Leichtathletik:Allein im Gegenwind

Lesezeit: 2 min

Zwei Münchner Sieg-Läufer in gegensätzlicher Stimmung: Christina Hering ärgert sich bei der Leichtathletik-DM über die verpasste Weltmeisterschaft, Johannes Trefz frohlockt über seine neue Bestzeit.

Von Joachim Mölter, Erfurt

Als Leichtathlet gerät man gelegentlich in eine Bredouille: Dann nützt einem die beste Form nichts, weil man keine Wettkämpfe bekommt, in denen man sie umsetzen und zeigen kann. Die Läufer Christina Hering und Johannes Trefz von der LG Stadtwerke München könnten gerade eine ganze Menge zu diesem Thema erzählen. Beide haben an diesem Sonntag in Erfurt ihre deutschen Meistertitel verteidigt, Hering den über 800 Meter, Trefz den über 400. Beide waren danach in völlig gegensätzlicher Stimmung: Hering schwer enttäuscht, Trefz enorm euphorisiert.

"Endlich hat's geklappt, das war längst überfällig", sagte der Zwei-Meter-Mann, nachdem er seine persönliche Bestzeit um zwei Zehntelsekunden auf 45,81 Sekunden gesteigert hatte. "Die letzten Rennen waren nicht schlecht, aber es hat nie hundertprozentig gepasst", erzählte er: Mal war es zu windig, mal musste er auf der Innenbahn rennen, wo sich jeder Läufer mit seiner Größe schwer tut, geschmeidig um die Kurven zu kommen. "Es war extrem frustrierend", gab Trefz zu: "Wir haben gezweifelt, ob wir auf dem richtigen Weg sind."

Die Form hatte ja gestimmt, aber erst in Erfurt hatte endlich auch das Rennen mal gepasst: Für das Finale hatte der 25 Jahre alte Trefz die Bahn fünf zugeteilt bekommen, der größere Radius dort kommt seinen langen Beinen entgegen; und direkt hinter ihm startete der Dortmunder Torben Junker. "Der ist bekannt dafür, dass er extrem schnell anlaufen kann", sagt Trefz, "und mein Problem ist ja, dass ich den Anfang immer eher verdudel." Das konnte er sich nun nicht leisten, und als dann Junkers rotes Trikot nach 200 Metern neben ihm auftauchte, gab Trefz noch mal richtig Gas: "Ich hab' voll dagegengehalten, mich voll reingehauen." Mit Erfolg. In seinem Sog stellte dann noch sein Klubkamerad Benedikt Wiesend als Fünfter seine persönliche Bestleistung ein - 46,78 Sekunden.

So einen Antrieb hätte auch Christina Hering gut gebrauchen können. Die Olympia-Teilnehmerin von Rio 2016 läuft ja seit Wochen der WM-Norm des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) hinterher. 2:01,00 Minuten verlangt der Verband für die Entsendung nach London Anfang August, 2:01,35 Minuten war Hering Ende Mai gerannt, "da ist noch alles normal gelaufen", sagt ihr Trainer Daniel Stoll. Doch dann bekam Christina Hering im Juni kein Rennen mehr, in dem sie die fehlenden 35 Hundertstelsekunden hätte aufholen können: Mal war es zu windig, mal das Rennen zu sehr von der Taktik geprägt. "Heute wollte sie es dann mit der Brechstange erzwingen", resümierte Stoll am Sonntag.

Im Finale war seine Athletin mutig vorneweg gelaufen, aber wieder stürmte sie allein gegen den Wind und verkrampfte. "Schon in der ersten Runde habe ich auf der Zielgeraden den Gegenwind gespürt", berichtete die hoch aufgeschossene Läuferin. Am Ende leuchteten 2:04,05 Minuten auf der Anzeigetafel auf. "Der Titel stand nie in Frage", sagt Daniel Stoll, "aber die WM-Norm war eine zu große Aufgabe. Wenn man keine Konkurrentin hat im eigenen Land, wird's schwierig."

Katharina Trost, 25, WM-Halbfinalistin im 800-Meter-Lauf, LG Stadtwerke München. (Foto: Axel Kohring/Imago / Beautiful Sports)

Zwar hatte Hering im Finale Gesellschaft von zwei weiteren Athletinnen der LG Stadtwerke, von Mareen Kalis, die in 2:06,29 Minuten Dritte wurde, und von Christine Gess, der Fünften in Saisonbestzeit von 2:08,80. Aber die haben noch nicht das Niveau, um Hering so anzutreiben, wie es nötig gewesen wäre. "Auch wenn ich erst mal enttäuscht bin, bin ich trotzdem stolz, meinen deutschen Meistertitel verteidigt zu haben", sagte diese.

Daniel Stoll erinnerte daran, dass die Saison wegen der verpassten WM-Norm nicht vorbei sei für seine Athletin: "Vielleicht fällt jetzt der Druck ab und sie läuft noch andere Zeiten." Bereits an diesem Dienstag wird es Christina Hering probieren, beim Meeting in Luzern. "Da hoffe ich, bis zum Ende internationale Konkurrenz neben mir zu haben", sagt sie: "Dann ist eine bessere Zeit möglich." Außerdem hat sie sich für die Universiade Ende August in der chinesischen Stadt Taipeh qualifiziert: "So hab' ich noch einen Höhepunkt, auf den es sich hinzutrainieren lohnt."

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: