Handball:Nach dem Horror

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Auf ein Neues: Stephan Seitz (Mitte) setzt sich im letzten Heimspiel gegen Berlin durch, nun kommt nach einem halben Jahr Pause Balingen. (Foto: Claus Schunk)

Allachs Junioren gewinnen trotz miserabler Vorbereitung den Bundesliga-Saisonstart. Das Heimdebüt stellt sie vor neue Herausforderungen.

Von Ralf Tögel, München

Die Vorbereitung? Andreas Krauß antwortet mit einem einzigen Wort: "Horror". Er sei ja schon lange in diesem Geschäft, aber so etwas "habe ich noch nie erlebt." Dass dennoch der Saisonstart mit einem 35:26-Triumph bei der HG Oftersheim/Schwetzingen gelungen ist, mutet angesichts der überstandenen Unwägbarkeiten wie ein kleines Wunder an. Und macht Hoffnung auf eine ähnlich erfolgreiche Saison wie die des Vorjahres, die bekanntlich nach dem Meisterrundenspiel gegen die Füchse Berlin in der proppenvollen Eversbuschhalle wegen der Pandemie ein jähes Ende fand.

Seither ist auch bei den Allacher Handballern nichts mehr wie es war, an geregelte Abläufe weder für Verein noch Sportler zu denken. Dabei geriet schon der Wiedereinstieg in Allach besonders schwierig. "Wir waren die letzte Mannschaft der gesamten A-Junioren-Bundesliga, die in die Halle konnte", erinnert sich Trainer Andreas Krauß, Mitte Juli erst hätten seine Spieler wieder mit Ball üben können. Nicht gerade optimal angesichts der Vorgabe, eine neue Einheit zu formen, es galt schließlich, wichtige Kräfte zu ersetzen und neue Spieler zu integrieren. Entsprechend durchgetaktet war das Programm, viel Grundlagenarbeit, als erste Standortbestimmung in einem hochkarätig besetzten Vorbereitungsturnier in Lausanne gegen die besten Schweizer Teams. Direkt im Anschluss war ein fünftägiges Trainingslager in Ungarn terminiert, erneut mit hochkarätigen Gegnern. Höhepunkt der Saisonvorbereitung sollte der traditionelle Sparkassen-Cup bei den Füchsen Berlin werden, mit den besten A-Juniorenteams der Nation, wie Berlin, SC DHfK Leipzig oder SC Magdeburg.

So war der Plan. Ein guter Plan.

Der sehr schnell Makulatur wurde, denn für das Trainingslager in Ungarn hatte sich das Team wie gefordert vorher auf Corona testen lassen. Nun platzte ein positives Testergebnis mitten in das Turnier in der Schweiz. Anstatt das Finale in Lausanne zu spielen, wurde das Turnier umgehend abgebrochen, was "uns natürlich extrem leid getan hat", so Krauß. Und anstatt nach Ungarn ging es für den Allacher Tross nach Hause und zwei Wochen in Quarantäne - da halfen auch die negativen Ergebnisse aller Beteiligten bei anschließenden Tests nichts. Was überdies den Verdacht eines falschen Testergebnisses hinterließ. Als besonders ärgerlich empfand der Trainer das verpasste Turnier bei den Füchsen: "Das ist extrem schade für die Spieler, zu so einem Turnier muss man erst mal eingeladen werden." Was dem starken Auftreten der Allacher in der Vorsaison zuzuschreiben war, nicht zuletzt Füchse-Trainer Bob Hanning, der bekanntlich auch DHB-Vizepräsident ist, war nach besagtem Spiel seines Teams in der Eversbuschhalle voll des Lobes: "Das ist toll, was hier passiert, und wichtig für den bayerischen Handball."

Weniger toll fand der Allacher Coach die neuerliche Zwangspause, nach der 14-tägigen sportlichen Tatenlosigkeit "hängst du zwei Wochen vor Saisonstart plötzlich in der Luft, du fängst wieder von vorne an und weißt nicht, wo du stehst", so Krauß. Und dennoch ist der Saisoneinstieg nun prächtig gelungen, ein Auswärtssieg beim Nachwuchs des Drittligisten war nicht zu erwarten. "Aber wir leben momentan noch von der individuellen Stärke unserer Spieler", erklärt Krauß, was allen voran auf Linkshänder Stephan Seitz, der 14 Treffer markierte, Kreisläufer Cedric Riesner (2), Spielgestalter Philipp Hlawatsch (6) und Keeper Louis Oberosler zutreffe. Sie sind allesamt der jüngere Jahrgang und waren in der Vorsaison schon Schlüsselspieler, zudem stehen alle außer Hlawatsch per Zweitspielrecht beim Zweitligisten TuS Fürstenfeldbruck im Kader. Rechtzeitig vor der Pause zog Allach das Tempo an und legte mit dem Vier-Tore-Polster zur Halbzeit den Grundstein zum Sieg. In Hälfte zwei dominierte der Gast, auch weil Oberosler im Tor die gegnerischen Werfer vor unlösbare Aufgaben stellte. Nun also steht das erste Heimspiel an, dem Krauß angesichts des Gegners mehr Aussagekraft für den Saisonverlauf beimisst: "Wir haben logischerweise noch Defizite im Spielfluss, die Abläufe sitzen noch nicht und Balingen ist eine andere Hausnummer." Die kommenden drei, vier Wochen werde man schon noch für die Feinabstimmung benötigen. Nach der JSG Balingen/Weilstetten kommt der HC Erlangen, beides Nachwuchsteams von Erstligisten, deren Vorbereitung ungleich runder gelaufen sein dürfte.

Immerhin sind für die Heimpremiere am Samstag (16 Uhr, Eversbuschhalle) 150 Zuschauer zugelassen, wie der zweite TSV-Vorstand Roland Störch sagt. Man habe in vielen Arbeitsstunden ein Hygienekonzept erarbeitet, das nun von den zuständigen Behörden genehmigt wurde. Karten werden nur online zu erwerben sein, maximal fünf Personen können zusammensitzen, was sich nach Haushalten richte. Es wird unter anderem getrennte Laufwege geben, zusätzliches Reinigungspersonal, Maskenpflicht in der Halle und am Sitzplatz, getrennte Ein- und Ausgänge, Alkoholverbot, der Kiosk wird vor die Halle verlagert und das Ordnungspersonal verdoppelt. "Wir werden nach dem Spiel alles akribisch durchleuchten", sagt Störch, er wisse aber auch, "dass sich zum nächsten Heimspiel am 3. Oktober gegen Erlangen wieder alles ändern kann."

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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