Judo:"Ich habe die Aufgabe ein wenig unterschätzt"

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Trainerin Theresa Diermeier zieht ihre Lehren aus der missglückten Titelverteidigung mit den Frauen des TSV Großhadern

Von Julian Ignatowitsch, München

In den vergangenen Tagen hat Theresa Diermeier Rat gesucht. Nach dieser enttäuschenden Saison der Judo-Frauen des TSV Großhadern, die als deutscher Meister und Titelverteidiger in der Bundesliga nur knapp dem Abstieg entgangen sind, wandte sich die neue Cheftrainerin an den erfahrensten Mann im Verein.

Ralf Matusche, seit mehr als drei Dekaden in Großhadern und davon 25 Jahre hauptverantwortlicher Trainer, hat die 25-Jährige wieder aufgebaut. "Er hat gesagt: Bleib cool! Das passt schon! Solche Phasen sind im Sport ganz normal", erzählt sie. Das hat ihr gut getan. Diermeier lacht, sie lacht viel, weil sie ein positiver Mensch ist. Auch die vergangene Saison will sie sich nicht pauschal schlecht reden lassen: "Wir sind eine hoch motivierte Truppe", sagt sie dann. "Eine echte Gemeinschaft. Ich war auch in dieser Saison immer wieder überwältigt, was meine Mädels leisten können."

Die Ergebnisse allerdings widersprechen dem, sie waren schlichtweg nicht zufriedenstellend. "Klar, wir haben uns viel mehr erhofft", räumt die junge Trainerin ein. Nur ein Sieg aus fünf Kämpfen - für die Ansprüche einer Mannschaft wie Großhadern, dem größten Judozentrum in ganz Bayern, für das noch dazu internationale Topleute wie Laura Vargas Koch oder Carolin Weiß auf die Matte gehen, ist das viel zu wenig. "Wir haben in dieser Saison aber auch viel Pech gehabt", erinnert Diermeier.

Sie meint damit die vielen Verletzten und die schwierige Terminlage im Jahr vor den Olympischen Spielen. Tatsächlich fehlten in Laura Vargas Koch, Alena Eiglova, Lisa Dollinger (alle -70 kg) oder Maria Ertl (-52 kg) gerade zu Beginn der Saison wichtige Kämpferinnen verletzt; die österreichischen Spitzenathletinnen wie Bernadette Graf oder Magdalena Krssakova (beide -63 kg) verzichteten aufgrund ihrer internationalen Verpflichtungen sogar ganz auf die Bundesliga; und die Guineerin Taciana Racende de Lima (-48 kg) hatte kein gültiges Visum, als sie gebraucht wurde.

Allerdings hätten die Probleme mit einem breiteren Kader besser aufgefangen werden können. Das Meister-Team blieb zwar größtenteils zusammen, für ein vorolympisches Ausnahmejahr war die Personaldecke zu dünn. Zweimal blieb eine Position ganz unbesetzt - auf diesem Niveau eine absolute Seltenheit.

Diermeier gibt sich auch selbstkritisch. "Ich habe die Aufgabe ein wenig unterschätzt", sagt sie, die den Posten der Cheftrainerin vor der Saison von Verena Birndorfer übernahm. "Der ganze Papierkram, das viele Organisatorische - da habe ich dann verpasst, mich um Neuverpflichtungen zu kümmern." Plötzlich musste sie Rechnungen schreiben und Anmeldeformulare ausfüllen, für die 25-jährige Medizinstudentin ein Novum. Dass sie als Trainerin weitermacht, steht aber fest - trotz des bevorstehenden Berufseinstiegs.

Und sie will die gleichen Fehler nicht noch einmal machen. Deshalb plant sie schon jetzt für die nächste Saison, mehr als ein halbes Jahr im Voraus, die Kaderplanung steht an oberster Stelle. Auf den Problempositionen im Superleichtgewicht (-48 kg) und Mittelgewicht (-70 kg) sollen Verstärkungen kommen. "Ich stehe bereits mit zwei, drei Kandidaten in Kontakt", sagt sie. "Solide Kämpfer, die dauerhaft zur Verfügung stehen", so das Profil der Gesuchten. Dazu vermittelt ihr britischer Vereinskollege Winston Gordon den Kontakt zu Topkämpfern von der Insel.

"Wir sind für viele Kämpfer ein sehr attraktiver Verein, weil sich rumgesprochen hat, dass der Teamgeist hier einzigartig ist." Immer wieder der Teamgeist. Für Diermeier ist es mehr als nur Sport, auch ein Gemeinschaftsgefühl. Wenn sie auf die gemeinsame Saisonabschlussfeier angesprochen wird, stockt sie aber kurz. "Paintball", sagt sie knapp. Da die Männer sportlich vorne sind, dürfen sie bestimmen. "Nach unserer Meisterschaft waren wir letztes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt", erzählt Diermeier. Diesmal also Paintball. "Das ist eher nicht so mein Fall!", sagt sie. Im nächsten Jahr wollen die Frauen wieder entscheiden.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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