Leichtathletik:Ein bisschen Qual muss sein

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Abenteuer unter Palmen: Andrea Löw (links) im November bei der Begegnung mit mosambikanischen Jugendlichen. (Foto: privat/oh)

Wenn Andrea Löw entspannen will, geht sie laufen: je länger, desto lieber, wie beim Ultra Africa Race über 250 Kilometer durch Mosambik. Für die Historikerin ist Sport Therapie: Die 44-Jährige kurierte so ihr Hüftleiden.

Von Jonas Kraus, München

Eine Tortur ist laut Definition "ein unangenehmes Erlebnis, das für jemanden eine Qual ist". Fünf Tage hintereinander laufen, bei sengender Hitze am Tag und drückender Schwüle in der Nacht, ohne Zugang zu fließendem Wasser: Die meisten Hobbysportler würden ein solches Unterfangen als Tortur bezeichnen. Andrea Löw nennt es: Urlaub.

Die 44-jährige promovierte Historikerin ist Ultra-Läuferin und legt jedes Jahr mehr als 3000 Kilometer zu Fuß zurück. Geplant war diese "Karriere" nicht, zumal Löw in Vollzeit am Institut für Zeitgeschichte arbeitet. "Das hat sich irgendwie so ergeben", sagt sie. Mit 30 Jahren fing ihre Hüfte immer mehr an zu schmerzen. Ihr Arzt hatte zwei Behandlungsmethoden parat: eine aufwendige Operation. Oder: mehr Sport.

Beim München Marathon trug sie einen Sechs-Kilo-Rucksack: Vorbereitung auf Afrika

Sie entschied sich für die zweite Variante und fing an zu joggen, zunächst nur in geringem Umfang. Im Lauf der Zeit reichten ihr die kleinen Runden an der Isar nicht mehr aus, zumal sie merkte, dass die Hüftbeschwerden mit der Steigerung ihres Pensums komplett verschwanden. Löw erhöhte die Intensität und absolvierte 2008 ihren ersten Marathon. Seitdem dreht sich bei ihr alles ums Laufen. Auch für ihren Job sei der körperliche Ausgleich extrem wichtig, "ohne das Laufen könnte ich mich in der Arbeit wohl gar nicht mehr richtig konzentrieren". Mindestens vier Mal pro Woche zieht sich Löw die Laufschuhe an, kurz vor Wettkämpfen auch öfter. Da ist es nur logisch, dass ihr Kalender mittlerweile gespickt ist mit zahlreichen Laufveranstaltung. Vom Sechs-Stunden-Lauf in Fürth über den 26 Kilometer langen Pitztal Alpin Trail bis hin zum 250-Kilometer-Lauf durch Namibia war 2017 alles dabei. Mittlerweile zieht es sie immer mehr in die Natur, raus zum "nächsten Abenteuer".

Normale Stadtmarathons bestreitet Löw, die auch Laufseminare anbietet, zwar auch, meist aber nur, um eine fremde Stadt kennenzulernen oder sich auf einen Ultra-Lauf vorzubereiten. Deshalb nahm sie dieses Jahr auch wieder am München Marathon teil - mit einem sechs Kilogramm schweren Rucksack auf dem Rücken. "Das gab natürlich den einen oder anderen lustigen Kommentar." Doch das Training war für Löw unerlässlich, zumal sie sonst nichts macht, um Verletzungen vorzubeugen. "Ein paar Stabilitätsübungen am Morgen, ausgiebiges Dehnen nach dem Laufen. Das war's." Für mehr reiche die Zeit nicht. So machte sie sich fit für ihr persönliches Jahreshighlight: das Ultra Africa Race im November in Mosambik. Das Rennen ist Teil einer privat organisierten Rennserie, in deren Rahmen Ultra-Läufe auf jedem Kontinent durchgeführt werden. "Leider nicht ganz billig", wie Löw zugibt, vor allem, weil sie außer ihrer Ausrüstung alles selbst finanziert. Mit mehr als 2000 Euro schlug das Abenteuer zu Buche, "aber das war es wert". In insgesamt fünf Etappen legten die 16 Teilnehmer 220 Kilometer und mehr als 4000 Höhenmeter zurück. Nach jeder Etappe bekamen sie vom Veranstalter Wasser und Zelte gestellt, den Rest ihrer Ausrüstung mussten sie in ihrem Rucksack tragen. Zugang zu fließendem Wasser: Fehlanzeige.

Die Route führte durch entlegene Dörfer, Palmenwälder oder am Strand des Indischen Ozeans vorbei. "Oft begleiteten mich kleine Kinder in Flip Flops, die teilweise sogar schneller waren als ich." Am meisten inspiriert habe sie aber nicht die Landschaft, sondern die "unglaubliche Kameradschaft" unter den Läufern. "Man lernt so viele unglaubliche Menschen kennen, die sich alle unterstützen, auch wenn man sich sprachlich oft gar nicht versteht." Löw belegte den dritten Platz in der Frauenwertung, wenngleich sie sagt: "Das Ergebnis ist absolut zweitrangig."

Obwohl ihr Hobby extrem zeitaufwendig ist - 2017 ging ihr ganzer Jahresurlaub für das Laufen drauf - will sie weitermachen, solange sie von Verletzungen verschont bleibt. "Direkt nach dem Ultra Africa Race hab ich mich gleich für den nächsten Ultra-Lauf angemeldet." Also heißt es auch 2018 wieder: Tortur statt Urlaub.

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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