Hockey:Party zur Geisterstunde

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Münchens Hockey-Männer zerlegen Berlin im Viertelfinale mit 9:5 - und qualifizieren sich erstmals seit ihrem Titelgewinn 2006 wieder für eine DM-Endrunde.

Von Katrin Freiburghaus, Berlin/München

Es ist nicht zweifelsfrei auszuschließen, dass die Hockey-Männer des Münchner Sportclubs noch immer singend in der Kabine ihres Klubhauses auf und ab hüpfen. Lückenlos belegt ist dagegen, warum sie damit in der Nacht auf den vergangenen Sonntag überhaupt begannen, als sie am Münchner Hauptbahnhof zur Geisterstunde aus dem ICE stiegen. Sie feierten, was noch wenige Stunden zuvor und 600 Kilometer weiter nördlich weder Trainer Patrick Fritsche noch sie selbst richtig realisieren konnten: ein 9:5 (6:2) im Viertelfinale der Hallen-Bundesliga gegen den Berliner HC und damit verbunden ihre erste Teilnahme an einer deutschen Endrunde seit der Meisterschaft 2006. "Ich bin selten sprachlos", sagte Fritsche, "aber für das, was die Jungs heute abgeliefert haben, fehlen mir gerade die Superlative."

Torhüter Felix Reuß ging es ähnlich, sein vorläufiges Saisonfazit fiel entsprechend knapp aus. "Überragend", sagte er, ohne jegliche Einschränkung. Dabei findet das Final-Four ja erst am kommenden Wochenende statt, und Fritsche kündigte schon mal an, das Turnier "zu einem Erlebnis für den Klub machen" zu wollen. "Da darf sich die Stadt Mülheim warm anziehen", sagte er, "das wird eine legendäre Veranstaltung." Was es für favorisierte Gegner - wie es im Halbfinale der Club an der Alster sein wird - bedeuten kann, wenn Fritsche so etwas verspricht, bekam Berlin am Samstag zu spüren.

Der MSC reiste als Zweiter der Südstaffel als Herausforderer zum Gewinner der Gruppe Ost und brauchte zunächst ein paar Minuten, um den Respekt vor den Berlinern, vielleicht aber auch vor der sich bietenden Chance abzulegen. Denn in den vergangenen 13 Jahren war es für die MSC-Männer, die im Feld zweitklassig und damit eine Liga tiefer als der BHC unterwegs sind, in der Halle meist bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt gegangen.

Berlin legte zweimal vor (2. und 10.), doch der MSC wartete jeweils geduldig auf seine Chance und glich durch Michael Rostek (6.) sowie Felix Greffenius (15., Siebenmeter) aus. "Auf Rückstände waren wir vorbereitet, unser Ziel war es, dranzubleiben", sagte Greffenius. In der zweiten Viertelstunde verteidigte die Mannschaft deshalb weiterhin unaufgeregt und grundsolide, nutzte aber gleichzeitig jede Unachtsamkeit der immer ratloser wirkenden Berliner und ging nach Treffern von Maternus Burgmer (20., 23.), Greffenius (20.) und Christian Schellinger (28.) mit einer komfortablen Führung in die Pause. Die Statistik wies zu diesem Zeitpunkt für München eine 50-prozentige Effektivität beim Torschuss und 75 Prozent bei Standards aus.

In der zweiten Halbzeit verlegte sich der MSC darauf, die Überholspur zu blockieren. Die Gäste zwangen Berlin vor 800 Zuschauern ein gemäßigtes Tempo auf und ließen auf diese Weise keine Aufholjagd zu. Den 3:6-Anschlusstreffer konterten sie zudem mit einem Doppelschlag durch Nikolai Duda (33.) und Greffenius (37.), die einzigen, die bereits bei den Endrundenteilnahmen 2004 und 2006 im Kader standen und 2006 den Titel holten. Den Schlusspunkt setzte Greffenius nach Ablauf der Uhr per Siebenmeter, allerdings erst, nachdem die Schiedsrichter die vorzeitig aufs Feld gestürmten MSC-Fans noch einmal verscheucht hatten. "Jetzt fahren wir nach Mülheim, um was ganz Großes zu versuchen", sagte Greffenius, "aber wir bleiben unbeschwert und ändern nichts, denn die Mannschaft macht im Moment so stark, dass sehr gute Stimmung herrscht."

Nun ist es nicht so, dass es während der Feld-Hinrunde, in der es das Team in den letzten Spielen nicht geschafft hatte, die eigenen Stärken auf den Punkt zu mobilisieren und im Aufstiegsrennen weit zurückgefallen war, Ärger gegeben hätte. Doch die Transformation dieser Aufbruchsstimmung in Unbeschwertheit auf dem Feld gelang offenbar nicht ohne Verluste.

In puncto Stimmungsverwaltung ist die nun um eine Woche verlängerte Hallen-Saison daher Beleg für einen Entwicklungssprung - bei allen, wie Fritsche betonte. "Wir haben es in der Halle geschafft, die Leichtigkeit der Erfolgsphase, die wir im Feld ja auch hatten, auszunutzen, statt ständig irgendwas erzwingen zu wollen", sagte er. Womöglich trug sogar die abenteuerliche Hallen-Situation in München mit ständigen Ortswechseln und viel Improvisation zu einem gewissen Fatalismus bei. Er habe jedenfalls gelernt, "dass man die Dinge auch einfach mal laufen lassen kann", sagte der 29-Jährige. Für die Rückfahrt im Zug ordnete er deshalb keine vorgezogene Regeneration an, sondern spielte lediglich vorsorglich alle möglichen Szenarien durch, ehe er eine Party-Erlaubnis erteilte. "Wir haben alle gutes Schuhwerk dabei, falls wir aussteigen müssen", sagte er, und hüpfte mit.

© SZ vom 21.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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