Hockey:Bewegung im Süden

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Bundesligist Münchner SC will mehr auf die eigene Jugend setzen. Die macht national gerade auf sich aufmerksam

Von Andreas Liebmann, München

Die A-Mädchen des Münchner SC waren am vergangenen Wochenende in Darmstadt. Das ist nichts Besonderes mehr für sie, im vergangenen Jahr reisten die zwölf- bis 14-jährigen Hockeyspielerinnen sogar nach Paris. Am kommenden Wochenende wird die männliche Jugend B in Berlin antreten, auch sie ist lange Reisen längst gewöhnt - kürzlich war sie in London. Ganz selbstverständlich ist es trotzdem nicht, in welcher Vielzahl der MSC seinen Nachwuchs plötzlich umherschickt. Alle acht Teams hatten sich in der Halle für die bayerischen Meisterschaften qualifiziert, vier haben über die süddeutsche die deutsche Endrunde erreicht - und das ist sehr wohl etwas Besonderes, nicht nur für sie, sondern für die ganze Hockeyszene.

Der Münchner SC, das muss man wissen, hat es mit dieser Bilanz unter die besten drei Klubs in Deutschland geschafft. Dabei nimmt München auf der deutschen Hockey-Landkarte allenfalls eine unbedeutende Randlage ein. Wirklich groß ist der Sport in Berlin, in Hamburg oder Mannheim. Die Bundesligateams des MSC und des Stadtrivalen HLC Rot-Weiß überstrahlen diese Probleme immer wieder, doch sie bestehen eigentlich nur, weil sie regelmäßig Zuzug aus dem Norden bekommen. "Die Lebensqualität hier ist ein Trumpf", sagt Christoph Elste, der Jugendkoordinator des MSC, "dazu das Klubleben, mit dem man werben kann. Und natürlich der attraktive Studienstandort." Talente aus eigener Förderung spielten bislang nahezu keine Rolle. "Wir hatten keine Struktur im Nachwuchsbereich, keinen roten Faden", erläutert Elste. "Vor dreieinhalb Jahren haben wir dann die Pläne geändert." Dass es so schnell ging, bis sich sichtbare Erfolge einstellten, überrasche ihn selbst.

Elste, 39, war mal Trainer der Männer, vor dreieinhalb Jahren wurde er dann als hauptamtlicher Jugend-Cheftrainer eingestellt. Seitdem gibt es Jugendkonzepte, nach denen alle Jahrgänge arbeiten, alle haben professionelle Trainer bekommen. Stefan Kermas, 35, Hallen-Weltmeister von 2007 und ebenfalls mal Trainer der MSC-Männer, wurde nach seiner Rückkehr aus Köln als Sportdirektor etabliert. Nebenbei ist er Hallen-Bundestrainer. "Das ist auch eine ganz entscheidende Personalie", sagt Elste, "er steuert von oben unsere Struktur und bringt sein Knowhow ein." Tja, und nun haben sie also vier deutsche Endrundenteilnehmer, zwei Mädchen-Teams traten am vergangenen Wochenende an, die Jungen sind an diesem Wochenende dran.

Ihre Platzierungen findet Elste weniger wichtig als das Dabeisein. Die weibliche A-Jugend wurde Fünfte. Die A-Mädchen in Darmstadt wurden Achte und Letzte, "das klingt ernüchternd, aber ich bin zufrieden". Beim 1:1 gegen Gladbach wäre ein Sieg drin gewesen, gegen den Bremer HC verhinderte die Latte den Ausgleich - im Gegenzug fiel das 1:3. "Ein paar Kleinigkeiten" hätten den Halbfinaleinzug verhindert, so Elste, "anfangs waren die Mädchen wegen der vielen Eindrücke gehemmt. Aber es ist gut, dass sie diese Erfahrungen jetzt schon machen." Es gehe darum, künftige Bundesligaspieler auszubilden, "da brauchen sie solche Drucksituationen".

Das ist auch der Grund für die ganzen Reisen. "Das Niveau in Bayern ist nicht so gut, dass wir uns über Punktspiele weiterentwicklen können", sagt Elste, also werden die Talente häufig zu Turnieren in den Norden oder ins Ausland geschickt. Die Erfolge kommen nicht von ungefähr. "Die Leistungssport-Mannschaften trainieren drei- bis viermal pro Woche", erläutert Elste, "es gibt zusätzliche Athletik- und Individualtrainings, auch die Zusammenarbeit mit den Bundestrainern klappt." Es falle sehr wohl auf in der Trainerszene, dass sich im Süden etwas bewegt. Früher sei es gerade für die Bundestrainer uninteressant gewesen, dort nach vereinzelten Talenten zu suchen, wo doch im Norden viel mehr Qualität auf engem Raum zu beobachten war. Nun würden erste Münchner Talente auch in die Nationalkader geholt.

Bis es soweit war, sei "viel Überzeugungsarbeit nötig" gewesen, gerade bei den Eltern. Die schulische Belastung sei hoch, da ist es nicht selbstverständlich, nebenher so aufwendig Leistungssport zu betreiben. Zumal nun die Eltern für all die Reisekosten aufkämen. "Ohne ihre Unterstützung ginge es gar nicht", weiß Elste.

Und der ganz große Schub wird erst kommen. Auf dem MSC-Vereinsgelände wird bis 2017 ein Hockey-Leistungszentrum entstehen, mit einem weiteren Kunstrasen und drei Hockey-Hallen, die Stadt will einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag investieren. Das geht einher mit der Entstehung eines neuen Sportgymnasiums im Münchner Norden. "Bessere Voraussetzungen gibt es in ganz Süddeutschland nicht", schwärmt Elste, er freut sich auf völlig andere Trainingsmöglichkeiten. Der Bayerische Hockey Verband wird als Betreiber einziehen und hier seine Kader trainieren, doch auch alle Münchner Klubs werden profitieren. Die ganze Hockey-Szene der Stadt werde enger zusammenrücken, glaubt Elste, anders als jetzt, wo im Winter die Vereine über verschiedene Hallen verstreut sind. Auch der deutsche Verband könne dann Turniere nach München vergeben. "Wir wollen dieses Leistungszentrum ja nicht nur herumstehen haben, wir wollen es mit Leben füllen", sagt Elste.

Aus jedem Jahrgang will der MSC einen Spieler bis in die Bundesliga bringen. Der Nachwuchs aus den eigenen Reihen sei umso wichtiger, da hier niemand für seinen Sport Geld, Wohnung oder Auto bekomme, wie es bei Klubs im Norden üblich sei. "Das soll auch so bleiben", sagt Elste. Katharina Kirschbaum hat den Sprung schon geschafft, im April wird sie von der Jugend in den Bundesligakader aufrücken. Bei den Jungen werden sich gleich vier bei den Männern versuchen: Daniel und Christian Schellinger, Philipp Schippan und Kilian Grießl. "Auch um die nächsten Jahrgänge mache ich mir keine Sorgen", sagt Elste, "da kommen einige nach." Die Trümpfe ihrer Stadt können sie ja trotzdem weiter ausspielen.

© SZ vom 27.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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