Hockey:Der Marmeladenglasmoment

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"Ziemliche Kükentruppe": Der Münchner SC stellt sich auf eine schwere Hallensaison in der Bundesliga ein - immerhin hat er wieder eine feste Bleibe.

Von Katrin Freiburghaus, München

Die kurze Hallensaison ist im Hockey traditionell die Zeit der großen Reaktivierungswellen. Kürzere Laufwege und ein komprimierter Spielplan erlauben es sowohl berufstätigen wie bereits zurückgetretenen Spielern, noch einmal in der nationalen Ligaspitze mitzumischen. Was dabei herauskommen kann, sah man im vergangenen Winter sehr gut an den Männern des Münchner Sportclubs, die nach jahrelangem Tanz auf dem schmalen Grat zur Zweitklassigkeit balanciert waren und es mit einer Mischung aus Jung und Alt bis ins Halbfinale schafften.

In der Abwehr standen damals Felix Greffenius und Nikolai Duda, zwei Innenverteidiger, die das Gesicht das MSC ein gutes Jahrzehnt lang geprägt hatten und es gemeinsam locker auf 40 Jahre Hockeyerfahrung auf hohem Niveau brachten. Wenn die MSC-Teams am kommenden Wochenende in die neue Spielzeit starten, werden sie mit dieser Tradition brechen: Sowohl der Kader der Frauen als auch der der Männer wird jünger als im Feld sein. Eine Prognose darüber, wofür das in der jeweiligen ersten Liga Süd reichen wird, verweigern beide Trainer.

Patrick Fritsche, verantwortlich für die Halbfinalisten der Vorsaison, mahnt zu neuen Zielen. Er bezeichnet den Erfolg der Vorsaison als "Marmeladenglasmoment", der dafür konserviert sei, "dass wir uns darüber freuen, wenn es uns nicht gut geht". Für die neue Spielzeit wolle er aber "kein Ziel auf Grundlage der Vergangenheit" formulieren. Die Staffel schätzt er ähnlich ausgeglichen wie in der Vorsaison ein, weshalb sich das Team keine Platzierung, sondern die Entwicklung einer verschworenen Gemeinschaft vorgenommen hat. Spieler wie Daniel und Christian Schellinger, ersterer als einer von zwei Kapitänen, werden trotz ihrer erst 21 Jahre Schlüsselrollen übernehmen, vier Akteure im Team sind noch nicht mal volljährig.

Für das erste Spiel am Sonntag in Frankfurt sieht Fritsche in der Jugend Chance und Gefahr zugleich. Der wegen seiner destruktiven und körperlichen Spielweise unangenehme Gegner rief bei arrivierten Kräften oft schon vor dem Anpfiff eine Gegenreaktion hervor. Er könne sich gut vorstellen, sagt Fritsche, "dass eine unbeschwertere Herangehensweise ein Vorteil ist". Andererseits sei Erfahrung speziell gegen solche Teams oft ein entscheidender Faktor. "Und die", sagt Münchens Trainer, "haben wir nicht."

André Schriever schätzt die Situation in der Frauen-Staffel ähnlich ein. Anders als im Vorjahr rechnet er auch hier mit einer eher homogenen Leistungsstruktur, wobei er Klubs mit älteren Spielerinnen im Vorteil sieht. "Die Mannschaften, die zuletzt ganz oben standen, hatten fast immer viel Erfahrung drin", sagt er. Weil Jacqueline Dorner, Michelle Strobel und Anissa Korth aus Studiengründen pausieren, muss der MSC jedoch ohne diesen Bonus auskommen. "Wir gehen mit einer ziemlichen Kükentruppe an den Start", sagt Schriever. Das Saisonziel Klassenerhalt klingt entsprechend bescheiden.

Mehr Sicherheit als in der Vorsaison gibt es lediglich in der Hallenfrage. Statt ständiger Ortswechsel ist der MSC bis auf einen Heimspieltag im Dezember wieder Dauergast in Allach - mit allen Vor- und Nachteilen. Ein fester Standort kommt Zuschauern und Teams entgegen, dass er weit außerhalb liegt und es atmosphärisch nicht mit der hellen Halle des Gymnasiums Nord aufnehmen kann, schmälert die Vorfreude. Wirklich kritisieren will das aber niemand, denn Hallen sind ein sensibles Thema, zumal für Sportarten wie Hockey, die eher wenig im Fokus sind.

Nach den Herbstferien standen sogar die Trainingszeiten für die Teams der Eliteschule des Sports auf der Kippe, die zum Unterricht gehören, weil es keine Hallenkapazitäten gab. Laut Landestrainer Hermann Ellenbeck wurde das Problem gelöst - über den Umweg, dass die Schüler in Großraumtaxis gebracht und geholt werden müssen. Die Ursache: "Der Bayerische Hockey-Verband ist der einzige Spitzensportverband, der über keine eigenen Anlagen verfügt", sagt Ellenbeck. Ändern lässt sich das wohl nur mit viel Geld oder Erfolg.

© SZ vom 29.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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