Handball:Schatten auf der Sonnenseite

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Cedric Riesner ist mit neun Toren bester Schütze – und hat bereits ein Zweitspielrecht für Fürstenfeldbruck. Das gefällt nicht allen beim TSV Allach. (Foto: Claus Schunk)

Die A-Jugend des TSV Allach unterliegt Wetzlar zum Start in die Meisterrunde um die deutsche Meisterschaft knapp mit 31:33. Und Trainer Krauß gibt bekannt, dass er am Saisonende aufhört.

Von Heike A. Batzer, München

Andreas Krauß steht da wie immer. Manchmal breitet der 62-Jährige mit der schlaksigen Figur die Arme aus, ruft in Richtung Spielfeld. Dann gibt er einem Einwechselspieler Anweisungen. Doch diesmal ist es nicht wie immer. Krauß, Trainer der A-Jugend-Handballer des TSV Allach, wird das Team zum Saisonende verlassen. Ausgerechnet jetzt, werden jene sagen, die den größten Erfolg in der jüngeren Allacher Handballhistorie auch mit seiner Person verbinden. Schon die Qualifikation zur Jugend-Bundesliga war ein großer Erfolg. Überboten haben sich die Allacher dann noch selbst - mit dem Einzug in die Endrunde um die deutsche Meisterschaft.

Doch die Sonnenseite des Erfolgs wirft offenbar schon länger Schatten. Im Hintergrund schwelt ein Streit um die künftige Ausrichtung des Vereins. Krauß wird vorgeworfen, die größten Talente nicht genügend an den Verein zu binden, sondern ihnen frühzeitig Kontakte zum Drittligisten Fürstenfeldbruck zu vermitteln. Im Verein "wünscht man sich einen Trainer mit Kleeblattbrille", sagt Krauß dazu und spielt damit auf das Logo des TSV Allach an. Er aber versuche, "junge Spieler ihrem Können nach weiterzubringen". Die Lage spitzte sich ausgerechnet in der Woche vor dem Start in die Endrunde zu. Als sie am Samstagnachmittag die erste Partie gegen den Nachwuchs des Bundesligisten Wetzlar bestreiten, der unter dem Vereinsnamen HSG Dutenhofen/Münchholzhausen antritt, wissen die Allacher Spieler bereits Bescheid. Sie erweisen sich aller Querelen zum Trotz als ebenbürtiger Gegner, hätten einen Punkt verdient gehabt. Am Ende verlieren sie das Spiel aber mit 31:33 Toren.

Scheinbar unbeeindruckt machen sie sich an ihre Aufgabe. Andreas Krauß hatte sie am Vortag informiert. "Das bin ich ihnen schuldig", sagt er. Vor der Rekordkulisse von 630 Zuschauern in der Halle an der Eversbuschstraße, darunter der Handball-Weltmeister von 2007, Dominik Klein, geben sie ihr Bestes, gehen mutig in die Partie, liegen aber von Beginn an zurück. Der Rückstand wächst auf zwischenzeitlich fünf Tore an, zur Halbzeit fehlen deren vier (12:16). Man habe mitgehalten, wird Trainer Krauß später analysieren, aber die Fehlerquote sei höher gewesen als sonst. Seine Handballer leisten sich einige Fehlwürfe zu viel, scheitern zudem zweimal beim Siebenmeter. Den Gästen indes gelingt es immer wieder, die Allacher Abwehr mit Würfen aus der Distanz zu überwinden. Nach der Pause waren es vielleicht die beiden Reflexe von Torhüter Louis Oberosler, die so etwas wie eine Initialzündung zur Aufholjagd waren.

Krauß hat die Besetzung auf dem Feld ein wenig durchgewechselt, fortan kommen die Allacher unter dem lauten Jubel des Publikums Tor um Tor heran. Jugendnationalspieler Cedric Riesner, mit neun Toren bester Allacher Schütze und bereits mit Doppelstartrecht für den TuS Fürstenfeldbruck ausgestattet, ist es vorbehalten, beim 23:23 (46.) erstmals gleichzuziehen. Riesner stellt immer wieder seine Durchsetzungsfähigkeit im Gedränge am Wurfkreis unter Beweis. Reaktionsschnell dreht und wendet er sich und schafft es, sich aus den Zugriffen der Gegner zu befreien. Und so jubelt das Publikum bei Riesners 25:25 (49.) schon, noch ehe der Ball im Netz zappelt. Doch die 49. Minute ist noch nicht zu Ende gespielt, da erarbeiten sich die Gäste wieder einen Zwei-Tore-Vorsprung. Die Allacher können ihn nicht mehr aufholen.

Der Begeisterung in der Halle tut das keinen Abbruch. Allein der Einzug unter die 16 besten A-Jugendteams Deutschlands, unter denen sich vor allem Nachwuchsmannschaften der Bundesligisten befinden, ist ein nicht erwarteter Erfolg für den Stadtteilverein und für die gesamte Handballregion München. Der bleibt freilich nicht unbeobachtet. Auch Bundesligaklubs wie Erlangen und Balingen sollen schon ein Auge auf manchen Allacher geworfen haben. Das kommt nicht bei allen im Verein gut an, zumal der Klub seine eigene Seniorenmannschaft endlich aus der Landesliga in die Bayernliga führen möchte. Bei dem Vorhaben sollen die begabten A-Jugendlichen helfen, so das Kalkül. Doch kann man sie überhaupt im Verein halten? Und vor allem wie?

Diethard Fent, der Vereinsvorsitzende, ist auch in der Halle. Er gilt als derjenige, dem Krauß' Verhalten missfällt. Er versucht, den Konflikt klein zu reden. Dass Krauß nicht mehr Trainer sein werde in der nächsten Saison, in der die A-Jugend erneut für die Bundesliga qualifiziert ist, will er nicht explizit bestätigen. Die zentrale Frage sei, sagt er, wie man es am besten bewerkstelligen könne, "die Jungs zu integrieren". An diesem Montag gebe es weitere Gespräche. Alle im Verein müssten in die gleiche Richtung gehen, sagt er noch. Auch in der Vergangenheit sind den Allachern ihre größten Talente abhanden gekommen, das will man nun offenbar verhindern. Alexander Friedl, der in der Handballabteilung beliebte technische Leiter, der zehn Jahre lang viel Engagement und Herzblut in den Verein gesteckt hat, hätte Krauß gerne behalten: "Er macht Toparbeit." Auch die Mannschaft kann mit dem Trainer. Zu den aktuellen Differenzen wolle er sich nicht äußern, sagt Rückraumspieler Fabian Winter. Dass Andreas Krauß aber Wertschätzung im Team genießt, wird schnell klar: "Er ist nach wie vor ein geiler Trainer."

© SZ vom 02.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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