Judo:Filmreifes Finale

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Nach elf Jahren Bundesliga, zwei Olympia-Teilnahmen und dem DM-Titel 2015 freut Tobias Englmaier, 28, sich jetzt vor allem auf Urlaub. (Foto: Gepa/Imago)

Tobias Englmaier verpasst zum Abschluss seiner Karriere die Titelverteidigung mit Großhadern - das 6:7 gegen Hamburg ist aber knapper als erwartet

Von Julian Ignatowitsch, Hamburg/München

Als Tobias Englmaier sich zum letzten Mal auf der Judo-Matte verbeugte, war ihm eigentlich schon klar, dass es nicht mehr zum ganz großen Wurf reichen würde. Er hatte seinen Kampf gegen den Weltranglisten-Dritten Orkan Safarov verloren, sein Team lag im Bundesliga-Finale 2:6 gegen Hamburg zurück. "Das war es also", dachte er. Endstation nach elf Jahren Bundesliga, nach zwei Olympia-Teilnahmen, internationalen Medaillen und einer deutschen Klub-Meisterschaft 2015.

Wären wir in Hollywood, dann würde hier der Schnitt einsetzen und die Judoka des TSV Großhadern würden Englmaier ein paar Szenen später auf Händen tragen. Wir sind aber in einer kleinen Judohalle in Hamburg, wo Großhadern zwar tatsächlich noch einmal herankommt, der Gastgeber aber den entscheidenden Punkt macht und das Finale 7:6 für sich entscheidet. Hamburg ist erstmals deutscher Meister, Großhadern hat die erfolgreiche Titelverteidigung knapp verpasst - und Englmaier kann trotzdem lachen. "Es war ein super Abschluss", sagte der 28-Jährige: "Wir haben super gefightet und sind über uns hinausgewachsen. Heute haben wir nicht die Meisterschaft verloren, sondern den zweiten Platz gewonnen." Das ist das Schöne an einem so gar nicht hollywoodtauglichen Sport wie Judo.

Großhadern war nicht als Favorit in die Endrunde gegangen. Bereits der Erfolg im Halbfinale gegen Esslingen (8:4) kam ein wenig überraschend. Das Ergebnis im Finale sah knapper aus, als es tatsächlich war, insofern war die Stimmung eher positiv. "Wir hätten zwei Überraschungssiege in den unteren Gewichtsklassen gebraucht", erklärte Teamchef Gerhard Dempf. Aber weder die jungen Lukas Vennekold und David Karle (bis 66 kg) noch der routinierte Englmaier (bis 60 kg) hatten gegen internationale Weltklassekämpfer eine Chance. "Da hätte heute nur ein Glücksgriff geholfen", gab Englmaier zu, der seinen letzten Bundesliga-Kampf nach zwei schweren Knieverletzungen körperlich angeschlagen bestreiten musste. Die lange Verletzungsakte ist auch der Hauptgrund, wieso Englmaier seine Karriere beendet: "Der Körper macht das einfach nicht mehr mit."

Großhadern punktete im Finale vor allem in den hohen Gewichtsklassen: Der WM-Zweite Karl-Richard Frey (bis 100 kg) und der Niederländer Roy Meyer (über 100 kg) gewannen alle ihre Kämpfe. Der Schwede Marcus Nyman (bis 90 kg), Großhaderns "Mr. Zuverlässig", leistete sich dagegen einen Ausrutscher. "Spätestens da war klar, dass es für uns heute ganz schwer wird", sagte Dempf.

Bei den Gastgebern überzeugte in Igor Wandtke ausgerechnet ein ehemaliger Großhaderner, der vor der Saison zusammen mit Alexander Wieczerzak und Aaron Hildebrand München im Streit verlassen hatte. Im Finale leistete sich Wieczerzak eine Unsportlichkeit, als er Timo Cavelius zweimal ins Gesicht fasste: Disqualifikation für Wieczerzak, Kopfschütteln bei den ehemaligen Kollegen. "Eine völlig überflüssige Szene", fand Dempf. "Freunde macht er sich damit nicht", meinte Englmaier.

Auch wenn die vielen Talente feststellen mussten, dass noch ein Abstand zur internationalen Spitze besteht, hat Hadern den Generationswechsel gut hinbekommen. "Im nächsten Jahr dürfen wir mit noch mehr rechnen", sagte Stützpunkttrainer Ralf Matusche, der das Finale verpasste, weil er die Nationalmannschaft zum Grand Slam nach Abu Dhabi begleiten musste: "Bei Tobis Abschied wäre ich gerne dabei gewesen." Auch ohne den Chef wurde gefeiert, standesgemäß auf der Reeperbahn. Englmaier war am Sonntag noch etwas heiser. "Ich freue mich jetzt auf zwei Wochen Urlaub in Sri Lanka", sagte er. Mal kein Judo. Dafür Strände wie im Film.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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