Hockey:Goldener Mittel-Weg

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Rebecca Landshut, 33, initiierte das Projekt "Ecke, Schuss - Gold!". (Foto: Simon)

Crowd-finanzierte Doku begleitet Nationalteams auf dem Weg nach Rio. Initiatorin des Projekts ist die ehemalige MSC-Kapitänin Rebecca Landshut

Von Katrin Freiburghaus, München

Nächster Halt: Singapur. An diesem Dienstag. Lehrgang mit der Nationalmannschaft. Dabei arbeitet sie bei einem großen Autobauer. Nicht in Singapur, sondern in München. Morgens um sechs Training, in der Mittagspause Laufen, am Abend Vereinstraining, am Wochenende Spiel. Zwischendrin fliegt sie nach Singapur. Und irgendwann, niemand weiß, wann, studiert sie für ihren Master. Ungefähr so sieht es aus, das Standard-Programm von Hockey-Nationalspielerin Nina Hasselmann vom Münchner Sportclub (MSC) in einer vorolympischen Saison.

Es ist auch das übliche Programm für viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, die bei den Olympischen Spielen in Rio um Medaillen spielen sollen - auch jener, die bis zur endgültigen Benennung des Kaders noch gestrichen werden. Allerdings absolvieren sie dieses Pensum unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein Dokumentarfilm der ehemaligen MSC-Kapitänin Rebecca Landshut soll das ändern: Die 33-Jährige will zeigen, "was es bedeutet, in einem Sport Profi zu sein, der kein Profisport ist". Finanziert wird er per Crowdfunding.

Nach langem Zittern hat das Projekt die Fundingschwelle von 280 000 Euro mit knapp 300 000 Euro zugesagter Unterstützung geknackt, das Ziel von 400 000 Euro wird es bis zum Ende der Sammelaktion am Freitag aber wohl deutlich verfehlen. Landshut hofft auch danach weiter auf Geldgeber, "weil mit dem Budget steht und fällt, wie intensiv wir mitgehen können".

Angelegt ist die Doku "Ecke, Schuss - Gold!" auf 40 Drehtage. Das Team wird beide Nationalmannschaften in Rio begleiten, vor allem aber den Weg dorthin abbilden. "Wir sind überglücklich, dass der Film sicher stattfinden wird. Jetzt geht es darum, wirklich das Beste in ihn hineinzupacken, was unser Sport zu bieten hat", sagt Landshut. Gemeint sind Bilder aus Indien, wo Moritz Fürste von Mitte Januar an die kurze, spektakuläre Liga-Saison spielen wird, aber auch Homestorys wie die über die Münchner Defensiv-Chefin Hasselmann.

Der Film wirft keinen Gewinn ab, das gesammelte Geld deckt ausschließlich die Produktionskosten. Für die Beteiligten sei der Film "finanziell eher ein Minusinvestment", stellt Landshut klar, es gehe darum, "etwas für den Sport zu erreichen". Die Bundesliga-Frauen des MSC erspielten in der laufenden Hallensaison mit Tor-Patenschaften bereits einen hohen dreistelligen Betrag, die Männer plünderten ihre Mannschaftskasse.

Dass Landshut vor allem in ihren ehemaligen Vereinen Club an der Alster und MSC viele Unterstützer mobilisieren konnte, mag mit ihrer Person zu tun haben. Allerdings gaben deutschlandweit auch zahlreiche andere Klubs Zusagen, der Deutsche Hockey-Bund (DHB) übernahm die Schirmherrschaft. DHB-Vizepräsident Delf Ness sagt: "Wir sind begeistert. Aus meiner Sicht kann dieser Film nur helfen, dem Hockeysport einen Schub zu geben."

Landshut ist nicht die einzige, die ihr Projekt neben nationaler Werbung auch als Präventionsmaßnahme gegen den womöglich drohenden Verlust des Olympia-Status betrachtet. Nach den Spielen in London war Hockey zum Entsetzen der Szene bis in die finale Runde der Streichkandidaten gerutscht. "Wir sind bis einschließlich 2020 gesichert, aber 2017 wird wieder veröffentlicht, wer anschließend auf der Liste der Gefährdeten steht", sagt Landshut. Entscheidende Kriterien sind neben der weltweiten Verbreitung einer Sportart Faktoren wie mediale Reichweite, Zuschauerzahlen und die damit kombinierte Vermarktbarkeit.

"Wenn sich die Möglichkeit bietet, echte Emotionalität zu transportieren, kann das nur imagefördernd sein", sagt Stefan Kermas, Trainer der MSC-Männer. Direkte Effekte auf den Entscheidungsprozess des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) verspricht er sich nicht: "Zu glauben, dass Hockey im IOC-Programm bleibt, weil in Deutschland ein Hockeyfilm läuft, ist relativ naiv, aber die Kette ist ja länger: Es gibt Lobbyismus, es gibt Politik - und Leute, die sich dann dafür einsetzen."

Um zu umreißen, wie wichtig das Etikett "olympische Sportart" für Hockey ist, genügen drei Wörter: Mitgliederzahlen, Aufmerksamkeit, Fördergelder. Und obwohl die Aktiven einhellig bedauern, dass ihr Sport lediglich alle vier Jahre auf der großen Bühne zu sehen sei, schwingt in der Klage auch stets ein "immerhin" mit. "Wir brauchen diesen Zugang", sagt Kermas. Zumal die Münchner Vereine durch das im Bau befindliche Leistungszentrum in der Landeshauptstadt von 2017 an auf deutlich verbesserte Trainingsbedingungen hoffen dürfen.

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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