Handball:Übermächtiger Aufbaugegner

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Fürstenfeldbrucks Drittliga-Handballer unterliegen in der ersten DHB-Pokalrunde erwartungsgemäß dem Erstligisten Gummersbach. Beim 27:31 zeigt die junge Mannschaft aber, dass sie dem Saisondebüt am kommenden Wochenende optimistisch entgegenblicken darf

Von Ralf Tögel, Fürstenfeldbruck

"Wir wussten schon, was auf uns zukommt", meinte Emir Kurtagic, nachdem er sein kleines Zwiegespräch mit den Schiedsrichtern in den Katakomben der Brucker Wittelsbacher Halle beendet hatte. Die kleine Diskussion nach dem Erstrundenspiel im DHB-Pokal war Beleg, dass Kurtagic nicht alles gefallen hatte, was er in den 60 Minuten vorher gesehen hatte. Zwar hatte der VfL Gummersbach, dem der Deutsch-Bosnier als Trainer vorsteht, gegen den TuS Fürstenfeldbruck mit 31:27 Toren gewonnen. Angesichts der Tatsache, dass der Traditionsverein aus dem Oberbergischen seit Erfindung der Handball-Bundesliga im Jahr 1966 als einziger Verein dieser stets angehörte und die Brucker zwei Klassen tiefer notiert sind, hätte das Resultat seiner Ansicht nach schon etwas deutlicher ausfallen dürfen.

Die Erkenntnis des VfL-Trainers bezog sich auch nicht auf ein umfangreiches Videostudium des unbekannten Kontrahenten, sie war vielmehr der Tatsache geschuldet, dass es für den Gastgeber "das Spiel des Jahres war". Für seine Akteure dagegen eine schnöde Pflicht, die selten Raum für Glanz bietet. Immerhin entledigte sich der VfL der Aufgabe sympathisch und letztlich souverän, Beleg war, dass es nicht einmal eine Handvoll Zeitstrafen gab - insgesamt. Es würde den Rahmen sprengen, an Erfolge oder große Spieler zu erinnern, die beim zwölfmaligen deutschen Meister und Landesmeister-Champion gewirkt haben, besser lässt sich die Klasse des Traditionsklubs, der nach schweren Jahren mit finanziellen Problemen in der vergangenen Saison als Neunter gewissermaßen reüssierte, an drei seiner Spieler festmachen: Torhüter Carsten Lichtlein, Spielgestalter Simon Ernst und Rückraumwerfer Julius Kühn sind Europameister, Kühn hatte zudem in Rio entscheidenden Anteil am Gewinn der Olympia-Bronzemedaille.

Bronzemedaillengewinner Julius Kühn ist eine Nummer zu groß. (Foto: Günther Reger)

Im Fußball kann es schon mal vorkommen, dass ein Haufen Sportfreunde aus Lotte einen Gegner vergleichbarer Güteklasse in der ersten Pokalrunde blamieren, im Handball ist dergleichen nahezu undenkbar. "Es ist der Charakteristik der Sportart geschuldet, dass Überraschungen nicht möglich sind", formulierte TuS-Trainer Martin Wild hernach einen Satz, der auch einem sportphilosophischen Handbuch entstammen könnte. Freilich blieb auch dem Laien nicht verborgen, dass Gummersbach jederzeit in der Lage war, den Spielverlauf wenn nötig mittels Einzelaktionen anzupassen. Gleichwohl zeigte der Drittligist, immerhin Zweiter der Vorsaison in seiner Gruppe, eine Leistung, die der Handball-Euphorie in Bruck sicher keinen Abbruch tut. Und der TuS hatte sich im Gegensatz zu den Gästen ausführlich vorbereitet. Rio-Fahrer Kühn hatte vor der Partie noch zugegeben, dass man über die Brucker "nicht so viel, bis fast gar nichts" wisse, Wild dagegen begegnete dem Favoriten mit einer aggressiven und offensiven Abwehr, die diesem so gar nicht schmeckte. So entwickelte sich eine flotte, sehenswerte Partie, die dann doch einiges hielt, was sie versprochen hatte.

Zwar ließ VfL-Coach Kurtagic seinen Bronze-Mann lange auf der Bank, schließlich fehlte der den Großteil der Vorbereitung, doch gegen Ende des Spiels zeigte der hünenhafte Halblinke Kühn noch ein paar Kostproben seiner Wurfgewalt. Carsten Lichtlein durfte in der ersten Halbzeit mit seinen Paraden glänzen, wobei man anfügen muss, dass ihm sein Brucker Pendant Michael Luderschmid fast die Show gestohlen hat, denn der zeigte trotz der 31 Gegentreffer unglaubliche Paraden.

Europameister Carsten Lichtlein musste mehr Bälle als erwartet aus dem Netz fischen. (Foto: Günther Reger)

18:12 lag der Favorit zur Halbzeit in Front, zu wenig für den Geschmack des Trainers. "Wir haben es verpasst, das vorzeitig zu beenden", fand Kurtagic. Der Plan sah vor, mit einem Zwischenspurt und entsprechendem Vorsprung beim Gegner "die Lust zu brechen". So habe der TuS immer das Gefühl gehabt, dass vielleicht doch noch etwas möglich ist. "Ich bin nicht sauer auf meine Jungs", sagte Kurtagic noch, für ihn zähle der Sieg, weniger das Ergebnis. Dann hatte er für den TuS noch ein paar blumige Worte parat: "Eine kämpferisch orientierte Mannschaft, die wirklich super gespielt hat." Selbst Europameister Lichtlein war ob der "sehr aggressiven, sehr agilen und beweglichen Mannschaft" beeindruckt, "die uns mit ihrer offensiven Abwehr Probleme bereitet hat." Freilich war weder Trainer noch Keeper entgangen, dass "wir viele Fehler gemacht haben", wie Lichtlein anmerkte.

Im Finale traf der VfL am Sonntag auf einen Gegner, der diese zu nutzen wusste. Zweitligist Ludwigshafen-Friesenheim, in der Vorsaison am Aufstieg als Vierter nur am Torherverhältnis gescheitert, hatte im anderen Halbfinale dem Drittligisten Longericher SC beim 34:23 keine Chance gelassen und zeigte sich gegen Gummersbach als ebenbürtiger Gegner. Nach einem spannenden Spiel und knapper 17:16-Führung zur Pause behielten die Rheinland-Pfälzer mit 32:31 die Oberhand und schafften den Einzug ins Pokal-Achtelfinale.

Die TuS-Spieler hatten viel Grund zur Freude. (Foto: Günther Reger)

War das Aus des Erstligisten Gummersbach dann doch überraschend, hat der Pokalwettbewerb in dieser denkwürdigen ersten Runde für den TuS Fürstenfeldbruck das erwartete Ende gebracht. Freilich dürfen Trainer Wild und seine Mannschaft dem Saisonstart am kommenden Samstag beim TV Hochdorf optimistisch entgegensehen. "Wir nehmen viel Selbstvertrauen aus dem Spiel mit und das Wissen, in der Vorbereitung nicht alles falsch gemacht zu haben", sagte der TuS-Coach. Hochdorf im Übrigen bekam von den Rhein-Neckar Löwen eine 19:42-Abreibung im Pokal.

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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