Leichtathletik:Etwas in die Breite gegangen

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Das Munich Indoor leidet unter der Absenz zahlreicher heimischer Top-Athleten, die bei besser besetzten Meetings an den Start gehen. Die Organisatoren wollen den Fokus deshalb in den kommenden Jahren wieder mehr auf den Leistungssport legen

Von Philipp Jakob, München

Christian Zimmermann steht mit gesenktem Kopf vor dem Wurfring, sein Blick ist auf den Boden gerichtet, er ist hoch konzentriert. Ein letztes Mal atmet er tief durch. Zimmermann betritt den Ring, legt eine 7,26 Kilogramm schwere Kugel an seinen Hals und holt Schwung. Statt eines kraftvollen "Forza" wie bei den Versuchen zuvor entfährt dem 2,13-Meter-Hünen bei diesem Stoß aber nur ein "Mann, Mann, Mann". Zimmermann ist unzufrieden. Es läuft einfach nicht für den Kugelstoßer des Kirchheimer SC. "Technisch ist das nicht gut", sagt der 22-Jährige selbstkritisch. An diesem Samstag fliegt seine weiteste Kugel 17,91 Meter weit, damit liegt er gut 70 Zentimeter unter seinem Bestwert und weit entfernt von den 19 Metern, die er sich für diese Saison als Ziel gesetzt hat.

Für den Sieg beim Munich Indoor in der Werner-von-Linde-Halle reicht es aber trotz dieser für ihn eher enttäuschenden Leistung. Das liegt einerseits daran, dass sein ärgster Verfolger Dennis Edelmann von der LG Augsburg an diesem Tag "schiebt wie ein gewalttätiger Ochse" (die Aussage seines Trainers) und nur auf 16,54 Meter kommt. Andererseits fehlt ein Großteil der Konkurrenz, da sieben Athleten des Wurfteams München bei einem Meeting in Sachsen an den Start gehen statt im Olympiapark die Kugeln durch die Luft zu stoßen. Auch in anderen Disziplinen fehlen einige Top-Athleten. Christina Hering zum Beispiel, Olympia-Starterin über 800 Meter, befindet sich bei einem hochklassig besetzten Meeting in Karlsruhe. Andere Sportler sind auf Lehrgängen oder in Trainingslagern.

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(Foto: Claus Schunk)

Ein "Sportfest, in dem der Leistungs- und auch der Nachwuchssport integriert ist", sei das Munich Indoor, sagt Organisator Reinhard Maier. Gute Leistung gab es unter anderem von den Sprinterinnen des TuS Pfarrkirchen,...

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(Foto: Claus Schunk)

...LG-Weitspringerin Elena Pagliarini...

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(Foto: Claus Schunk)

...oder Kugelstoßer Hubert Reiser (TSV Schleißheim).

Kein Wunder, dass sich Aauri Lorena Bokesa bei den 400 Metern der Frauen etwas einsam fühlt. Auch Bokesa war bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro am Start, für Spanien. Ihre Meldezeit beim Munich Indoor war ganze fünf Sekunden besser als die der Konkurrenz. Dementsprechend deutlich gewinnt Bokesa, die seit diesem Jahr für die LG Stadtwerke München antritt, das Rennen in 54,63 Sekunden. Nach 58,27 Sekunden kommt Carolina Petran von Union Salzburg als Zweitplatzierte ins Ziel. "Es ist schon kompliziert, deine Zeit zu halten, wenn du vorne alleine läufst", erklärt Bokesa nach ihrem deutlichen Sieg. Zufrieden ist auch sie nicht, "die ersten 200 Meter waren zu schnell." In der kommenden Woche steht für die 28-Jährige ein internationales Meeting in Wien auf dem Programm - dort wird deutlich mehr Konkurrenz am Start sein.

Nach dem Wunsch von Reinhard Maier, dem Organisator des Munich Indoor, sollen auch in München in den kommenden Jahren mehr Top-Athleten antreten. "Es ist schon ein bisschen schade, dass unsere eigenen Top-Leute wie Hering nicht da sind", sagt der Leichtathletik-Abteilungsleiter beim TSV Forstenried, einem Mitgliedsverein der LG Stadtwerke München. "Wir wollen die Veranstaltung in den nächsten Jahren wieder in den Leistungssportbereich forcieren." Höhere Kosten für die anspruchsvolleren Sportler nimmt er dafür gerne in Kauf. In diesem Jahr präsentierte sich das Munich Indoor aber noch als "Sportfest, in dem der Leistungs- und auch der Nachwuchssport integriert ist", sagt Maier.

Überzeugte beim Stabhochsprung: Noah Kollhuber (LG Stadtwerke). (Foto: Claus Schunk)

Insgesamt 673 Sportlerinnen und Sportler waren in der vollgepackten Werner-von-Linde-Halle am Start. "Das ist eine Größenordnung, die man gerade noch so schaffen kann", sagt Maier, der in der Vergangenheit auch schon Wettkämpfe für 850 Athleten organisieren musste. "Unhändelbar" sei das damals gewesen. Dieses Jahr ist Maier aber sehr zufrieden mit der Veranstaltung, auch in sportlicher Hinsicht. Denn auch wenn vielleicht der ein oder andere Star fehle, "es sind schon einige Top-Leistungen dabei".

Unter anderem präsentiert sich Pedro Garcia-Fernandez in guter Form. Vor wenigen Tagen verteidigte der Spanier noch seinen Titel als deutscher Hochschulmeister über die 60 Meter Hürden, beim Munich Indoor gewinnt er seine Spezialdistanz locker in 8,02 Sekunden. Oder Tobias Schneider. Der 24-Jährige von der LG Stadtwerke siegt im Finale über 60 Meter in 6,87 Sekunden. Dabei habe er sich gar nicht auf den Wettkampf vorbereitet. Eigentlich liege sein Fokus aktuell auf dem Bobsport, den er im vergangenen Jahr für sich entdeckt hat. "Dass es so gut läuft, war nicht abzusehen", sagt Schneider und wundert sich bei aller Freude ein wenig: "Eigentlich habe ich ja nur zum Spaß teilgenommen."

© SZ vom 06.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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