Hockey:Sechs Minuten Bangen

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Sein 1:0 hatte lange Bestand: Münchens Fabian Humpfer (rechts) brachte sein Team gegen Favorit Mannheim in Führung, doch das reichte nicht. (Foto: Johannes Simon)

Die Männer des Münchner SC verhindern mal wieder in letzter Sekunde den Abstieg aus der ersten Liga - diesmal allerdings nur dank doppelter Hilfe aus Mannheim.

Von Katrin Freiburghaus, München

Patrick Fritsche ballte die Faust, er sprintete durch die Halle und wurde abwechselnd umarmt, hochgehoben oder euphorisch angeschrien. Die Hockey-Männer des Münchner Sportclubs verloren am vergangenen Sonntag gegen Tabellenführer TSV Mannheim zwar ihr letztes Saisonspiel in der Hallen-Bundesliga mit 1:2 (1:1), bleiben aber auch im 27. Jahr Ligazugehörigkeit erstklassig. "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", fasste Kapitän Felix Greffenius erleichtert zusammen. Fritsche sagte: "Es ist Wahnsinn, was der Klub hier heute an Kulisse aufgeboten hat, ich bin unfassbar zufrieden - und geh jetzt erst mal duschen."

Mit der Leistung seiner Mannschaft könne er leben, sagte er, vor allem die Mentalität seines Teams, gegen einen konzentrierten und starken Gegner zu diesem Zeitpunkt der Saison so diszipliniert zu bleiben, habe ihm imponiert. Die Ausgangssituation war rechnerisch ganz einfach gewesen: Ludwigsburg lag einen Zähler hinter dem MSC auf dem einzigen Abstiegsplatz. Der MSC spielte gegen den Staffel-Ersten TSV Mannheim, Ludwigsburg beim Mannheimer HC, dem Zweiten. Allerdings hatte der TSV die Tabellenkonstellation in den vergangenen Tagen mit einem Sieg im Mannheimer Derby und einer Niederlage in Nürnberg so verschoben, dass es für ihn selbst in München um nichts mehr ging, während Ludwigsburgs Gegner noch um sein Viertelfinal-Ticket bangte. Mit einem Sieg gegen den TSV wäre der MSC also sicher gerettet gewesen, aufgrund der knappen Niederlage blieb nur das Hoffen auf die anderen Mannheimer. Entsprechend merkwürdig war die Stimmung nach dem Abpfiff, als der Zwischenstand von 6:3 zwischen Mannheim und Ludwigsburg die Runde machte. Sechs Minuten waren in der Parallelpartie noch zu spielen, und in einer ausgeglichenen Hallenrunde sind drei Tore Differenz nicht viel.

An den Minuten des Bangens nach Spielschluss hätten Psychologen ihre Freude gehabt

Psychologen hätten an den folgenden Minuten in der Allacher Halle ihre helle Freude gehabt; wie sie allesamt - vom Jugend-Betreuer bis zum Abteilungsleiter - nach Wegen suchten, sich zu beschäftigen, ohne dabei nervlich Schaden zu nehmen. Trainer Fritsche schnappte sich sofort einen Schläger und drehte mit dem Klub-Nachwuchs Richtung Tor zum Spielen ab. MSC-Urgestein und Frauen-Coach André Schriever drückte bedingt ansprechbar an seinem Smartphone herum und verlas immer wieder den Spielstand aus Mannheim. An verschiedenen Orten in der Halle sagten Leute mit gewichtiger Miene "Schalke" und nickten skeptisch dazu; sie spielten auf die in einem Fernduell nach Abpfiff verpasste Meisterschaft des Fußballvereins an, es war deutlich zu spüren: So richtig trauten sie dem glücklichen Ende noch nicht über den Weg.

Auch in den vergangenen Jahren hatte es der MSC gerne spannend gemacht, allerdings hatte er die Entscheidung meist selbst in der Hand und mit dem Abpfiff klare Verhältnisse. Nun vom Ergebnis in Mannheim abhängig zu sein, setzte einigen Spielern sichtlich zu. "Ich kann dieses Warten gar nicht, ich hab nach dem Spiel fast geheult", bekannte Frederik Gürtler später. Der MSC-Torhüter hatte das 1:0 von Fabian Humpfer (8.) lange festgehalten und danach etliche weitere Großchancen des TSV entschärft. Gürtler erhofft sich vom knappen Klassenerhalt nun eine Signalwirkung für die im Umbruch befindliche Mannschaft. "Wir haben die Halle mit Leuten gespielt, die noch nie erste oder zweite Liga gespielt haben, und die wissen jetzt für die Feld-Rückrunde, wie es sich anfühlt, drin zu bleiben", sagte er. "Das schweißt uns als Team zusammen."

Besser integriert sind seit dem vergangenen Sonntag aber wohl nicht nur die Talente, sondern auch der Trainer Fritsche. Der Mann mit dem Spitznamen Harry analysiert nach Abpfiff meist so kühl und schnell, dass man besser ein Speichermedium mitlaufen lässt, und stellt sich von wenigen Ausnahmen abgesehen stets vor sein Team. Er erweckte in diesen Momenten bisher den Eindruck, sich im Dienste der Sache emotional sehr zurückzunehmen. Am Sonntag war das anders. Als das Endergebnis aus Mannheim (9:3) feststand, vergaß er - vielleicht zum ersten Mal seit seinem Wechsel zum MSC im Sommer - am Spielfeldrand den Trainer in sich und tauchte barrierefrei in den Jubel seiner Spieler ein.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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