Hockey:Angriff der 19-Jährigen

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Nach großem Umbruch starten die Hockeyfrauen des Münchner SC mit bescheidenen Zielen in die Bundesliga. Der frühe Saisonstart kommt dem jungen Team dabei überhaupt nicht gelegen.

Von Katrin Freiburghaus, München

Die Vorbereitung sei kurz gewesen, sagt André Schriever. Dann korrigiert er sich: "Also die gemeinsame Vorbereitung." Erst anderthalb Wochen vor der an diesem Samstag beginnenden Bundesliga-Saison hatte der Frauen-Trainer des Münchner Sportclubs sein Team komplett beisammen. Davor hatten sich seine Spielerinnen zwar vorbereitet, auf dem Großfeld an der Abstimmung zu feilen war aufgrund der Personalsituation jedoch kaum möglich gewesen. Grund dafür ist der ungewöhnlich frühe Saisonstart, der nicht nur mitten in den Semesterferien liegt, sondern in diesem Jahr sogar in die bayerischen Schulferien fällt. "Damit hatten wir bei einem Altersschnitt von 19,5 Jahren massiv zu kämpfen", sagt Schriever.

Er macht keinen Hehl daraus, dass er von der Ursache für die Verschiebung wenig hält: der Hockey Pro League, einer vom Hockey Weltverband (FIH) neu eingeführten Länderspiel-Serie im Rahmen der Olympia-Qualifikation, von der sich die FIH gute Vermarktungsmöglichkeiten verspricht. Schriever zweifelt am Sinn des Projekts, das die nationalen Ligen viel Spielzeit kostet. "Das ist für mich eine besser verpackte Testspielserie, deretwegen die Bundesligen jetzt einen Teil der Rückrunde bereits in diesem Jahr absolvieren", sagt Schriever: "Für alle, die nicht in der Nationalmannschaft spielen, ist diese Komprimierung nicht gut."

Er meint damit auch den MSC. Denn seit sich die langjährige Kapitänin Hannah Krüger zum vergangenen Saisonende in den Hockey-Ruhestand verabschiedete, hat der Klub keine A-Kader-Spielerin mehr. Diese Situation hat es lange nicht gegeben: Nina Hasselmann, Kim Platten, Elena Willig und eben Krüger prägten das mit einigen Endrundenteilnahmen sowie dem Gewinn des Europapokals überaus erfolgreiche vergangene Jahrzehnt der Mannschaftsgeschichte ganz entscheidend.

Deshalb stimmt es wohl auch nur mathematisch, wenn Schriever sagt, Zu- und Weggänge hielten sich mit sieben zu sechs die Waage. Zwar stehen sieben neue Namen auf der Kaderliste, aber es fehlen in Krüger und Ariane Servatius eben auch die letzten beiden verbliebenen Routiniers. "Der Umbruch ist jetzt komplett", sagt Schriever, "nun muss sich die Mannschaft neu finden." Das Saisonziel ist mit dem Klassenerhalt entsprechend niedrig angesetzt, bange ist dem 36-Jährigen dennoch nicht, denn die Abschiede kamen nicht überraschend. Der von Krüger war die komplette vergangene Saison über vorbereitet worden, in der ihre Nachfolgerin Michelle Strobel bereits die Kapitänsbinde trug, aber mit einer Art doppeltem Boden unterwegs war. "Ich konnte bei Fragen immer kommen, aber Hannah hat sich schon sehr zurückgenommen und mich da super reingeleitet", sagt Strobel.

Die 22-Jährige sieht in der neuen Homogenität des Teams Chance und Herausforderung zugleich. "Es ist jetzt allen klar, dass keine ältere Generation mehr da ist, auf deren Erfahrung man sich ausruhen könnte", sagt sie, "das schweißt zusammen und führt dazu, dass sich auch in Besprechungen alle mehr einbringen." Das Vorbereitungsturnier in den Niederlanden vor einer Woche habe gezeigt, dass das verjüngte Team konkurrenzfähig sei. Ein weiteres Turnier hatte der MSC zuvor allerdings wegen Personalmangels ausgelassen, weshalb Schriever in den Spielen gegen den deutschen Spitzenklub UHC Hamburg (0:2) sowie Rotterdam (1:3) und Groningen (2:3) "Licht und Schatten" sah.

"Die Abstimmung hat noch nicht ganz hingehauen, aber das werden wir bis Berlin abstellen", sagt Schriever. Für das Auftaktwochenende beim Berliner HC am Samstag und Aufsteiger Zehlendorfer Wespen am Sonntag hat sich das Team "drei Punkte plus x" vorgenommen. Insgesamt erwartet Schriever, von den Titelanwärtern abgesehen, eine Wundertüte. Die Liga sei durch die extreme Sogwirkung der Spitzenteams aus Hamburg, Mannheim und Düsseldorf personell noch weniger ausgeglichen als in der Vorsaison. "Die Masse der Klubs hat deshalb eher Leute verloren, was für uns kein Nachteil ist", sagt Schriever. Denn die Ligaspitze kann dem MSC in dieser Saison herzlich egal sein.

Damit sich das auf Sicht wieder ändert, warb der Klub zuletzt intensiv und erfolgreich um Spendengelder für die Errichtung eines zweiten Kunstrasenplatzes. Zur kommenden Saison sollen die Bauarbeiten inklusive Sanierung des bestehenden Rasens abgeschlossen sein. "Wenn der zweite Platz nicht gekommen wäre, hätten wir den Laden in Sachen Leistungssport über kurz oder lang zusperren können", sagt Schriever. Der MSC befindet sich seit Jahren in einer verzwickten Situation: Einerseits ist er für die Bundesliga auf eigene Talente angewiesen, andererseits trainiert er an der Kapazitätsgrenze. Vom kommenden Frühjahr an soll dieses Problem nur noch Klubgeschichte sein.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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