Handball:"Und wir rennen immer noch durch den Wald"

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Auf ein Neues: Stephan Seitz (Mitte) setzt sich im letzten Heimspiel gegen Berlin durch, nun kommt nach einem halben Jahr Pause Balingen. (Foto: Claus Schunk)

Weil Allachs Halle zu bleibt, sehen sich die Bundesliga-Junioren des TSV im Wettbewerbsnachteil.

Von Ralf Tögel, München

Andreas Krauß ist zurzeit viel in den Wäldern und auf den Wiesen im Raum München unterwegs. Das liegt nicht nur daran, dass der Trainer der Allacher A-Junioren ein Naturfreund ist. Es hat vielmehr damit zu tun, dass er in seiner Funktion in keine Sporthalle zum Üben darf. Das ist alles andere als optimal, findet Krauß, denn um eine Handballmannschaft auf eine Bundesliga-Saison vorzubereiten, ist eine Halle unabdingbar. Ganz besonders dann, wenn man sieben neue Akteure integrieren muss. Im Wald kann Krauß Athletik und Kondition der Spieler verbessern, ansonsten aber vergeht Woche für Woche kostbare Vorbereitungszeit, weshalb Allach für die kommenden Saison einen Wettbewerbsnachteil befürchten. Denn der Saisonstart wurde vom Deutschen Handballbund auf Anfang Oktober terminiert.

Die Heimstatt des TSV ist die Eversbuschhalle, die von der Stadt München betrieben wird, und die kann derzeit keinen Hallenbetrieb ermöglichen. "Das ist der große Unterschied zur öffentlichen Wahrnehmung", sagt Allachs Handball-Abteilungsleiter Alexander Friedl. "Seit dem 8. Juni können die Turnhallen eigentlich wieder öffnen, aber nicht in München." Was schlicht an den riesigen Anforderungen in einer so großen Kommune liege, denn es gibt in der Landeshauptstadt knapp 400 Hallen, für die nun alle die Vorgaben vom Freistaat umgesetzt werden müssen. "Das Hygienekonzept muss sportarten- und standortspezifisch umsetzbar sein", erklärt die Stadt in einer Stellungnahme, angesichts der Zahl sei dies "eine große Herausforderung". Die Landeshauptstadt steht als Betreiber in der Verantwortung. Friedl will der Verwaltung daher keinen Vorwurf machen: "Ich sehe natürlich die Probleme. Die Stadt muss als Eigner dafür sorgen, dass alle Maßnahmen und Regeln umgesetzt werden." Zumal nun alle Klubs gleichzeitig Bedarf anmelden. Nicht zuletzt die Frage der Haftung spiele eine Rolle, sollten Neuinfektionen in diesem Zusammenhang auftreten. Was schnell passieren könne, so Friedl, wie gerade das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeige.

Für eine Hallennutzung sieht der Abteilungsleiter im Fall seiner A-Junioren aber eine besondere Notwendigkeit: "Das ist eine Bundesliga-Mannschaft, wir geraten im Vergleich mit den Konkurrenten immer weiter ins Hintertreffen." Womit Friedl nicht einmal die vielen Handball-Internate der diversen Bundesligisten meint wie die Füchse Berlin, Magdeburg, Flensburg oder die Rhein-Neckar Löwen, die längst in den eigenen Hallen trainieren. Auch in Gelnhausen, Günzburg oder Erlangen werde bereits wieder in der Halle geübt, in Augsburg habe die Kommune die Verantwortung an die Vereine übergeben. Das ist aber in München nicht machbar, sagt die Stadt: "Eine vollumfängliche Übertragung der Verantwortung in Bezug auf die Umsetzung des Hygienekonzepts auf die Vereine ist nicht möglich", denn die Stadt müsse etwa "stichprobenartig die Einhaltung der Vorschriften kontrollieren, um ihrer Verpflichtung gerecht zu werden." Für sein Team ist ein Ende der hallenlosen Zeit nicht in Sicht, sagt Friedl. Dabei würde Allach der Stadt gerne entgegenkommen: "Wir haben verschiedene Desinfektionsartikel angeschafft, ich habe sogar das Angebot von Eltern, die bei der Hallenreinigung helfen würden."

So aber bliebe derzeit nichts als die Überlegung, sich an den Wochenenden "in Hallen von Privatbetreibern einzumieten", sagt Trainer Krauß. "Natürlich ist das teuer, aber was bleibt uns langsam anderes übrig?" Andere Teams würden bereits an Würfen und Teamabläufen arbeiten, "und wir rennen immer noch durch den Wald". Dabei habe er sieben Spieler, die aus Altersgründen die Mannschaft verlassen müssen, zu ersetzen: "Ich muss natürlich erst einmal sehen, was die neuen Jungs können, wie ihr Verständnis für Abläufe ist, wir sind immer noch ein Teamsport." Gerade seine Mannschaft habe in der abgelaufenen Saison mit Teamspirit und Einstellung viel wettgemacht, nun kennen sich die Spieler noch nicht einmal, denn die meisten würden ihre Trainingseinheiten daheim und individuell erledigen. Immerhin steht nach jetzigem Stand ein Turnier in der Schweiz auf dem Programm, danach ein fünftägiges Trainingslager in Ungarn, dort sei Hallentraining bereits seit mehr als drei Wochen wieder erlaubt.

Wenigstens bleibt den Allacher Junioren die Bundesliga-Qualifikation erspart, "die haben wir ja mit dem Erreichen der Meisterrunde geschafft", erinnert Friedl. Was bekanntlich keiner bayerischen Mannschaft vorher gelungen war, auch kommende Saison wird also der TSV Allach das Aushängeschild des Freistaats sein. Neben den Handballern aus dem Münchner Nordwesten bekommt nur ein weiterer bayerischer Klub das Startrecht. Dem Vernehmen nach dürfte sich dies zwischen dem Leistungszentrum Großwallstadt oder dem Bundesliganachwuchs aus Erlangen entscheiden. Friedl weiß natürlich als Vater dreier Handball spielender Kinder, wie wichtig auch die Rückkehr des Breitensports ist, aber "die Leistungssportler wie unsere A-Jugendlichen leiden ganz besonders unter der Situation".

© SZ vom 25.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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