Hockey:Im Corona-Behelfsmodus

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Balanceakt: MSC-Spieler Felix Hutterer steigt kommende Woche mit seinem Trainer wieder aufs Rad. (Foto: Claus Schunk)

Der Münchner SC startet nach einer fremdbestimmten Vorbereitung in die Rückrunde.

Von Katrin Freiburghaus, München

Patrick Fritsche hat Muskelkater. Da er die Hockey-Männer vom Münchner Sportclub gerade auf die am kommenden Wochenende beginnende Zweitliga-Rückrunde vorbereitet, ist das grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Allerdings kommen die Schmerzen des 31-Jährigen weder vom Hockeyspielen noch vom Gestikulieren, sondern vom Golfen. "Wir haben mittlerweile einige Rennradfahrer und Golfer im Team", sagt er. Weil sich die Vorbereitung wegen der pandemiebedingt abgesagten Rückrunde im Frühjahr mehr als ein halbes Jahr hinzog und Hockey lange nur sehr eingeschränkt erlaubt war, hätten Spieler und Betreuer "jeder für sich Strategien gefunden, um die Lücken zu füllen", sagt Fritsche. Er habe viele Spieler auf diese Weise "noch mal ganz anders" kennengelernt. In der kommenden Woche steigt er mit ein paar von ihnen aufs Rad.

Die lange ziellose und oft fremdbestimmte Vorbereitung auf die erste Partie an diesem Samstag in Stuttgart war mutmaßlich ein guter Vorgeschmack auf die anstehende Rückrunde, die nicht minder ungewöhnlich ausfallen dürfte. Das beginnt damit, dass sie in einem Zeitfenster stattfindet, für das normalerweise die Hinrunde der neuen Saison angesetzt war, und geht mit einer Art Corona-Behelfsmodus weiter: Die Saison ist nicht beendet, wenn jeder zum zweiten Mal gegen jeden gespielt hat, sondern wird im Frühjahr mit einer dritten Halbserie fortgesetzt, in der die besten Fünf der Südstaffel den Aufsteiger unter sich ermitteln.

Wie viel von diesen beiden Halbserien, die unter Hinzunahme der fast ein Jahr zurückliegenden Hinrunde eigentlich Drittelserien sind, tatsächlich gespielt wird, ist offen. Die ersten Einschränkungen erfuhren die Teams bereits in der Vorbereitung: Weil in München nicht gegen Teams aus anderen Bundesländern getestet werden durfte, musste der MSC fast alle geplanten Testspiele absagen, zu denen Zweitliga-Männer und Erstliga-Frauen eingeladen hatten. Das resultiere darin, "dass wir weder eingespielt sind noch einen Spielrhythmus haben", sagt Fritsche. Die Konkurrenz um den Aufstieg durfte hingegen Vorbereitungsturniere spielen - Corona-Schutz ist Ländersache. Man könnte das als grobe Wettbewerbsverzerrung bezeichnen, Fritsche nennt es "halt Pech". Er sei "eher dankbar dafür, dass am Wochenende ein Spielbetrieb startet".

Für den MSC endet dieser Spielbetrieb danach allerdings gleich wieder, weil er auf bayerischem Boden aktuell keine Meisterschaftsspiele austragen darf. Hockey ist Amateursport - alle im Spätsommer angesetzten MSC-Heimspiele wurden deshalb auf diesen Herbst verschoben. Fritsche stört die mehrwöchige Pause nicht. Frauen-Trainer André Schriever ist sogar ganz dankbar dafür. Denn im Gegensatz zum Männer-Team haben die MSC-Frauen die Intensitätssteigerung kurz vor ihrem Auftakt-Wochenende in Berlin nicht verletzungsfrei überstanden. "Es sind keine schweren Verletzungen, aber es kann sein, dass ich mit 15 Feldspielerinnen fahre", sagt der 38- Jährige.

Das "Corona-Training" sei mit dem normalen Wechsel von Training und Wettkampf nicht zu vergleichen gewesen, sagt Schriever. "Wir haben versucht, es gut zu steuern, aber es hat offenbar nicht ganz geklappt", räumt er ein, und fügt hinzu: "Wir müssen uns den Schuh schon anziehen, dass wir nicht fit genug in die Vorbereitung gegangen sind." Die Partien beim Berliner HC und den Zehlendorfer Wespen sind lösbare Aufgaben und bieten die Chance auf Punkte im Abstiegskampf, die die MSC-Frauen der Modus-Änderung zu verdanken haben: Beide Berliner Teams sind für die Rückrunde in der anderen von zwei Staffeln; die Begegnungen finden nur aufgrund der von Corona eingeschobenen dritten Halb-Saison statt.

Das Programm der Liga für den Herbst ist ambitioniert. Die derzeitige Ansetzung sieht Spiele bis Ende Oktober vor. Der Puffer für potenzielle weitere Verschiebungen ist somit denkbar klein. "Wir sind nicht blauäugig: Es wird auch in der Liga irgendwann Corona-Fälle geben", sagt Schriever. Auch deshalb wiederholt Fritsche das Mantra, mit dem sein Team die Stimmung schon über den zu Ende gehenden Sommer im grünen Bereich hielt: "Wir fahren nur auf Sicht, keiner kann absehen, welche Lotterie das letztlich wird."

Momentan seien Zusammenhalt und Kommunikation innerhalb der Liga vorbildlich. Die "Hockey-Familie" werde sich daran messen lassen müssen, "ob wir das Gemeinschaftsgefühl erhalten, wenn es um Punkte geht, oder ob sich dann doch jeder selbst der Nächste ist", sagt er. Im Idealfall braucht er sein Rad im Herbst aber vor allem, um pünktlich beim Heimspiel zu sein.

© SZ vom 03.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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