina Hering, 23, über 800 Meter. Trefz hatte sich in dieser Saison bereits auf 45,76 Sekunden verbessert und steigerte sich im Endlauf erneut auf 45,70. Das reichte zum dritten Titelgewinn nacheinander; für die EM in Berlin (6. bis 12. August) war er schon vorher nominiert worden, ebenso wie Hering, die sich in 2:01,56 Minuten - einer knappen Sekunde über ihrer Saisonbestzeit - sogar schon ihren vierten Titel holte.

Johannes Bichler wird trotz seines Meistertitels nicht nach Berlin fahren, er ist von der erforderlichen Weite noch ein Stück entfernt: 75,50 Meter verlangt der DLV für die EM-Nominierung. "Ich bin erst 28 und habe noch ein bisschen was vor mir", sagte Bichler am Sonntag gelassen: "Ich denke schon, dass ich noch mal international starte." Dann wieder mal in einem großen Stadion.

© SZ vom 23.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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