Handball:Lob aus Island

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Alles Würgen war umsonst, Tabellenführer Hüttenberg konnte Korbinian Lex und seine Mannschaftskameraden nicht niederringen. (Foto: Günther Reger)

Die Fürstenfeldbrucker Handballer trotzen Tabellenführer Hüttenberg im Topspiel ersatzgeschwächt einen Punkt ab

Von Ralf Tögel, Fürstenfeldbruck

Wie hätte dieser Abend mit Misstönen enden können? Als Adalsteinn Eyjolfsson doch noch zur öffentlichen Pressekonferenz im Foyer der Wittelsbacher Halle erschien, sagte der isländische Trainer des TV Hüttenberg in ein paar zarte Pfiffe hinein, dass er bei den Schiedsrichtern "schon einen Heimvorteil", bemerkt habe. Nach dem 22:22 (9:12)-Unentschieden in einem mitreißenden Drittligaspiel vor 900 frenetischen Zuschauern hatte aber niemand Lust, sich nach so einem Handballfest zu ärgern, schon gar nicht die Fürstenfeldbrucker. Die waren gegen den Favoriten einmal mehr über sich hinausgewachsen, das Remis gegen den überragenden Tabellenführer sicherte zudem den zweiten Platz.

Martin Wild, der Trainer dieses Brucker Überraschungsteams, sah jedenfalls keinen Grund zur Konfrontation, teilte lediglich mit, dass er die Meinung des Kollegen nicht so ganz teile. Dabei war Wild selbst wie ein Derwisch nach dem Schlusspfiff aufs Spielfeld gestürmt, um den Unparteiischen ein paar Takte zu sagen, hatte sich aber ein paar Minuten später wieder im Griff. Er war nicht der Einzige, der seinen Testosteron-Spiegel erst einmal nach unten fahren musste, auch sein Personal hatte sich in einen wahren Rausch gespielt, der sich in seiner immensen Intensität auch auf das Publikum übertragen hatte. "So eine Stimmung habe ich ganz ehrlich hier noch nie erlebt", sagte Kapitän Tobias Prestele. Dass es für seine Mannschaft ein Punktgewinn war, verdeutlichte das spontane Freudentänzchen unmittelbar nach der Schlusssirene.

Selbst Hüttenbergs knorriger Isländer gab, bevor er endgültig zum Bus aufbrach, zu, dass die Brucker "eine geile Saison spielen", und man sich in der großen Kreisstadt insgesamt über "eine geile Entwicklung" freuen dürfe. Nun gelte es, dies alles zu bestätigen in der kommenden Saison, wofür er dem Kontrahenten Glück wünschte. Eyjolfsson selbst wird dann in der zweiten Bundesliga tätig sein, ein Feld, das dem ehemaligen Eisenacher Erstligatrainer mehr liegen dürfte. Dass die Hessen sich angesichts von neun Punkten Vorsprung bei fünf ausstehenden Spielen die Meisterschaft und damit die Rückkehr in Liga zwei noch nehmen lassen, ist nur in der Theorie denkbar. Zumal die so ausgeglichen wie qualitativ stark besetzte Auswahl sich kaum mehr eines derart bissigen Gegners wird erwehren müssen.

Die Brucker waren mit dem Malus von drei verletzten Schlüsselspielern an den Start gegangen, darunter der beste Torschütze Sebastian Meinzer. Zudem hatte Tizian Maier, der nicht nur optisch, sondern auch mit seinem listigen Spiel ein wenig an Fußball-Star Thomas Müller erinnert, nicht trainieren können. Eine Hüftverletzung machte ihm auch im Spiel zu schaffen, Akzente setzte er dennoch. Es wäre nicht gerecht, einen Spieler aus diesem famosen Ensemble herauszustellen, einen muss man ob seiner Leistung dennoch erwähnen: Torhüter Michael Luderschmid. Im Zusammenspiel mit der aufopferungsvoll kämpfenden Abwehr zeigte Luderschmid eine beeindruckende Leistung, brachte die gegnerischen Werfer mit unglaublichen Reflexen - wenn nötig mit dem Kopf - zur Verzweiflung.

Nach fünf Minuten fiel das erste Tor, nach deren zwanzig stand es 5:5, was auch daran lag, dass Hüttenberg-Keeper Matthias Ritschel ebenfalls einen Sahnetag erwischte. In Sachen Intensität und Einsatz hatte das Ganze schon Zweitliga-Charakter, fand Hartmut Mayerhoffer. Der ehemalige Friedberger Trainer ließ sich das Gipfeltreffen nicht entgehen, ist als Coach des Zweitligisten Bietigheim zu solch einer Expertise befähigt. Die Brucker jedenfalls wussten die individuellen Vorteile der Gäste durch unbändigen Einsatzwillen auszugleichen, Wild bewies mit den Nachwuchskräften Yannick Engelmann oder Alexander Leindl einmal mehr das richtige Händchen. Gleichzeitig sind es diese Spieler, die Hoffnung auf die Fortsetzung des Brucker Handball-Märchens machen. Wild war einfach "nur stolz" auf seine Spieler, die diese starke Saison um ein weiteres Kapitel bereichert haben. Er sagte fast schon beseelt: "Jeder wartet nur darauf, dass es vorbei ist, doch dann packen die Jungs wieder einen drauf."

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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