Leichtathletik:Er will nur laufen

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Ein Australier in München: Samuel Blake, 24, bei den bayerischen Titelkämpfen in der Werner-von-Linde-Halle wie man ihn kennt: Vor dem Feld der Konkurrenten. (Foto: Claus Schunk)

Der australische Mittelstreckenläufer Samuel Blake kam nach München, um zu studieren, die Sprache zu lernen und wegen der vielen Leichtathletik-Meetings. Bei einem wurde er gerade bayerischer Meister.

Von Oliver Götz, München

Das schönste an München? "Dass es so deutsch ist", sagt Samuel Blake. Wenn ihn Freunde aus Australien besuchten, dann "essen wir Weißwurst mit Brezeln, gehen in einen Bierkeller, fahren in die Berge oder schauen uns diese ganze alte Architektur an". Dinge, die den Studenten der Technischen Universität München (TUM) in steter Regelmäßigkeit daran erinnern, dass er nun schon seit fast eineinhalb Jahren "in einem anderen Land" lebt. Neben der Tatsache, dass sich hierzulande auch in großen Sporthallen über Kunststoffbahnen laufen lässt. "So etwas haben wir nicht in Australien."

Laufen, das ist das, was Samuel Blake macht, wenn er gerade keine Freunde zu Besuch hat und versucht, diesen ein bisschen bayerisches Lebensgefühl beizubringen. Er macht das sogar so gut, dass er gleich bei seinem ersten Indoorwettkampf, den bayerischen Hallenmeisterschaften im vergangenen Jahr, den Sieg über seine Paradedisziplin, die 800 Meter, holte. Auf einen Schlag wurde der 24-Jährige Australier zu einem wichtigen Athleten für seinen neuen Verein, die LG Stadtwerke München. Und das ist er seither geblieben, was er bei den bayerischen Hallenmeisterschaften in diesem Jahr erneut eindrucksvoll unter Beweis stellte. Sowohl über die 800 Meter, als auch über die 1500 Meter war er in der Münchner Werner-von-Linde-Halle schnellster Mann, wurde jeweils bayerischer Meister. Über die längere Distanz gewann er sogar mit mehr als zwölf Sekunden Vorsprung vor dem Zweitplatzierten Martin Weinländer vom LSC Höchstadt/Aisch.

Über die 3000 Meter-Distanz kam er zudem als Vierter ins Ziel. "Ab der Hälfte wurden die Beine schwer", sagte er im Anschluss. Was nicht ganz überraschend kam, war er ja erst kurz zuvor die 800 Meter gelaufen. "Diese Rennen sind der Grund, weshalb du Kilometer um Kilometer im Training machst, also nehme ich mit, was ich kann", sagte er mit Blick auf die Tatsache, dass er als einziger Athlet in allen drei Disziplinen an den Start gegangen war. Laufen gilt Blake als Lebensinhalt. Er kann nicht ohne. Und er könnte es sich auch gar nicht vorstellen: "Wenn ich laufen gehe, dann ist das in den meisten Fällen die schönste Zeit des Tages."

Diese Zeit lässt er sich von nichts und niemandem nehmen. Nach seinem Bachelorstudium hat Blake in Melbourne als Rechnungsprüfer mit dem Arbeiten begonnen und schnell festgestellt, dass er "nicht sehr viel Spaß daran hatte". Vor allem aber: "kaum noch Zeit für Leichtathletik." Er kündigte. Und schrieb sich kurze Zeit später an der TUM für den Masterstudiengang "Life Science Economics and Policy" ein. Der Uni wegen und weil er die deutsche Sprache lernen will. Aber auch aufgrund der "viel größeren Auswahl an Leichtathletikmeetings in Europa". Viele australische Topathleten kämen nach dem Sommer in der Heimat nach Europa, um auch dort den Sommer über zu laufen, erzählt Blake. "Ich habe also die Chance ergriffen, gleich das ganze Jahr hier zu leben."

Nun wohnt er, der ursprünglich von der Sunshine Coast im australischen Bundesstaat Queensland stammt, seit über einem Jahr in Freising. "Die Winter sind ein bisschen hart", sagt er, "bisher hatte ich immer höchstens zwei Kilometer bis zum nächsten Strand." Davon abgesehen, fühlt sich Blake aber sehr wohl in Bayern. "Jeder neue Tag fühlt sich ein bisschen mehr wie Zuhause an", erklärt er. Die LG Stadtwerke München hat daran großen Anteil: "So treffe ich viele Einheimische und bleibe nicht in der Blase stecken, die sich oft um internationale Studenten bildet." Und bei der LG ist man froh, dass er da ist. "Er füllt uns im Moment ein wenig die Lücke bei den Top-Athleten auf der Mittelstrecke", sagt Reinhard Maier, Vizepräsident der LG. Außerdem sei er "a ganz a netter Kerl" ohne Allüren, offen und unkompliziert. "Einer, der einfach laufen will."

Die Leichtathletik bestimmt Blakes Leben seit Kindertagen. Dass er an ihr hängen blieb, hat wohl zwei Gründe. Einer davon ist sein Highschool-Trainer Peter Bock. "Er war damals einer der besten Mittel- und Langstreckler in Australien und ich durfte unter den ersten Athleten sein, die er trainierte", erinnert sich Blake. Die Zusammenarbeit klappte auf Anhieb gut. Noch heute ist Bock sein Trainer. "Nicht mehr so wirklich formell, ich schreibe selbst einen Plan und er schaut drüber." Aber eben immer noch Ansprechpartner, Förderer und Vertrauensperson.

Der zweite Grund dürfte Blakes grundsätzliche Faszination für seinen Sport sein. "Es ist diese Rein- und Einfachheit, die mich anzieht. Du kannst dich nicht hinter deinen Zeiten verstecken. Es gibt keine mehrdeutigen Regeln. Wenn du hart trainierst, wirst du auch besser und schneller rennen." Diesem Mantra folgt er. Fast jeden Morgen geht er eine "entspannte Runde" joggen. Zweimal in der Woche läuft er 20 Kilometer oder mehr. Dazu kommen zwei bis drei Trainingseinheiten auf der Bahn. In einer Woche summieren sich so zwischen 120 und 130 Laufkilometer. "In diesem Winter waren es auch mal 150", erzählt er. "Fasst ein bisschen zu viel."

Besonders dann, wenn man nebenher noch Snowboard fährt, ab und an zum Schwimmen oder Radfahren geht. Oder, wie im vergangenen Jahr noch einen Halbmarathon im tschechischen Pilsen läuft - und diesen gewinnt. Einen Werkstudentenjob bei einem Münchner Fintech-Unternehmen hat er noch dazu. Still sitzen, das kommt für Blake offenbar nicht in Frage. Zwei Indoorrennen will er in diesem Winter noch laufen und sich dann für die Freiluftsaison vorbereiten.

Und läuft weiterhin alles nach Plan, ist Blake in einem Jahr mit seinem Master fertig. Ob er dann in seine Heimat zurückkehrt, gilt längst nicht als ausgemachte Sache. "Wenn ich hier weiter gut laufe, sich interessante Jobmöglichkeiten bieten, dann macht es vielleicht Sinn, noch eine Weile zu bleiben", sagt er. Dass er dann weiter keinen Strand in unmittelbarer Nähe hätte, ließe sich womöglich irgendwann verschmerzen. "Bayern hat seine eigenen Naturschönheiten", weiß Blake inzwischen. "Das gleicht das aus."

© SZ vom 05.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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