Hockey:Diamanten im gallischen Dorf

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Aufbruch mit neuem Kapitän: Alexander Inderthal (re. im Duell mit Berlins Aidan Sarikaya) tritt in die großen Fußstapfen der langjährigen MSC-Führungsfigur Felix Greffenius. (Foto: Johannes Simon)

Die Hockeymänner des Münchner SC versuchen sich mit zehn neuen Spielern und flachen Hierarchien am Projekt Erstliga-Wiederaufstieg. Am Samstag bekommen sie gleich ihre erste Chance.

Von Katrin Freiburghaus, München

Was haben Herthas Fußballer, Handballmeister Flensburg-Handewitt und Norwegens Biathleten gemeinsam? Ja, sie sind ziemlich erfolgreich. Sie haben an der Uni Paderborn aber auch denselben wissenschaftlichen Berater in der Leistungsdiagnostik wie die Hockey-Männer vom Münchner Sportclub (MSC). "Das sind alles High-Potentials", sagt MSC-Coach Patrick Fritsche, und es ist ihm anzumerken, wie sehr er sich darüber freut, als Zweitligist das Interesse der Hochschule, die in jeder Sportart ein Team auswählt, geweckt zu haben. Denn genau damit verbrachte Fritsche einen großen Teil seiner Sommerpause nach dem Erstligaabstieg: für das Konzept des MSC zu begeistern.

Er fasst es kurz mit "Gallisches-Dorf-Mentalität" zusammen. Das ist freilich keine neue Erfindung, gefiel aber offenbar sowohl den Experten für Trainingssteuerung in Paderborn als auch zehn neuen Spielern, die zur Mannschaft stießen; darunter einige aus der ersten Liga. Der MSC habe sie bei der Suche nach Ausbildungs- und Studienplätzen unterstützt, sagt Fritsche, "aber in allen Gesprächen war auch so ein Funkeln in den Augen, weil wir sie von unserer Idee überzeugen konnten".

Von Abstiegsdepression kann demnach keine Rede sein, weder bei Fritsche noch beim neuen Kapitän Alexander Inderthal. "Wir haben schon in der vergangenen Saison erkannt, dass es im Grunde richtig für uns ist, weil wir einen großen Umbruch vor uns hatten", sagt Inderthal. Der langjährige Kapitän Felix Greffenius beendete seine Karriere und mit ihm die drei letzten verbliebenen Urgesteine Nikolai Duda, Max Stephan und Florentin Burkhardt. Zudem wechselte Sten Brandenstein nach beendeter Ausbildung zurück in seine Heimat Stuttgart, Niclas Schippan aus persönlichen Gründen nach Hamburg.

Zurückhaltung ist angebracht: Frankfurt und der TSV Mannheim stehen den Münchnern im Weg

Fritsche bevorzugt das Wort "Aufbruch", weil nun ein Kader zusammen sei, der langfristig zu einer verschworenen Einheit geformt werden solle. Aber es ist nicht wegzudiskutieren, dass die Masse an Transfers eine komplett neue Führungsstruktur zur Folge haben wird. Das sieht auch Fritsche so: "Wir brauchen einen Kapitän auf dem Platz, weil das die Regeln verlangen, aber daneben entscheiden wir in Zukunft alles gemeinsam." Auch Inderthal sieht für die Zeit nach dem "kompletten Kapitän Greffenius" nur Vorteile darin, die Kapitänsrolle abseits des Rasens "auf mehrere Leute zu verteilen".

Während die Hierarchie innerhalb des Teams flacher geworden ist, sollen bei Trainer Fritsche künftig alle Fäden zusammenlaufen. Der 29-Jährige ist seit dem Sommer in hauptamtlicher Funktion auch für den Jugendbereich im Klub verantwortlich. Er soll einen fließenden Übergang talentierter Spieler in die Bundesliga gewährleisten, dessen Bedeutung seiner Meinung nach noch immer unterschätzt wird. Mit der Einführung des G8 an den bayerischen Gymnasien und der Abschaffung der Wehrpflicht seien "im Prinzip zwei Ausbildungsjahre weggebrochen". Für Klubs wie den MSC, bei denen Spieler kein Geld mit dem Hockey verdienen, bedeutet das zwei Jahre weniger Ortsbindung und damit die Gefahr, die Spieler früh an die finanzstarken und sportlich erfolgreichen Konkurrenten in Nord und West zu verlieren. Deshalb sei es essenziell, "dass wir unsere Diamanten früh erkennen", sagt Fritsche.

Bester Garant für den Verbleib vieler Talente im Team wäre aber die Rückkehr ins Oberhaus. Die Mannschaft hat sich den direkten Wiederaufstieg als Ziel gesetzt. Allerdings schränkt Fritsche ein wenig ein, dass es sich dabei um ein "Ziel, auf das man hinarbeitet" handle, nicht um eine verbindliche Vorgabe. Zurückhaltung ist angebracht, denn die Staffel der zweiten Liga Süd ist mit dem Überraschungsabsteiger TSV Mannheim und den äußerst unbequemen Frankfurtern, die ebenfalls Aufstiegsambitionen hegen, "sehr unangenehm", wie Fritsche sagt.

Entscheidend ist aus seiner Sicht, "dass wir diese Liga ganz schnell erfolgsorientiert angehen". Das bedeutet im Gegensatz zum Vorjahr eine Abkehr von der Defensivtaktik. "Wir werden viel mehr Spielkultur erzeugen müssen als im vergangenen Jahr", sagt Fritsche, "wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir, wenn wir den Ball haben, damit auch was anfangen müssen." In der Vorbereitung sei das bereits gut gelungen. Am Samstag gegen den Limburger HC wird sich unter Realbedingungen zeigen, wie nah Fritsches Team dem eigenen Anspruch schon ist.

© SZ vom 07.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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