Leichtathletik:Die Ruhe vor dem nächsten Wurf

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Schwungvoll ins neue Jahr: In die vergangene Saison war Amelie Döbler mit einer Reihe von Verletzungen gestartet, in der kommenden will sie wieder angreifen – vor allem allerdings im Diskuswurf. (Foto: Stephan Rumpf)

Mit dem traditionellen Weihnachskugelstoßen endet für die Leichtathleten des TSV München-Ost ein turbulentes Jahr. Dantzler und Zimmermann gewinnen.

Von Andreas Liebmann, München

Es war durchaus ein kleiner Vorgeschmack auf die kommende Saison. Die Frauenkonkurrenz war ja doch recht übersichtlich beim 7. Weihnachtskugelstoßen des TSV München-Ost, dem traditionellen Jahresabschluss der Werfer in der alten Turnhalle des Münchner Salesianums. Es traten an: Selina Dantzler gegen Amelie Döbler. Quantität ist bekanntlich nicht alles, es handelte sich schließlich um die U-18-Weltmeisterin im Kugelstoßen von 2017 und die Zweite der U-18-Europameisterschaften im Diskuswurf von 2016. Das Duell zum Jahresabschluss gewann Dantzler mit 14,93 Meter vor der etwa einen Kopf größeren Döbler mit 14,13 Meter.

Sie werden sich wieder an dieses Duell gewöhnen müssen. Im vergangenen Jahr waren sich die Trainingskolleginnen ja locker aus dem Weg gegangen, weil die knapp ein Jahr ältere Döbler bereits in der U20 angekommen war und sich dort auf die Diskusscheibe fokussierte, während sich Dantzler in der U18 mehr um das Kugelstoßen kümmerte. Mit unterschiedlichem Erfolg, denn während Dantzler in Nairobi Weltmeisterin wurde, gelang es Döbler, von Verletzungen zurückgeworfen, mit Ach und Krach, sich für die U-20-EM in Grosseto zu qualifizieren, wo dann nicht viel klappte. "Das war das Beste, was sie aus ihrer Saison herausholen konnte", ist sich Andreas Bücheler, einer der beiden Trainer, sicher. Doch nun kommt auch Dantzler in die U20, auch ihr Fokus soll allmählich Richtung Diskuswurf wandern, weil sie fürs Kugelstoßen wahrscheinlich zu leichtgewichtig ist. Die beiden jungen Frauen werden künftig also auch in wichtigen Wettbewerben wieder in Konkurrenz zueinander stehen, etwa um die Startplätze bei der U-20-WM in Finnland, was es auch für ihre Trainer nicht gerade leichter macht. Aber was war zuletzt schon leicht?

"Es war ein verrücktes Jahr", sagte Bücheler seufzend, "ich hätte nicht gedacht, dass wir das alles hinbringen." 70 Tage sei er allein mit Dantzler unterwegs gewesen, für diverse Maßnahmen und Lehrgänge. Im Mai kam sein Sohn Mika zur Welt, im Juli reiste er auf eigene Kosten mit nach Nairobi. "Eine Woche Leichtathletik-Urlaub", sagt er grinsend, "bis auf Selinas Wettkampf konnte ich das genießen." Nur der Auftritt der eigenen Athletin sei fordernd gewesen, weil ja der Bundestrainer coachte, und nicht er. Es war der Höhepunkt - aber doch nur ein Wettkampf von vielen.

Im Sommer brach Dominik Idzan einen 44 Jahre alten Rekord. Vor Weihnachten legte er nach

Da gab es ja noch Alexander Schaller, 15, der im Herbst 2016 mit einer Diskus-Leistung von nicht mal 40 Metern gekommen sei und nun deutscher Vizemeister ist mit einer Bestweite von 56,98 Meter. Cassandra Bailey, 15, die immer wieder am Fußgelenk verletzt ist, auch beim Weihnachtskugelstoßen trat sie mit einer Manschette an. Trotzdem war sie DM-Zweite. Auch am Freitag wurde sie Zweite, hinter Dantzler, mit 15,05 Meter in der Klasse U18. Oder Valentin Döbler, 21, der es in Grosseto erstmals zu einem internationalen Großereignis geschafft hatte. Und Martin Knauer, 19, dem zur internationalen Norm fünf Zentimeter fehlten. "Ansonsten wäre es eine perfekte Saison gewesen", findet Bücheler.

Sie waren nun alle ein letztes Mal zusammengekommen, auch aus zehn anderen Klubs waren Werfer angereist, die zur bayerischen Elite zählen, wie Robert Dippl (Wasserburg) oder Christian Zimmermann (Kirchheim). Zimmermann siegte bei den Männern mit 18,75 Meter. Natürlich war auch Dominik Idzan am Start, der 14-Jährige, der so viel älter aussieht und für den es ein noch viel aufreibenderes Jahr war. Anfang des Jahres war sein Vater gestorben, unerwartet, alle im Team hatten sich danach um ihm gekümmert. "Wenn er mal nicht im Training war, haben sie sich gemeldet, SMS geschickt, da hat sich in unserer Einzelsportart mal das Team gezeigt", lobte Bücheler. "Wir Trainer hätten das nicht richten können, es war wichtig, dass das die Sportler machen." Idzan hatte dann im Sommer 18,01 Meter gestoßen, wie er es seinem Vater versprochen hatte, er brach damit einen 44 Jahre alten bayerischen Rekord. "Es ist sensationell, wie er das alles verarbeitet hat", findet Bücheler. Auch hier, im Kreis seiner Münchner Werferfamilie. Beim Weihnachtskugelstoßen setzte er noch einen drauf, schaffte 18,46 Meter. Bücheler traut ihm in seiner Altersklasse M15 sogar noch die 20-Meter-Marke zu.

Wenn man so will, ist nun Erholung angesagt. Aber was ist schon Erholung in diesem Verein. Am 2. Januar startet Bücheler mit Selina Dantzler, Cassandra Bailey, Alexander Schaller und Dominik Idzan schon wieder ins Trainingslager nach Lanzarote. Ende Januar steht für die Geschwister Döbler dasselbe an, dann mit Gerd Neubauer, dem anderen Trainer der Münchner Werfer. Weihnachten war nur die kurze Ruhe vor den nächsten großen Würfen.

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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