Handball:Rund um das gallische Dorf

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Hauptsache Spaß: Hier vergreift sich Allachs Steffen Fried am Hachinger Thomas Schibschid. (Foto: Claus Schunk)

Vier Teams aus der Region traten in der Bayernliga an, nur eines hielt wirklich mit: Der SV Anzing besitzt gute Voraussetzungen, um sich dort dauerhaft zu etablieren. Für Allach und Fürstenfeldbruck II geht es nach unten

Von Ralf Tögel, München

Die Handballer der Region müssen die abgelaufene Saison wie eine Medaille betrachten. Oben, strahlend und auf Hochglanz poliert, die ranghöchste Mannschaft des TuS Fürstenfeldbruck, die lautstark an die Tür zur zweiten Bundesliga klopfte, um dann aus wirtschaftlicher Vernunft auf die Relegation zu verzichten. 3000 Euro allein für den Antrag der Lizenz zu verbrennen, war angesichts klammer Kassen nicht angemessen. Das Geld ist in der Jugendabteilung besser aufgehoben.

Die Medaille hat aber eine Kehrseite, hinter den Bruckern sieht es düster aus. In der Bayernliga waren vier Mannschaften am Start, während den Aufsteigern TSV Allach und TuS Fürstenfeldbruck II maximal der Klassenerhalt zuzutrauen war, galten der TSV Unterhaching sowie der SV Anzing als durchaus hoffnungsvoll. Erwartungsgemäß waren Allach und der TuS II nicht konkurrenzfähig und finden sich künftig in der Landesliga wieder. Unterhaching entging dank der Abstürze der Drittligisten Rödelsee und Auerbach, die beide zu einem Neustart in der Unterklassigkeit gezwungen sind, dem eigenen Niedergang. Lediglich Anzing darf mit seiner zweiten Spielzeit in der Königsklasse zufrieden sein.

SV Anzing

Trainer Hubert Müller erinnert an das Ziel: "Wir wollten einen sicheren Klassenerhalt, wenn möglich einen einstelligen Tabellenplatz." Das ist den Anzingern als Tabellenneunten im Abschlussklassement auch gelungen. Müller sieht seinen Verein als "handballverrücktes, gallisches Dorf", das in der Bayernliga heimisch werden will. Schwer genug, glaubt Müller, denn dort werde "Leistungshandball im mittleren Bereich" gespielt. Schritt für Schritt will sich Anzing entwickeln, daran hat auch Müller großen Gefallen gefunden. "Wir haben eine eigene Geschäftsstelle mit drei hauptamtlich Beschäftigten", sagt er, eine vereinseigene Halle sowie ein Team von etwa 20 Personen, das sich der Entwicklung des Handballs in Anzing annimmt. Zudem bieten die Handballer eine Wohngemeinschaft, in der drei, vier Spieler sehr günstig unterkommen können, auch bei der Jobsuche könne man unterstützend tätig werden. Prämisse bleibe dennoch, sich schrittweise zu entwickeln, so Müller, "Nachhaltigkeit" sei das wichtigste Wort. Daran werde sich in der kommenden Saison nichts ändern. Die junge Mannschaft bleibe im Kern zusammen, sagt Müller. Dass die Anzinger einiges richtig machen, verdeutlicht der Truderinger Nikolaus Hawranek. Der Münchner Verein ist nach langer Regionalliga-Tradition mittlerweile in der Bezirksoberliga angekommen, der talentierte Rückraumspieler sehr umworben. Er entschied sich für Anzing, obwohl er auch beim Probetraining in Unterhaching vorstellig geworden war.

TSV Unterhaching

Dort steht dem neuen Trainer Christian Sorger eine schwere Saison bevor. Im Januar hatte Vorgänger Marco Müller überraschend hingeschmissen. Zu einem sensiblen Zeitpunkt, die Mannschaft befand sich im Abstiegskampf. Nach außen wurde Müllers Abschied als beruflich motiviert erklärt, hinter den Kulissen lief es länger schon nicht mehr rund. Es gab zwei Grundeinstellungen bei den Spielern, die nicht zusammenzuführen waren: Auf der einen Seite junge und hungrige Spieler, die "richtig Gas geben wollten", so Sorger, auf der anderen arrivierte Kräfte wie der ehemalige Profi Thomas Schibschid, die den Trainingsaufwand überschaubar halten wollten. Die Folge war "Grüppchenbildung", Gift für jedes Kollektiv. Dennoch reichte die individuelle Qualität im Kader, um die Klasse zu halten. Nun machen neben Schibschid auch Wilhelm Becker und Matthias Salger ambitionierteren Kräften Platz und verdingen sich fortan im Unterbau.

Sorger, der zuletzt beruflich zwei Jahre in den USA war und den TSV schon vorher trainiert hatte, weiß die Lücken passabel geschlossen: "Benjamin Wegener spielte Oberliga Niedersachsen, der ist eine richtige Granate." Linkshänder Valentin Elmer kommt aus der Verbandsliga Nordrhein-Westfalen, war mit Dormagen deutscher B-Jugend-Meister. Zudem wird Philipp Heinle vom Absteiger Allach wechseln, den Sorger als deren "besten Spieler" einschätzt. Der neue, alte TSV-Coach erwartet nach dem "Radikal-Umbruch" eine Saison, in der es ums Überleben geht.

TSV Allach

Für Allach hingegen dürfte sich die bayerische Königsklasse bis auf Weiteres erledigt haben. Zumindest denkt das der scheidende Trainer Kurt Neumaier: "Ich glaube, die Mannschaft ist in der Landesliga ganz gut aufgehoben." Zumal neben Heinle auch Torhüter David Docampo, der ein großer Rückhalt war, weiter Bayernliga spielen will und sich dem TSV Friedberg angeschlossen hat. Der Sprung sei letztendlich zu groß gewesen, urteilt Neumaier, der die Mannschaft in die Bayernliga geführt hatte. Nach vier Jahren, so findet er, sei der richtige Zeitpunkt für neue Aufgaben gekommen: Neumaier geht als Trainer zu Bezirksoberliga-Aufsteiger Milbertshofen.

Nachfolger wird Benjamin Karg, der von den Bayernliga-Frauen des ASV Dachau kommt. Assistiert wird Karg von Maximilian Dück, der sich beim TuS Fürstenfeldbruck in der Regionalliga einen Namen gemacht hat, sich seither allerdings mit Rückenproblemen herumplagt. In den letzten zwei Spielen habe Dück beim TSV mitgewirkt, so Neumaier, und das Niveau gleich deutlich angehoben. Ob er den Allachern auch in der kommenden Saison auf dem Feld oder nur an der Seitenlinie helfen wird, steht noch nicht fest.

TuS Fürstenfeldbruck II

Auch die Brucker Reserve muss sich einen neuen Trainer suchen, beziehungsweise einen aus dem bisherigen Duo ersetzen: Christoph Kolodziej hat sein Amt quittiert, ihm sei der Aufwand zu groß. Zumal er die TuS-Reserve als "Hobby-Mannschaft" bezeichnet. Das meint Kolodziej, der im Hauptberuf Landestrainer und Trainer-Ausbilder beim Bayerischen Handballverband ist, gar nicht böse, das Gros der Spieler aber bevorzuge es, "nur einmal pro Woche zu trainieren". Zudem habe es eine hohe Fluktuation im Team gegeben, auch seien aus der ersten Mannschaft immer wieder Spieler dazugestoßen, um nach Verletzungen Spielpraxis zu sammeln. Zu kurz aber, um sich sinnvoll in taktische Abläufe zu integrieren. In der Summe sei das zu wenig Substanz für die Bayernliga, "vielleicht haben wir das auch unterschätzt und uns überschätzt", glaubt Kolodziej.

Der Abstieg wird in Fürstenfeldbruck nicht als Katastrophe gewertet, man habe sich in Freundschaft getrennt. In der kommenden Saison wird Stefan Forstmeier allein die Verantwortung tragen, der Trainer lässt sich dabei von Kilian Schweinsteiger unterstützen. Der kann beispielhaft für die Mannschaft stehen: Schweinsteiger galt als eines der hoffnungsvollsten Talente, hatte sich einen Stammplatz im Drittligateam erspielt und musste vor zwei Jahren seine Karriere auf Eis legen, weil er zum Studieren nach Österreich ging. Regelmäßige Spiele in Bruck sind unmöglich, geschweige denn Training. Doch wenn er Zeit hat, ist Schweinsteiger allemal gut genug für die Bayernliga.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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